Wenn man sich so durchs Netz klickt, findet man viel Hähme über Herrn Pierer, der bisher immer anderen die Wirtschaft erklären wollte und nun selber durch offensichtliche Managementfehler über Kopf gegangen ist (wobei die Auswirkungen für Herrn Pierer persönlich vermutlich begrenzt sein werden).
Kommentare wie: „Wir hatten schon mal einen größenwahnsinnigen Ösi, der es am Ende verkackt hat“, finde ich noch ganz lustig, sie zeigen aber, dass KTM inzwischen wirklich von vielen mit Kopfschütteln (bereits länger) betrachtet wird.
Sehr viel liest man über mangelnde Qualität und schlechten Umgang mit Kunden bei Problemen, welche nach überweisen des Kaufpreises offensichtlich nur noch als lästige Personen empfunden werden. Das funktioniert so auf Dauer nicht, zumindest, wenn man den Anspruch hat, Motorräder im Premiumsegment zu Preisen von 25000 und höher anzubieten. Probleme mit ihren Motorrädern haben andere Hersteller auch (siehe auch BMW), wenn man dann aber den Kunden mit fadenscheinigen Ausreden abspeist („Nockenwellen sind Ersatzteile“) oder stumpf ignoriert (da habe ich auch meine Erfahrungen zu), muss man sich nicht wundern, wenn dann das folgende Motorrad keine KTM mehr ist.
Die Aufpreispolitik von KTM ist an der Grenze zur Unverschämtheit - oder bereits drüber weg. Selbst Dinge, die bei anderen Herstellern bei den entsprechenden Modellen Stand der Technik sind (z.B. Quickshifter) lässt KTM sich fürstlich bezahlen, die App zum Verbinden des Handys mit dem Motorrad kostet pro Jahr einen hohen zweistelligen Betrag (Abo), usw.. Die Motorräder sind nun wirklich nicht billig, aber es wird an jeder Ecke versucht, dem Kunden weiteres Geld aus der Tasche zu leiern. Ja, auch BMW kann das, aber gegen KTM ist BMW ein Waisenknabe, der seine Motorräder zum Schnäppchenpreis anbietet.
Zu meinen eigenen Erfahrungen, damit nicht jemand sagt, ich plappere nur Dinge aus dem Netz nach:
Ich habe im Mai 2022 eine 1290 Super Duke gekauft. Direkt nach der Fahrt vom Händler nach Hause konnte ich den Händler wieder anrufen. Das Lenkkopflager war nicht angezogen, die Gabel klackerte bei Bodenwellen im Rahmenrohr hin und her. Der Händler hat das Motorrad dann (nach Diskussion, ob ich den Fehler auch wirklich richtig erkannt habe) mit dem Transporter abgeholt. Ergebnis: Montagefehler vom Werk, wird im Rahmen der Übergabeinspektion nicht durch den Händler geprüft…. Dann hatte das Motorrad bei kurzen harten Stößen (z.B. Bahnübergang) einen plötzlichen Leistungsverlust - gefühlt hatte es nur noch 15 PS. Rechts ran fahren und neu starten brachte oft wieder die volle Leistung aber nicht immer, bin auch mit 15PS nach Hause gefahren, am nächsten Tag dann „Wunderheilung“. Also wieder zum Händler, Händler ratlos, keine
Info vom Werk, wir versuchen mal ne neue Software, keine Verbesserung. Wieder zum Händler, es gab nochmal ne neue Software, diesmal mit mehr Erfolg. Es gab noch einen dritten Defekt, der mir aber im Moment entfallen ist. Auf jeden Fall war die KTM in den ersten drei Monaten mehr zur Nachbesserung beim Händler als dass ich gefahren wäre - mit den üblichen Unannehmlichkeiten, wie, dass eine geplante Wochenendtour ausfallen musst, da kein Motorrad vorhanden war.
Wenn die Duke denn fuhr, war es eines der geilsten Motorräder, die ich je gefahren bin. Ein extrem gut zu fahrendes Motorrad, tolle Sitzposition, entgegen der KTM-Werbung („Wir haben das Beast noch biestiger gemacht“
) auch gutmütig zu fahren, natürlich mit brutalem Schub, wenn man das Gas aufgerissen hat.
Ende Juli sollte es dann in Urlaub gehen, mit Umweg über ein Training auf der Nordschleife. Im Rahmen dieses Trainings bin ich dann verunglückt. Nicht beim Rundenfahren, wie man vielleicht meinen könnte, sondern auf der Ausfahrt der Strecke in Breitscheid. Nach Aussage des Instruktors waren wir mit Schrittgeschwindigkeit bis 15km/h unterwegs. Plötzlich hat mein Motorrad Vollgas gegeben und hat mich (und sich selbst) in einen Bachlauf gefeuert. Auf Grund der Umstände und der Tatsache, dass ich mich bis heute nicht an den Unfall erinnern kann, kommen zwei mögliche Ursachen in Frage: 1) Ich hatte einen Blackout 2) Das Motorrad hatte einen technischen Defekt.
Auf Grund der Vorgeschichte tendiere ich zu der zweiten Erklärung - wohlgemerkt, ohne, dass ich einen Beweis dafür habe. Das Motorradwrack wurde mir durch einen KTM-Händler schnell zum guten Preis abgekauft. Angeblich war die Blackbox nicht auszulesen - was sich später als nicht richtig herausstellte, was ich weiß, weil mein Ex-Motorrad dann von einem Schrotthändler bei Ebay Kleinanzeigen angeboten wurde, bei dem ich dann als potentiellen Käufer aufgetreten bin und entsprechende Fragen zum Zustand des Motorrads gestellt habe…. Außerdem gab es von KTM drei Monate später einen weltweiten Rückruf für das Motorradmodell mit dem Inhalt „neu Verlegen oder Austausch Kabelbaum“. Die Gesamtreaktion von Seiten KTM war irgendwo zwischen Schulterzucken und Ignorieren. Wie geschrieben, das sind keine Beweise aber Indizien, die dazu geführt haben, dass ich danach wieder BMW (und Ducati) gefahren bin.
Ich bin seit 2002 fast nur BMW gefahren, aber so eine Häufung von Fehlern und Ungereimtheiten habe ich bei allen BMW-Motorrädern zusammen nicht erlebt.
Um wieder zum eigentlichen Thema zu kommen und der Frage, warum KTM auf so hohen Lagerbeständen sitzt, die das Kernproblem darstellen:
Vielleicht hat das mangelnde Kaufinteresse der letzten Zeit auch mit dem „gewöhnungsbedürftigen“ Design der Motorräder zu tun….
Vielleicht auch damit, dass man fast ausschließlich Motorräder in der Farbe Orange (oder in einer Kombination damit) anbietet, die meisten Leute aber eine andere Lieblingsfarbe haben. Das mit der „Markenfarbe“ mag im Sportsegment noch funktionieren - aber wenn man Motorräder im Hochpreissegment (z.B Reiseenduros oder Adventurebikes) anbieten will, muss auch etwas anderes möglich sein. Der potentielle Käufer, der für solche Motorräder vermutlich 50+ ist, bevorzugt evtl. etwas gedecktere Farben.
In dem Zusammenhang ist auch die aggressive Werbung zu nennen (s.o.), die vielleicht 20-jährige anspricht aber bei 50+ (bin ich selber) eher ein mitleidiges Lächeln auslöst.
Man kann noch viele weitere Gründe anführen - den Kauf von irgendwelchen Nischenherstellern (MV oder GasGas,…..), die kein großes Marktpotential haben oder das MotoGP-Engagement mit mehreren Teams.
Letztendlich bleibt aber die Entfremdung von KTM von seinen Kunden, bzw. die Unfähigkeit von KTM, sich Stammkunden heranzuziehen (außer vielleicht Kiddies, die die 125er kaufen oder die Cross- und Supermoto-Fraktion - aber auch das sind keine Kunden, die dann vermutlich die nächsten 30 Jahre KTM fahren, oder den Riesenumsatz generieren).
Final betrachtet ist es schade, wenn ein solches Unternehmen in Schieflage gerät. Besonders für die Menschen, die dort arbeiten und dadurch evtl. ihren Arbeitsplatz verlieren