Ich habe mich schon nach Bekanntwerden mit der Frage beschäftigt, wieso BMW nun nebst dem Schnabelventil und den Löchern in der Manschette auch mit dem Rundlauf der Kardanwelle beschäftigt. Sind alle Kardanwellen defekt, gäbe es einen Rückruf, soviel ist sicher jedem klar.
Also, warum dann diese Gleichlaufprüfung?
In meinen nicht eben langen Ferien habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt und mit der Vespa unterwegs, hatte ich auch reichloich Zeit zum nachdenken (übrigens hat die Vespa deutlich mehr Probleme, als eine GS und Piaggio ist da weit weniger kulant als BMW! Stichwort sei hier z.B. Benzinpumpe der GTS-300 Modelle).
Aber zur BMW. Mit dieser Gleichlaufprüfung des Kardans kann man genau eines Prüfen: Den Gleichlauf bzw. die Gleichmässigkeit des Wellenrundlaufes.
Erfasst können damit folgende Probleme, ohne Aussage welches dann effektiv zutrifft:
- Zustand der Lager der Kreuzgelenke
- Korrekter Einbau der Welle (Stichwort: ridealone)
- zuviel Spiel in der Keilverzahnung
Und ich wette, dass die Aktion auch aufgrund der Analyse von ridealones Unfall bzw. dem Vorliegen der Videos zusammenhängt! Dadurch und mit dem Schadensbild ist eine Zuordnung zu einem Fahrzeugfehler und keinem Fehlverhalten des Fahrers möglich. Ich wette, dass dies der Grund ist und nicht die allenfalls in einigen Fällen rostenden Wellen. Der Rost kommt allenfalls sekundär ins Spiel, aber das würde nun das Thema im Umfang sprengen.
Die Nadellager in den Kreuzgelenken sind an sich extrem robust und eigentlich bei allen Marken/Modellen ausreichend dimensioniert (nicht nur bei BMW). Das sind Standardmaschinenbauteile. Schädlich wären Schläge, Verlust des Schmiermediums (Fett), Einbaufehler etc. Der Ausfall der Lager ist an sich nicht gefährlich, wobei mit zunehmendem Verschleiss der Rollen eine Zunahme der Gefährlichkeit vorhanden ist -> Schlimmstenfalls absprengen des Gelenkkopfes -> Bersten des Kardantunnels. Aber das ist dermassen selten bzw. unwahrscheinlich, dass z.B. das Bersten einer Kette mit maximal möglichem Szenario deutlich wahrscheinlicher erscheint. Aber man kann mit der Gleichlaufmessung den Zustand dieser Lager erkennen.
Der korrekte Einbau der Kardanwelle (Stichwort "Sprengring" bzw. korrekt Positionierung der Gelenke) ist vermutlich deutlich gefährlicher und auch wahrscheinlicher. Hier reicht menschliches Versagen beim Einbau/Zusammenbau, so wie beinahe überall -> Stichwort Reifenmontage etc.
Auch den Einbau bzw. den Zustand des Einbaus kann man mit der Gleichlaufmessung erkennen.
Ebenso kann zuviel Spiel der keilverzahnung zuverlässig detektiert werden. Zuviel Spiel würde sich über die Zeit gesehen immer vergrössern und im Extremfall im Verlust des Vortriebes zeigen. Ich denke aber, dass dies von den hier vorgängig erwähnten Beispielen am wenigsten gefährlich ist.
Wieso besteht dann diese 60'000km Grenze betr. generellem Austausch der Kardanwelle?
Ich denke das war eine Kosten/Nutzen/Gefahr Abwägung. Die Kardanwelle ist mitnichten, so wie es Laien denken mögen und tun, wartungsfrei! Allgemein gesehen ist sie dies schon, aber auch eine Kardanwelle nutzt sich ab. Einerseits altern die Lager, andererseits die Keilverzahnung schlägt langsam aus. Die 60'000 waren wohl so eine Grenze bez. Verschleiss und Vernunft bzw. Kosten. Vermutlich hätte man auch 80'000 oder 40'000 nehmen können, eine klar messbare Grenze sind die 60'000 nicht. Die Gleichlaufmessung ist nicht kostenlos und eine neue Kardanwelle ist es auch nicht. Sobald das Risiko von ausreichend Verschleiss mehrheitlich eine neue Kardanwelle anzeigt, nimmt man immer lieber gleich eine neue Kardanwelle, als zu messen und dann trotzdem eine neue Welle einzusetzen -> doppelte Kosten! Die 60'000 kommen daher eher aus der Statistik und Kostenrechnung, als aus der absoluten Notwendigkeit. Einfacher gesagt: Wenn ich eine Tour plane mit 10'000km und ich habe noch einen ca. 70%igen Reifen (der somit noch 7'000km hält), dann ersetze ich diesen vor der Tour, auch wenn es weh tut (Annahme: Ich kann unterwegs keinen reifen wechseln bzw. nur mit sehr grossem Aufwand).