Leben mit dem Schwert - Israels heiliger Terror
Livia Rokach
Moshe Sharett war unter David Ben Gurion Leiter der politischen Abteilung der Jewish Agency , die die Gründung des Staates Israel vorbeitete, von 1948 bis Juni 1956 (kurz vor der Nationalisierung des Suez-Kanals durch Nasser) israelischer Außenminister unter Ben Gurion und von 1954 bis 1955 zugleich Premierminister. ...
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Sharett hat ein hebräisches Tagebuch geführt, aus dem sein Sohn Yaqov Sharett 1979 politisch wichtige Eintragungen veröffentlichte.
Dem Tagebuch zufolge betrieben David Ben Gurion und seine Kabinette, Sharett eingeschlossen, systematisch die Expansion Israels auf Kosten aller seiner Nachbarstaaten. Die eingesetzten Mittel mißfielen Moshe Sharett, darunter Massaker, die Flugzeugentführung, die Einschleusung von Attentätern, die Vortäuschung von Bluttaten der Gegner mit einkalkulierten israelischen Opfern und der Plan zur Errichtung eines Maronitenstaates im Südlibanon. Doch Sharett begehrte nie auf.
1980 veröffentlichte Livia Rokach, die Tochter des Innenministers unter Sharett, Israel Rokach, auf Englisch eine politische Studie mit Auszügen aus den Tagebüchern Moshe Sharetts und weiteren Dokumenten.
Das Buch zeichnet von den politischen Zielen und Methoden des frühen Staates Israel ein Bild des Grauens. Unter dem Deckmantel der Vergeltung für gegnerische Taten trieb Israel seine Expansion mithilfe blutiger Provokationen voran. Rokach schreibt in ihrer Einleitung über Sharett:
„Er erkannte sehr klar, dass die Logik hinter Israels Sicherheitsdoktrin nichts anderes als Faschismus war und sah ganz richtig die daraus resultierende moralische Korruption im Innern und die zunehmende Gewalt auf regionaler Ebene voraus.“
Die Autorin schließt:
„In den frühen Fünfzigern wurden die Grundlagen für die Errichtung eines Staates geschaffen, der besessen war von der Idee des heiligen Terrors gegenüber den umliegenden arabischen Gesellschaften, und an der Schwelle zu den Achtzigern wird genau dieser Staat zum ersten Mal angeprangert von seinen eigenen Intellektuellen als ein Staat, der zutiefst im Sumpf des Faschismus versunken ist.
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Auszüge aus der Rokach-Studie
Einleitung
Die allgemeine Unterstützung Israels während des letzten Vierteljahrhunderts basiert auf einigen Mythen, von denen sich
der Mythos von Israels Sicherheit am hartnäckigsten hält. Dieser Mythos, der eine permanente existenzielle Bedrohung der jüdischen Bevölkerung in Palästina unterstellt, ist sorgfältig gepflegt worden, um große Summen für die militärische und wirtschaftliche Unterstützung Israels lockerzumachen. Israels Sicherheit ist das offizielle Argument, mit dem nicht nur Israel sondern auch die USA dem palästinensischen Volk in seinem eigenen Land das Recht auf Selbstbestimmung verwehren. Während der letzten Jahrzehnte ist dieses Argument als legitime Rechtfertigung für Israels Verletzung internationaler Bestimmungen akzeptiert worden. Während der letzten 13 Jahre wurde immer das Argument der Sicherheit angeführt, um die Besetzung der arabischen und palästinensischen Gebiete fortzuführen.
Das Argument Sicherheit ist immer noch der Vorwand für die großangelegten Massaker an der Zivilbevölkerung im Libanon, für die Enteignung von arabischem Land, für die Errichtung jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten, für Deportationen und für willkürliche Inhaftierung von politischen Gefangenen. Obwohl die Sicherheit der arabischen Bevölkerung in der gesamten Region über die Jahre hinweg wiederholt bedroht war durch offene oder versteckte Kriegshandlungen, terroristische Aktionen und Unterwanderungspläne, und obwohl UNO-Resolutionen eine Festsetzung von sicheren Grenzen für alle Staaten in dieser Region fordern, stand allein die Sicherheit Israels im Blickpunkt der internationalen Diskussion.
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Andere Darstellungen der Fakten werden meistens unter den Tisch gekehrt. So wurden die vor kurzem veröffentlichten Enthüllungen von Nahum Goldmann (Le Monde Diplomatique, August 1979) praktisch nicht zur Notiz genommen.
Goldmann, der mehr als 30 Jahre lang der Vorsitzende des pro-zionistischen jüdischen Weltkongresses war, argumentiert, dass die Araber nicht befragt wurden zur Teilung Palästinas im Jahre 1947, und dass ihre Bereitschaft, einen politischen Kompromiß auszuhandeln, der möglicherweise den Krieg von 1948 verhindert hätte, von Ben Gurion noch vor Mai 1948 per Veto abgelehnt und somit untergraben worden war.
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Die folgenden Seiten aus seinem Tagebuch zeigen folgendes:
1.
Die politische und militärische Führung Israels glaubte niemals ernsthaft an eine Bedrohung Israels durch die Araber. Im Gegenteil, sie tat alles, um das Dilemma, in dem sich die arabischen Regierungen nach 1948 befanden, zu verschlimmern. Die arabischen Regierungen waren einer militärischen Konfrontation mit Israel sehr abgeneigt, doch mussten sie, um überleben zu können, ihrer Bevölkerung und den vertriebenen Palästinensern in ihren Ländern irgendeine Reaktion auf Israels aggressive Politik und andauernde Gewalt bieten. Mit anderen Worten, die arabische Bedrohung war eine israelische Erfindung, die die arabischen Regierungen aus inneren und inter-arabischen Gründen nicht völlig verneinen konnten, obwohl sie in ständiger Angst waren vor einem neuerlichen israelischen Angriff.
2.
Die politische und militärische Führung Israels wollte die arabischen Staaten in militärische Konfrontationen zwingen, da sie annahm, dabei immer zu gewinnen. Ziel dieser Konfrontationen war es, das Kräfteverhältnis in dieser Region radikal zu verändern und den zionistischen Staat zur größten Macht im Nahen Osten zu machen.
3.
Um diese Ziele zu verwirklichen, wurden folgende Strategien angewandt:
Größere und kleinere Militäraktionen gegenüber der Zivilbevölkerung entlang der Waffenstillstandsgrenze, insbesondere in den palästinensischen Gebieten der West Bank und im Gazastreifen, die damals unter jordanischer bzw. ägyptischer Kontrolle waren. Diese Aktionen dienten zwei Zwecken: sie sollten einerseits die Bevölkerung terrorisieren und andererseits eine dauerhafte Destabilisierung herbeiführen, aufbauend auf den schon vorhandenen Spannungen zwischen den arabischen Regierungen und den Bevölkerungen, die sich durch sie nicht ausreichend gegen die israelische Aggression geschützt fühlten.
Militäroperationen gegen arabische Militäreinrichtungen in den Grenzgebieten, um die Moral der Armee zu untergraben und somit zur Destabilisierung der Regimes über die Militärstrukturen beizutragen
Verdeckte terroristische Operationen mitten in der arabischen Welt, sowohl zum Zwecke der Spionage als auch um Angst, Spannungen und Instabilität zu schaffen.
4.
Die Ziele, die durch diese Strategien erreicht werden sollten, waren folgende:
neue Gebietsgewinne durch Kriege. Obwohl Israel in dem Waffenstillstandsabkommen von 1949/50 ein Gebiet zugesprochen wurde, das um ein Drittel größer war als ursprünglich im UN-Teilungsplan vorgesehen, war die israelische Führung nicht zufrieden mit der Größe des Staates und den Grenzen, die sie nach eigenen Angaben zu respektieren beabsichtigte. Ihr Bestreben war es, zumindest das Gebiet des britischen Mandates Palästina an sich zu bringen. Das Territorium wurde als ein lebenswichtiger Faktor bei der Wandlung Israels in eine regionale Macht angesehen.
Politische wie auch militärische Versuche, alle arabischen und palästinensischen Forderungen nach Palästina zu unterbinden durch die Vertreibung der palästinensischen Flüchtlinge im Krieg von 1947-48, ganz weit weg in andere Teile der arabischen Welt oder andere Länder.
Subversive Operationen, die dazu bestimmt waren, Zwietracht innerhalb der arabischen Welt zu säen, die nationalarabische Bewegung niederzuwerfen und Marionettenregierungen zu schaffen, die der israelischen Macht in der Region nicht gefährlich werden würden.
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Sharetts Tagebuch hingegen liefert eine vollständige Dokumentation über den diabolischen Plan Ben Gurions von 1954, den Libanon zu "christianisieren", d.h. man überlegte sich zunächst, wie man zunächst einmal einen inneren Konflikt im Libanon auslösen könnte. Diese Idee mündete dann fünfzehn Jahre später in einen Plan, den Libanon zu teilen und zu unterwerfen, lange bevor die palästinensische Präsenz im Libanon zu einem politischen Faktor wurde.
Der Gebrauch von Terror und Gewalt mit dem Ziel, arabische Gegengewalt zu erzeugen, die dann als die arabische Bedrohung für die Existenz Israels hingestellt wurde, wurde von der damaligen "Nummer 2" des zionistischen Staates folgendermaßen erklärt:
"Ich habe lange nachgedacht über die vielen künstlichen Aktionen und Gewalttaten, die wir uns ausgedacht haben und über die vielen Zusammenstöße, die wir provoziert haben und die uns so viel Blut gekostet haben, und über die Verletzungen von Recht und Gesetz durch unsere Leute, all das hat zu schwerwiegenden Katastrophen geführt, hat den gesamten Lauf der Ereignisse bestimmt und zu unserer Sicherheitskrise beigetragen."
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