Zur allgemeinen Diskussion über Tesla muss man sagen, dass Artikel über Tesla wunderprächtige Klickbringer sind, weil hier Fanboys und Hater gleichermaßen hyperventilieren. Ich kannte das Phänomen bislang vor allem von Apple. Beruflich habe ich mit einer Website zu tun, in der es um E-Commerce und Onlinemarketing geht, nicht aber um neue Technik-Gadgets. Dennoch veröffentlichen wir aktuelle Meldungen, wenn Apple mal wieder einen Pfurz vorstellt, weil das geklickt wird wie die Sau. Und das ist heute die einzige Währung, die zählt.
Was mir bei der Berichterstattung über Tesla unglaublich fehlt, das ist der nüchterne Blick. Vor allem online merkt man bei jedem Artikel in den ersten Zeilen, welchem Lager der Autor angehört: Will er die verschnarchte deutsche Autoindustrie bashen oder das Großmaul Musk? Man könnte jetzt sehr schnell (und mit einiger Berechtigung) die ausführenden Journalisten kritisieren. Aber offenbar nähert sich allgemein die Gültigkeit des Mantras, dass Nachricht und Meinung voneinander getrennt gehören, ihrem Ende.
Ich habe eine klassische Redakteursausbildung, und für mich sind Überschriften wie zum Beispiel "How the Internet of Things will affect the world." (Business Insider) schlicht schlechtes Handwerk. Niemand weiß, wie das Internet der Dinge die Welt verändern wird, denn das wird in der Zukunft passieren, deshalb ist das bestenfalls eine Prognose und sollte auch so verkauft werden. Das wird aber speziell in den USA immer häufiger außer Acht gelassen.
Für mich kommt das unglaublich arrogant rüber: Da schwingen sich irgendwelche Tech-Blogger dazu auf, verbindliche Aussagen über die Zukunft zu treffen, und diese unglaubliche Überzeugung von der Wahrheit des eigenen Standpunktes übernehmen auch viele Tesla-Gläubige. Was ich bereits an Kommentaren gelesen habe, die Manager deutscher Automobilkonzerne am Rande des Nervenzusammenbruchs sehen, weil sie mit Tesla nicht mithalten können, das geht auf keine Kuhhaut. Die Denke, die dahintersteht, ist fanatisch. Das ist ein hartes Wort, aber ich benutze es bewusst. Vor einiger Zeit sah ich mal einen Beitrag, in dem ein britischer Salafist erklärte, weshalb sich der Islam in Westeuropa durchsetzen werde. Sorry, aber sein Argumentationsmuster hatte extreme Ähnlichkeit mit den Mustern vieler Tesla-Fanbunnies.
Insofern finde ich, dass das größte Problem, das Tesla im Moment hat, die Penetranz seiner selbst ernannten Markenbotschafter ist.
Noch etwas anderes fällt mir zu dem ganzen Teslagejubel ein: Ich war (Achtung, das wird jetzt etwas länger) in den 80ern kurz mal in einer Sekte, die die Transzendendentale Meditation (TM) lehrte. Nach dieser Lehre ist TM nicht nur gut für den, der sie ausübt, sondern er verbreitet während der Meditation eine positive Aura um sich herum, die negative Entwicklungen in der Welt dämpft. Die Lehre ging ferner davon aus, dass alle negativen Tendenzen auf der Welt eingedämmt würden, wenn ein Prozent der Weltbevölkerung TM praktiziert. Ein Prozent, das wären heute rund 70 Millionen Leute. Deshalb finanzierte die Sekte auch kostenlose TM-Kurse in der dritten Welt, um dieses Ziel zu erreichen, war aber weit, weit davon entfernt.
(Wir müssen an dieser Stelle nicht über den Sinn dieser Lehre diskutieren)
Also entwickelte die Sekte eine Art Turbo-TM, die so genannte Sidhi-Meditation. Für sie musste man speziell ausgebildet werden, dafür sollte sie den gewünschten positiven Effekt auch erreichen, wenn nur die Quadratwurzel aus einem Prozent der Weltbevölkerung meditiert. Sie mussten dies allerdings zusammen und gleichzeitig tun. Dazu waren rund 4.000 Sidhi-Meditierende notwendig, und die Sekte organisierte riesige Treffen an den Brennpunkten der Welt, um die Leute dort zusammenzubringen.
So, und jetzt komme ich zum Punkt:
Für die Sekte stand es völlig außer Frage, dass es einen positiven Effekt auf das Weltgeschehen (zumindest in dem Land) hatte, wenn 4.000 Sidhis gleichzeitig dort meditierten. Es galt nur noch zu beweisen, auf welche Art sich dieser positive Effekt äußerte. Also suchten sie in den Medien nach Berichten über positive Ereignisse, die sich zu der Zeit in der Gegend abgespielt haben. Und die Ereignisse, die dann fröhlich herausposaunt wurden, waren manchmal etwas skurril. Zum Beispiel die Entscheidung von Ronald Reagan, für eine zweite Amtszeit als US-Präsident zu kandidieren - eine Entscheidung, die der Rest der Welt eher besorgt zur Kenntnis nahm.
Ähnlich bei Tesla: Man will es der Firma gar nicht verdenken, wenn sie herumposaunt, dass in einem Quartal im Jahr 2014 in Norwegen das Tesla Model S das meistverkaufte Auto des Landes war. Lästig wird es nur, wenn Fanboys ohne Not diesen Marketingquatsch nachplappern und dabei ihr Hirn ausschalten. Zu Absatzzahlen in Europa gehört eben nicht nur, dass Tesla in 2015 in Norwegen 2.900 Autos verkauft hat und in Holland (wo die europäischen Teslas montiert werden) etwa genauso viel. Es gehört auch dazu, zu sehen, dass es im großen und reichen Deutschland gerade einmal 1500 Stück waren, und in Spanien nur 10. Da kann doch jeder den Seat-Markenvorstand verstehen, dass der nicht sofort einen Elektro-Cupra haben will, bei dem Absatzpotenzial;-)
Die andere Seite ist oft auch nicht besser. Wie manche Autoren Faktoren, die für Elektroautos sprechen, bewusst außer Acht lassen, das ist schon erstaunlich. Ich bin da recht pragmatisch. Für mich entscheidet der Markt. Deshalb bin ich auch gegen eine Subventionierung von E-Autos. Eine Subventionierung der Lade-Infrastruktur halte ich dagegen für sinnvoll. Das Auto hätte sich vermutlich in Deutschland ohne einen leistungsfähigen öffentlichen Straßenbau auch nicht durchgesetzt.