Das Problem an allen Diskussionen, die sich um „Elektro“ vs. „Verbrenner“ drehen, ist dieser umfassende Gültigkeitsanspruch, der darin immer wieder vorkommt. Die Behauptung der Zero-Jünger, ihre Elektromoppeds würden auch nur irgendeinen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten, geht natürlich völlig an der Realität vorbei. In China haben sie inzwischen über 75 Millionen (!) E-Roller. Ich stelle mir mal vor, dass mindestens 70 Millionen davon in Großstädten unterwegs sind. Und wenn die jetzt 70 Millionen Zweitakt-Zwiebackfräsen ersetzen, dann merkt man da sicherlich schon einen Unterschied.
Ratet mal, wie viele Zeros im Jahr verkauft wurden!
https://motorcyclesdata.com/2019/06/16/zero-motorcycles/
Laut dieser Quelle waren es 2018 weniger als 3.000 Stück. Weltweit. So viele verkauft BMW allein von der 1250 GS in vier Monaten - nur in Deutschland.
Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass es vor dem Auge des Universums wurscht ist, ob jemand sich statt einer Yamaha MT-09 eine Zero für das doppelte Geld kauft. Die Umwelt rettet er damit nicht. Wollte er dies tun, müsste er sich ein ÖPNV-Jahresticket und/oder ein Fahrrad kaufen.
Warum kommen die Zeros und Teslas dieser Welt dann immer wieder mit dem Umweltschmarrn ums Eck?
Ich erinnere mich an meine erste Marketing-Vorlesung an der Uni, das ist jetzt gut 35 Jahre her. Da erläuterte der Professor die Bedeutung des USP (Unique Sales Proposition oder Unique Selling Point), also das Alleinstellungsmerkmal am Markt. Er tat es am Beispiel Volvo. Als Volvo Anfang der 1960er auf den US-Markt drängte, setzten sie extrem auf das Thema „Sicherheit“. Nicht etwa, weil Volvos damals besonders sicher gewesen wären, es gab andere, die sicherer waren. Nein, der Grund war, dass alle anderen möglichen USPs wie Komfort, Fahrleistungen, Design, Preis-Leistungs-Verhältnis bereits sehr überzeugend von anderen Marken belegt waren.
Vielleicht sollte man so auch mal den Markteintritt von Tesla und von Zero betrachten. Braucht die Welt wirklich noch eine rundgelutschte Fünfmeter-Schräghecklimousine, wenn doch Audi und Jaguar so was schon im Sortiment haben? Und besteht ein Mangel an Nakeds in der 75-PS-Klasse? Wie schwer es ist, eine neue Motorradmarke zu etablieren, konnte man ja an Victory sehen, an Buell, an Horex.
Ich persönlich finde das Thema Elektroantrieb grundsätzlich sehr interessant, mir gefällt dabei die ingenieursmäßige Eleganz. Das ist so ein bisschen wie beim Kardanantrieb. Eine Kette muss man schmieren, und der Großteil der Schmiere landet ungewollt in der Landschaft. Da ist ein Kardan oder ein Zahnriemen, der ohne Verlustschmierung auskommt, doch die viel elegantere Lösung. Ich betrachte Lärm als eine negative Begleiterscheinung eines Verbrennungsmotors, nicht als erstrebenswertes Ziel. Wenn ich im Sommer von meinem Motor gegrillt werde, dann frage ich mich schon, ob es wirklich nichts Besseres gibt, um ein Kraftrad anzutreiben als eine Technik, die 80 Prozent der eingesetzten Energie in Abwärme verwandelt. Und das Getriebe meiner GS ist doch im Grunde nur eine Krücke, um das schmale Band der Leistungsabgabe an die Straßenverhältnisse anzupassen.
Ich finde, wenn man den Elektroantrieb, besonders in der Exotenanwendung „kräftiges Motorrad“, unter solchen Voraussetzungen betrachtet, dann wird man seinen Potenzialen und Nicht-Potenzialen deutlich gerechter.
Dem Weltklima sind Zero-Motorräder egal. Einmal den Antrieb eines Kreuzfahrtschiffes starten, und sämtliche Emissionen, die die Zero Motorcycle Company seit Bestehen eingespart hat, sind wieder in der Luft.
Viele Grüße vom Sampleman