Ich habe lange überlegt, ob ich einen Beitrag schreiben möchte, weil die Diskussion schon sehr "leidenschaftlich" geführt wird und oft auch von einzelnen Wahrnehmungen geprägt ist, die dann verallgemeinert und als Fakt wahrgenommen werden. Insofern ist eine "objektive" Sicht nicht ganz einfach.
Vorweg geschickt - meine Arbeit findet jeden Tag genau in diesem Spannungsfeld statt.
Jahrelanger extremer Drogenmissbrauch, Schwerstabhängigkeit, Alkoholabhängigkeit, Obdachlosigkeit, aber auch die Probleme die der Konsum von Marihuana und Haschisch mit sich bringt.
Die Diskussion, ob jetzt der Alkohol oder das Marihuana schädlicher ist oder nicht, ist m.M. doch völlig am Thema vorbei.
Ein psychisch "stabiler" erwachsener Mensch wird einen Weg finden um verantwortungsvoll mit dem "Genussmittel" (erst einmal) und den Gefahren einer drohenden Sucht umzugehen.
Darum geht es doch auch gar nicht.
Es doch angeblich darum, dass eine Illegalität aufgehoben wird. Es soll entkriminalisiert werden.
Und da geht es los.
Wen oder was soll denn da entkriminalisiert werden ?
Betäubungsmittelkriminalität ist Kontrollkriminalität.
Kontrolliere ich nicht, habe ich keine Straftaten, also auch keine Kriminalität in diesem Bereich.
Wer glaubt denn wirklich, dass sich die Polizei auf die Socken macht, um im angrenzenden Park irgend einem volljährigen Menschen 5 Gramm Marihuana aus der Tasche zu ziehen ?
Im Fokus stehen doch zunächst einmal dealende Personen oder Gruppen.
Hier ist regelmäßig festzustellen, dass es jede Menge zusätzlicher Straftaten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Marihuana gibt, die die Öffentlichkeit in besonderem Maße wahrnimmt.
Revierkämpfe mit Schlägereien oder unter Messereinsatz - als Beispiel.
Wer glaubt denn bitte ernsthaft, dass sich diese Gruppen jetzt in Luft auflösen und wir deswegen weniger Kriminalität haben.
Das sind bandenmäßig strukturierte Täter, deren Lebenserwerb auf diese Art Verkauf gerichtet ist.
Die lassen sich was neues einfallen. Kokain und Crack geht gerade gut ...
Ergebnis : Die Kriminalität wird sich verschieben, aber keinesfalls verschwinden.
Und darüber hinaus sind die Möglichkeiten einen illegalen Handel zu beweisen deutlich verringert.
25 Gramm darf ich dabei haben.
Ob die 25 Gramm in einem Klumpen zu transportieren sind oder in fein säuberlich abgepackten Verkaufseinheiten zu jeweils 5 Gramm - DAS steht nirgendwo beschrieben ...
Nur so als ganz einfaches Problem-Beispiel. Die Realität ist deutlich komplexer.
Und jetzt mal ein Beispiel aus der schönen neuen legalisierten Welt des Marihuanas und wie wir unsere Jugendlichen davor schützen ...
Die Legalisierungen richten sich nur an Personen über 18 Jahren. Logisch. Darunter ist man Jugendlicher und es ist eh "alles" offiziell verboten.
Aber was genau geschieht denn mit den Kindern und Jugendlichen ?
Erstens kaufen die genau so illegal weiter und zweitens habe ich in Zukunft viel mehr Probleme einen dieser jugendlichen Konsumenten beispielsweise in eine präventiv beratendes Gespräch zu bringen.
Waren in meinem Bereich die beratenden und aufklärenden Gespräche bei der ambulanten Suchthilfe bislang integrativer und verpflichtender Bestandteil bei der Handhabung von Fällen, bei denen Minderjährige beim Konsum angetroffen wurden, so ist es jetzt so, dass durch die Ordnungsbehörde zunächst einmal eine Gefährdung des Kindeswohl festgestellt werden muss und erst dann der Jugendliche in ein solches Gespräch einbezogen wird.
Und jeder der auch nur mal ansatzweise mit solchen Thematiken zu tun hat oder hatte kann ein Lied davon singen, was alles passieren muss, damit eine Kindeswohlgefährdung durch das Jugendamt bejaht wird.
Und auch das ist nur ein Beispiel, welches sich hier einigermaßen einfach darstellen lässt.
So - ganz viel Text, ich weiß ...
Das ist ein Thema, darüber kann man sich stundenlang trefflich streiten.
Meine Meinung ?
Die Grundidee ist nicht die schlechteste.
Aber gut gemeint ist nicht gleich auch gut gemacht.
So wie es jetzt auf dem Papier steht, ist das Gesetz unausgegoren und berücksichtigt Lebenswirklichkeiten der vor Ort Betroffenen nicht ausreichend.
In dieser Gesamtsituation hätte es allen Beteiligten gut gestanden einen Prozess anzuschieben, der nicht unter parteipolitischen Aspekten (und ich glaube nur darum ging es zum Schluss) bewertet wird.
Hier hätten Profis gehört werden müssen und es hätte mehr Zeit gebraucht um einen Rahmen zu schaffen, in dem die formulierten Ziele auch erreicht werden können.
Aber wir werden alle live und in Farbe dabei sein und uns die Entwicklung der nächsten Monate anschauen können.
Vielleicht werden ja alle Zweifler und Skeptiker positiv überrascht ...