Downunder mit WWBTT........Teil 9
...Die restliche Fahrt war ziemlich öde. Die Landschaft bot bis auf rotbraune Wüstenei mit Buschwerk keinerlei geografische Besonderheiten. Deshalb hatten die altehrwürdigen Erbauer dieses landstraßenähnlichen Highways auch keinerlei Grund von der bekannten euklidischen Weisheit abzuweichen, die da besagt. "Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade!"
Die optimale Geschwindigkeit mit meinem leicht verbogenen Vorderrad betrug so etwa 90 Km/h. Bei diesem Tempo schlingerte die XT nur wenig. Eigentlich ganz erträglich, denn Verkehr gab es fast keinen. Fast ... bis auf die berüchtigten Road Trains. Wahre Monstertrucks. Meist amerikanische MACK Zugmaschinen mit mehreren Anhängern. Mehr als 50 Meter lang und über 150 Tonnen schwer. Diese mit mächtigen Kuhfängern bestückten Züge donnerten mit über 100 km/h über die Piste. Knut hatte uns erklärt, dass die niemals bremsen würden.
-Völlig egal, was da auf der Straße steht oder liegt. Der Bremsweg dieser Ungetüme ist mehr als 1 Kilometer lang. Ausweichen können die auch nur sehr begrenzt ... also äußerste Vorsicht.
Die Fahrer sind dafür bekannt, auch mal 24 Stunden durchzufahren. Zeit ist Geld. Die halten sich dabei mit allen erlaubten und auch unerlaubten Mitteln wach. Die treten auch in der Nacht voll drauf-.
Am Wahrheitsgehalt seiner Erklärung zweifelte ich mittlerweile nicht mehr.
Die überall am Straßenrand verwesenden Kadaver diverser Spezies bestätigten seine Aussagen. Wildpferde, Dromedare, Kängurus und anderes unidentifizierbares Getier ... eben alles, was die örtliche Fauna so hergab.
Motorradfahrer entdeckte ich allerdings keine. Bis dahin jedenfalls noch nicht. Die Fahrer dieser Kamikazetrucks hatten schiffsirenenartige Pressluftfanfaren. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen betätigten sie diese, wohl auch um sich gegenseitig über viele Kilometer hinweg zu warnen.
Kurz bevor eines dieser Ungeheuer an mir vorbei donnerte, betätigte er mal kurz seine Hupe. Alleine der Schalldruck hätte mich fast von der Strecke gepustet. Spaß muss sein ... auch im Outback. Meine Ohren klingelten noch mehrere Minuten danach.
Ich zog es deshalb vor, bei allen folgenden Begegnungen am Straßenrand anzuhalten und abzuwarten. Auch bei entgegenkommenden Exemplaren.
Die Fahrer nutzten die gesamte Straßenbreite. Vermutlich zielten sie dösend immer auf den Mittelstreifen.
An einer Tankstation nahm ich eines der Monster in näheren Augenschein. Eine riesige Zugmaschine mit Auflieger und drei mehrachsigen Anhängern. Eine komplette Schafherde war dort auf mehreren Etagen untergebracht.
Der gigantische Kuhfänger wies mehrere Dellen und Schrammen auf. Die armdicken Stahlrohre würden jeden Pkw wegschleudern wie ein Spielzeugmodell, und die mickrige XT verschlucken wie mein Ölkühler irgendwelche Insekten. Wenn der Fahrer sein Radio aufgedreht hat, würde er es wahrscheinlich noch nicht einmal bemerken.
Knut hatte berichtet, dass er schon einmal eindeutig Verkleidungstrümmer eines Motorrades in einem solchen Kuhfänger gesehen hätte. Nachdem ich dann den Trucker auf sein Gefährt zutorkeln gesehen habe, glaubte ich dem guten Knut auch diese Geschichte.
Andere Länder ... andere Sitten. Die Schafe würden jedenfalls noch eine lustige Fahrt haben. Arme Viecher.
Alles in allem waren es vielleicht ein gutes Dutzend Road Trains und eine Handvoll Pkws auf diesen 300 km bis Alice Springs. Das war der gesamte Verkehr auf dieser Strecke. Auf dieser einzigen Verbindung von Nord nach Süd.
Den Campingplatz fand ich sofort. Die Karte war sehr übersichtlich in dieser Gegend. Knut beobachtete meine Ankunft genau. Nachdem ich die XT abgestellt hatte, ging ich zu ihm hin.
"Besser spät, als nie", begrüßte er mich. „Hatte kleinere technische Probleme ...", erwiderte ich.
Knut umrundete die geschundene Yamaha. "Das sehe ich, aber wenigstens noch alles dran", stellte er mit unterdrückter Begeisterung fest. "Das Vorderrad wackelt ein bisschen, und die Gabel ist auch nicht mehr so ganz optimal", musste ich kleinlaut zugeben. "Ich bau denn mal mein Zelt auf, und geh dann duschen", verkündete ich mit fester Stimme und machte mich schnell aus dem Staub.
Nur mit meiner kurzen Jeans bekleidet hinkte ich nach der Erfrischung in Richtung Zelt. Eva erkannte mit geschultem Auge sofort meine neue Behinderung. "Was ist denn mit deinem Knie?", fragte sie mitfühlend. "Och, nur ein bisschen gestoßen..", versuchte ich zu entkommen.
Der Rest der Mannschaft war wohl ins Dorf gefahren, um ein wenig Kultur zu tanken. Nur Eva, Knut und Olli waren zurückgeblieben. Olli war die besagte rechte Hand von Knut und sowohl Chefmechaniker als auch Reservekoch von WWBTT. Er sah aus wie der fünfte Bruder der Ludolfs. Er machte sich bereits mit Inbrunst an meiner XT zu schaffen, wie ich aus sicherer Distanz beobachten konnte.
Eva zwang mich dazu, mich auf einen herumliegenden Baumstamm zu setzen und legte ihre warmen Hände auf mein lädiertes Knie. Professionell drückte und tastete sie an meinem Bein herum. Sie malträtierte einen sehr schmerzempfindlichen Bereich, und ich packte sie reflexartig an beiden Handgelenken. Sie erstarrte und schaute mit einem merkwürdigen Blick hoch. „Böses Mädchen ...", entfuhr es mir. Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus ... ertapptes Schulmädchen ... und ... Michaela Schaffrath bei der Arbeit. Die war doch auch ursprünglich einmal Krankenschwester, wenn mich nicht alles täuscht.
Das Muster erkannte ich sofort. Ich hatte mal eine … gute Bekannte ... die ebenso drauf war. Also daher weht der Wind!
Ich sah mich schnell um. Knut und Olli waren außer Sichtweite. Ich packte ihre beiden Handgelenke mit meiner linken Hand und wollte gerade ihren Kopf nach hinten biegen ... als mir schlagartig die Situation bewusst wurde. Sofort ließ ich los und beugte mich unschuldig zurück. Im Moment war ich Patient. Ganz ruhig, alter Junge ... bloß nichts überstürzen.
Eva erhob sich und blickte wieder wie eine Krankenschwester aus der Wäsche. "Ich habe elastische Verbände und eine Salbe dabei", sagte sie mit leicht belegter Stimme. Sie eilte zu ihrem Zelt und kam sofort mit den versprochenen Sachen zurück.
Noch während sie kunstvoll mein Knie umwickelte hörte ich den typischen Klang der Yamahas. Die Truppe kehrte zurück. Auch Eva registrierte die nahende Gefahr. Sowohl der Chirurg als auch Anke bekämen wahrscheinlich einen völlig unnötigen Denkanstoß, falls sie uns hier sehen sollten. Eva sah das wahrscheinlich ähnlich, und begab sich schnell und unauffällig zurück zu ihrem Zelt. Kluges Mädchen ... dachte ich. Das versprach noch eine sehr interessante Tour zu werden.
Fortsetzung folgt