Downunder mit WWBTT....Teil 21
...Wenn man dann da so sitzt und in diese unendliche Weite blickt, dann kommen ungeahnte Assoziationen hoch. Bei mir als eher wissenschaftlich orientiertem und interessiertem Zeitgenossen vor allem astrophysikalische Fragestellungen. Diese Betrachtungsweise entsprach so gar nicht den aktuellen Empfindungen meiner Begleiterin. Die achtete in diesen Momenten primär auf Sternschnuppen.
„Da ist wieder eine, wünsch dir schnell was“, flüsterte sie ergriffen.
„Was soll ich mir denn wünschen?“, fragte ich eher ratlos. „Na, irgendwas wirst du dir doch wünschen“, kam die erstaunte Antwort.
Na gut, ich hatte natürlich schon einige Wünsche, aber was um alles in der Welt haben denn verglühende Gesteinspartikel damit zu tun. Ich schwieg aber einfühlsam und erweckte damit offenbar den Eindruck, dass ich intensiv über bisher unerfüllte Wünsche nachdenken würde. Sie schwieg ebenfalls und das war dann ja auch kein schlechtes Ergebnis.
Meine Erläuterungen über die Anzahl der Himmelskörper in der heimatlichen Milchstraße und über die Anzahl der Galaxien überhaupt, wurden andächtig schweigend zur Kenntnis genommen. Ebenso mein Vortrag über die nur abstrakt und zahlenmäßig erfassbaren Größenverhältnisse im bekannten Universum.
Das sind so die Assoziationen, die bei mir nach längerer Betrachtung des Firmaments hochkommen.
Was aber keinesfalls bedeuten soll, dass ich keinerlei Antennen für diese eher ganzheitlichen Empfindungen habe. Diese undefinierbaren und unkonkreten Empfindungen kann wohl niemand vollständig wegdenken. Trotz aller logisch fundierten und gänzlich unromantischen Erkenntnisse.
Wir zogen uns dann in unser gemeinsames Zelt zurück. Die unmittelbare Nähe der anderen Kuppelzelte verhinderte in dieser Nacht den Austausch intensiver Zuneigungsbeweise.
Ein bisschen was, geht natürlich immer. Aber man muss doch auch die Spannung erhalten. Das ist auch in einer reinen Urlaubsbeziehung der Schlüssel zum Erfolg.
Die Nacht wurde dann trotzdem noch ziemlich aufregend. So ein Wüstengewitter hat seinen ganz eigenen Reiz. Zahllose Blitze zuckten, trotz Stoffkuppel deutlich sichtbar, durch die tiefschwarze Nacht. Das dazugehörige Donnergrollen klang hier draußen ganz besonders bedrohlich. Eine tolle Akustik. Die Schallwellen wurden durch keinerlei Hindernis abgeschwächt. Wie immer zählte ich die Sekunden zwischen Lichtblitz und Knall und blieb ruhig. Weit weg, dieses Naturschauspiel, sehr weit weg. Anke schien deutlich weniger Vertrauen in die Erkenntnisse des Herrn Mach zu haben.
Sie hatte eine Höllenangst. Kann man auch irgendwie nachvollziehen. In einem dünnen Stoffzelt den Naturgewalten zu trotzen, setzt eben eine gewisse fatalistische Grundhaltung voraus.
Zumindest bei Personen die Physik schon früh abgewählt haben. Oder eben Sozialpädagogik anstelle von Naturwissenschaften als alleinige Quelle der Erkenntnis bevorzugen.
„Das ist kilometerweit weg“, versuchte ich sie zu beruhigen. ,,Und wenn das dann hierhin zieht?“, jammerte sie. „Das merken wir dann schon rechtzeitig“, entgegnete ich, so selbstsicher wie möglich.
„Na und dann, was machen wir dann?“, wollte sie aufgeregt wissen.
„Dann machen wir gar nichts, aber noch haben wir das Problem nicht und deshalb immer die Ruhe bewahren“.
Trotz dieser eher ernüchternden Aussage entspannte sie sich spürbar. Absolute Ratlosigkeit kann fast immer durch völlig unbegründetes aber äußerst selbstsicheres Auftreten kompensiert werden.
Wenigstens das kann man von schlechten Politikern und guten Anwälten lernen. In diesem Fall war die Methode dann auch erfolgreich.
Solange wenigstens, bis der Zug kam. Es hörte sich jedenfalls so an. Ein immer lauter werdendes Geräusch war plötzlich zu vernehmen, gepaart mit einem merkwürdigen Licht. Eine kugelförmige Lichtquelle schien der Urheber zu sein. Diese Erscheinung rollte gewissermaßen leuchtend und wummernd an unserem Platz vorbei. Nun war ich allerdings auch sprachlos. So etwas hatte ich auch noch nie erlebt. Die einzige Erklärung, die ich nach wie vor für diese Erscheinung habe ist -ein Kugelblitz-. Die soll es aber, zumindest nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, überhaupt nicht geben.
Mein Vertrauen in die absolute Deutungshoheit der konkreten Wissenschaft wurde in dieser Nacht schwer erschüttert. Noch schlimmer war allerdings, dass ich scheinbar der Einzige war, der diese kugelförmige Erscheinung wahrgenommen hatte. Anke fiel als Zeugin aus, die hatte sich im Schlafsack versteckt und sich angstvoll Augen und Ohren zugehalten. Allen anderen Gruppenmitgliedern war außer dem normalen Gewitter nichts Derartiges aufgefallen.
Da war ich beim Frühstück also der Paranoiker des Tages. Nachdem mir klar wurde, dass tatsächlich niemand diese merkwürdige Erscheinung wahrgenommen hatte, schwieg ich dann sicherheitshalber.
Wenn die Wissenschaft nichts von Kugelblitzen wissen will und auch alle Anderen hier nichts gesehen haben … dann … weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dann eben nicht. Auch kein Problem.
Andere haben die Jungfrau Maria gesehen … und ich eben einen Kugelblitz.
Was soll’s!
Auf den Yamahas ging es weiter in Richtung Süden. Diesmal mit Sozia. Die Landschaft war noch eintöniger als bisher. Knut hatte uns ohne Kartenmaterial losgeschickt. Das war auch kein Problem, es gab nur eine Straße für uns und die führte immer geradeaus. Spannend war lediglich, dass wir an einem ehemaligen Atomwaffen-Testgelände vorbei kommen würden. Mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand zwar, aber trotzdem.
Die Briten hatten noch in den 1950er Jahren hier unten, in den menschenleeren Weiten von Südaustralien, ihr nukleares Arsenal praktisch erprobt. Hier und weiter westlich, in den richtigen australischen Wüsten.
Rein landschaftlich wäre hier jede Veränderung sicherlich kein Nachteil. Selbst wenn sie mit derart unüblichen Methoden vorgenommen werden sollte.
Aber für einen ehemaligen aktiven Unterschriftensammler des ‚Krefelder Appells’ eine trotzdem verurteilenswerte Tatsache. Wesentlich angenehmer war die Tatsache, dass sich meine Sozia hinter mir langweilte. Da sie keine Handschuhe trug, war ihr Fingerspitzengefühl in keiner Weise beeinträchtigt. Und da man in den Rückspiegeln jederzeit rechtzeitig fremde Beobachter ausmachen konnte, bestand auch keine Gefahr wegen Erregung öffentlicher Erregung belangt zu werden. So hatte sie Beschäftigung und mir war trotz der eintönigen Strecke auch nicht mehr langweilig.
Fortsetzung folgt