Physikalisch ist das doch nicht so schwer...
Wenn der Fahrer sitzt - und wir mal zur Vereinfachung davon ausgehen, dass er sich in der Hüfte nicht bewegt -, dann hat das Motorrad mit Mensch einen gemeinsamen Schwerpunkt und verhält sich als ein System. Die gefederten Massen ergeben sich aus Motorrad (gefederter Teil) und Mensch.
Wenn die Fahrer steht und Knie und Arme durchgedrückt hat, also wieder eine "starre" Verbindung mit dem Motorrad hat, dann haben wir dieselbe Situation vor vorher, nur mit einem höheren Schwerpunkt. Wichtig ist hier die seitliche Auslenkung des Schwerpunkts gegenüber der Aufstandsfläche. Ein niedriger Schwerpunkt erzeugt bei 10° Neigung (z.B. in der Kurve) eine kleinere Auslenkung als ein hoher Schwerpunkt, darum fahren sich Maschinen mit niedrigem Schwerpunkt auch besser in den Kurven. Wenn aber nicht die eigene Schräglage, sondern eine Störgröße (Kippeln, schlechter Boden) einen seitlichen Versatz erzeugt, dann hat man bei einem hohen Schwerpunkt weniger Neigungswinkel und kann besser balancieren. Fürs stabile Langsamfahren ist Stehen also tendenziell besser geeignet als Sitzen - unter der obigen Annahme des "starren" Stehens.
Die dritte Variante ist das Stehen mit weichen Knien, gebeugten Armen und "eigener" Federung, also das, wovon hier idR die Rede ist.
Vorab - die Belastung der Federelemente des Motorrads ist in Summe dieselbe, alles andere wäre physikalisch gar nicht möglich. Wenn ich eine Bewegung des Motorrads durch Federn in den Knien ausgleiche, muss ich mich danach mit den Knien wieder am Motorrad abstützen, also gebe ich die Energie genauso weiter. Sie kann allerdings ggf. besser über die Zeit bzw. den Weg verteilt werden, so dass die direkten Stöße nicht ganz die gleiche Amplitude wie beim starren Fahrer haben.
Durch die teilweise Entkoppelung haben wir nicht mehr einen Schwerpunkt, sondern ein gekoppeltes System mit zwei Schwerpunkten (wobei das obere System, der Fahrer, nicht nur wie ein gekoppeltes Federpendel passiv mitfedert, sondern selbst Arbeit verrichten, also Bewegung erzeugen kann).
Eine Schwingung in einem System (ein Federungsvorgang am Motorrad) wird über das Koppelelement - die Beine - an das zweite System (den Fahrer) weiter gegeben. Das ist physikalisch nicht annähernd mit einem einfachen (starren) System vergleichbar.
Einen Gesamtschwerpunkt kann man zwar - räumliche Massenverteilung, nicht Krafteinleitung - berechnen, da die Schwerpunkte aber nicht starr verbunden sind, ändert sich die räumliche Verteilung und damit die Position des Gesamtschwerpunktes ständig, insofern ist das nicht zielführend.
Was unstrittig ist: bei Federarbeit mit den Beinen und Armen wird der Rücken und Kopf vor stärkeren Schlägen geschont, die Last müssen dann die Muskeln und Gelenke in den Extremitäten aufnehmen. Ebenso habe ich eine bessere Übersicht, ich kann durch Gewichtsverlagerung vorn/hinten die Belastung des jeweiligen Rades steuern und die Traktion dort verbessern, wo ich sie brauche (meist hinten für besseren Antrieb). Ich kann durch Belastung der Fußrasten in seitlicher Richtung bei Beweglichkeit des Motorrades in Relation zu mir auch die Maschine kippen, ohne mich selbst in die Kurve legen zu müssen - zum Ausgleich von Bodenwellen (längs), zum Kurven fahren oder zum Ausweichen.
Nachteilig ist die erheblich erhöhte Belastung der Gelenke und insbesondere der Muskeln (man muss im Stehen fahren können, in vielerlei Hinsicht), die meist schlechtere Ergonomie zumindest auf unseren GSen, und die höhere Instabilität beim Bremsen (und Beschleunigen, aber das lässt sich über die Körperhaltung besser ausgleichen als das Bremsen).
Soweit klar?
PS: nur, weil es immer wieder auftaucht: die Einleitung der Kraft ins Motorrad ist für den Schwerpunkt völlig unerheblich. Für die Fahrdynamik nicht, aber das ist was völlig anderes. Und höhere Massen erzeugen keinen tieferen Schwerpunkt...