Downunder mit WWBTT.....Teil 30
...Anke weckte mich vorsichtig und behutsam. Wecken ist vielleicht nicht das richtige Wort. Sie flüsterte mir irgendetwas ins Ohr, schien aber in Wirklichkeit eindeutige Absichten zu verfolgen. Nun ist das bei mir absolut abhängig von der jeweiligen Tagesform. An guten Tagen immer gerne. Dann auch mal ohne viele Worte.
Jetzt nicht irgendwie besonders einfallsreich, aber erfahrungsgemäß angemessen. Vor dem Frühstück bin ich nie sehr gesprächig. Aber manchmal gilt eben auch hier: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!
An weniger guten Tagen allerdings … da habe ich Kopfschmerzen oder andere Ausreden. Die Freiheit nehme ich mir. Gleiches Recht für alle.
Emanzipation ist eben keine Einbahnstraße.
Bei derartig platten Sprüchen fällt auch den abgebrühtesten Emanzen oft nichts mehr ein.
Man muss sie eben mit ihren eigenen Waffen schlagen.
Diese Taktik schien aber an diesem Morgen nicht zu funktionieren.
Anke hatte eindeutig die Absicht, ihre Interessen rücksichtslos durchzusetzen.
„Ist ja nicht so schlimm, das kommt manchmal eben vor“, flüsterte sie Verständnis heuchelnd und heimtückisch. Ich brummelte schlaftrunken irgendetwas vor mich hin.
„Das war eben alles ziemlich anstrengend ... in den letzten Tagen. Und du bist ja auch keine Zwanzig mehr. Das darf man auch nicht vergessen“.
Das waren natürlich echte Wirkungstreffer. Diese emanzipierte Frauengeneration weiß genau, wie man den Geschlechterkrieg führen muss.
Ich vermute, dass es einschlägige Volkshochschulkurse gibt. Oder geheime Fachliteratur. Lilafarbene Bücher mit kleingedruckten Untertiteln wie: „Devotes Rollentheater für die starke Frau“ oder „Wie man immer oben bleibt-auch wenn man eine Frau ist, die gerne unten liegt“. Ich bin sicher, ganz sicher sogar, dass in diesen Frauenbuchläden derartige Titel der Renner sind. Anke hatte sie alle gelesen, davon bin ich immer noch überzeugt.
Wenn einem die Argumente ausgehen, dann muss man eben handgreiflich werden. Manchmal …
Wenn der Neandertaler ausdrücklich angesprochen wird, dann darf man sich hinterher auch nicht beklagen. Beklagt hat sie sich dann auch nicht, aber sie hatte ja dann auch keine Gelegenheit mehr dazu.
Ich hatte danach aber dann tatsächlich Kopfschmerzen und wankte zum Frühstück.
Niemand hatte anscheinend was gehört. Kunststück, wenn schon Neandertaler, dann auch richtig. Wenn das Gesicht in den Schlafsack gedrückt wird, dann dämpft das hervorragend alle Lautäußerungen.
Während ich mir mein Frühstück zusammenstellte, kamen mir leise Zweifel. War vielleicht doch ein wenig heftig, diese Nummer.
Aber was kann ich dafür. Man muss eben auch die letzten Seiten lesen, in diesen Ratgeberbüchern. Risiken und Nebenwirkungen- oder was sonst so, meist erst am Schluss, noch erwähnt wird.
Aber ich hatte mir scheinbar völlig unnötig Gedanken gemacht. Sie tauchte dann auch auf und hatte einen völlig neutralen Gesichtsausdruck.
Ich bemühte mich die frischen Kratzspuren an meinen Unterarmen zu verbergen und schlürfte meinen Instantkaffee aus der Emailletasse.
Die anderen Kollegen kicherten irgendwie merkwürdig und hielten die Gesichter gesenkt. Was war los hier?
Anke hatte sich wortlos neben mir niedergelassen und kämpfte mit dem wabbeligen Weißbrot und der viel zu harten Butter. Plötzlich zuckte sie zusammen und ließ alles fallen. Sie blieb wie erstarrt sitzen und bewegte sich keinen Millimeter mehr.
Verwundert richtete ich meinen noch leicht schmerzenden Kopf auf und traute meinen Augen nicht. Zwischen uns stand ein riesiges, staubiges Känguru und starrte auf unsere Teller.
Leise prustend erklärte mir Wolfgang, der mir grinsend gegenübersaß, dass der staubige Gast wohl „Red Mac“ heißen würde.
Aus dem Hintergrund erläuterte Knut mir dann die wichtigsten Verhaltensregeln für den Umgang „Red Mac“. Keine hektischen Bewegungen und nicht in die Augen sehen. Essbares aller Art vorsichtig hochhalten und ruhig abwarten. Langsam drehte ich den Kopf, um das Scheusal besser begutachten zu können. Anke saß wie zur Salzsäule erstarrt neben mir. Langsam rutschte ich mitsamt meinem Teller vorsichtig zum Ende des Tisches. Das Vieh stützte sich auf seinem imponierenden Schwanz ab, wie ein Gehbehinderter auf seinen Krücken, und blieb hinkend neben mir. Ich erhob mich langsam und hielt meine beladenen Teller in der Hand . Mac richtete sich zu seiner vollen Größe auf und starrte über mich hinweg. Ein Riesenvieh. Der Abstand zwischen uns betrug etwa 1,5 Meter.
Ein Blick auf die riesigen Füße jagte mir einen Schauer über den Rücken. Der Bursche hatte Krallen an seinen Monsterfüßen wie ein Allosaurus aus dem Jurassic-Park. Der Schwanz war ganz oben so dick wie mein Bein. Und Oberschenkel hatte der, wie ein Rennpferd. Wenn der nach Art der roten Riesenkängurus zutreten würde, dann hätte ich es wohl hinter mir.
Knut war nähergekommen und gab mir Instruktionen.
„Red Mac“, war angeblich an Menschen gewöhnt. Der tauchte immer hier auf und verschreckte die Touristen. Wenn man ihm essbare Gegenstände überlassen würde, dann würde er sich nach kurzer Zeit wieder verziehen.
Vegemite mag er überhaupt nicht-und deshalb muss man vorher immer irgendetwas anderes anbieten.
Na gut, Vegemite als Känguruschreck zu verwenden schien mir logisch. Mit dem Zeug könnte man auch hungrige Eisbären in die Flucht schlagen.
Ich stellte also meinen Teller auf die Tischkante und trat einige Schritte zurück. Mac machte sich über mein Frühstück her und man konnte in seinem struppigen und staubigen Fell deutlich zahlreiche krabbelnde und hüpfende Kleininsekten beobachten. Das Vieh war ein einziges Insektenmutterschiff.
Mac war schnell fertig und wandte sich wieder in meine Richtung. Ich versuchte inzwischen, das Schraubglas mit diesem Vegemite zu entdecken.
Am Tisch saßen ein halbes Dutzend Leute mit Tellern. Warum verfolgt der ausgerechnet mich?
Die Erklärung war einfach und wurde mir nachher mitgeteilt.
-Niemals dieses Vieh füttern-den wird man sonst nicht mehr los, den Kameraden. Knut hatte mich diesmal ausgeguckt. Bei jeder Tour muss ein Anderer dran glauben. Diesmal hatte ich die A...karte gezogen.
Das Vegemite hatten sie versteckt. Mac blieb mir auf den Fersen. Ich schnappte mir die Packung mit dem Weißbrot. Mein neuer Freund hüpfte sichtlich begeistert auf mich zu. Der Rest der Truppe hatte richtig Spaß. Zahlreiche Ratschläge wurden laut geäußert.
Irgendwer machte Fotos. Mac fraß mir inzwischen aus der Hand. Beziehungsweise- aus der Tüte in meiner Hand. Das klingt alles total lustig aber so einem gefräßigen Vieh mit Schuhgröße 100 gegenüberzustehen ist nicht lustig. Nicht am frühen Morgen und mit Kopfschmerzen.
Mac war fertig und sah mich irgendwie gierig an. Meine Bikerfreunde lagen inzwischen vor Lachen unter dem Tisch. Ich hatte keine Lust mehr und wollte die anderen mit ins Spiel holen. Mac hinkte mir in den Weg und wollte scheinbar weiter bedient werden. Der hätte einen prima Türsteher abgegeben, dieser gefräßige Bursche. An dem Biest führte kein Weg vorbei. Mir reichte es jetzt: „Also was ist denn nun, wie werde ich dieses Viech wieder los. Nachher will der mich noch heiraten, oder sonst was.“
Alle brüllten vor Lachen. Knut hatte dann doch noch ein Einsehen.
Er ging zum Landcruiser und drückte auf die Dschungelhupe. Man muss wissen das hier eine echte WWBTT-Hupe eingebaut worden war. Das Ding konnte man kilometerweit hören. Die Hupe diente als Orientierung, wenn Leute verschollen waren, irgendwo bei diesen echten Touren.
„Red Mac“, schien wohl überaus geräuschempfindlich zu sein. Er raste sofort im Zickzack hüpfend durch das Camp und verschwand im Nirgendwo. Dabei machte er Sprünge mit einer Reichweite, die man sich kaum vorstellen kann. Was hatte dieses Vieh für eine Kraft in den Beinen!
Unglaublich!
Auch dieser lustige Morgen endete mit Zeltabbau und dem verpacken der Utensilien. Es ging weiter in Richtung Süden an Port Augusta vorbei in Richtung des Bundesstaates Victoria. Heute würden wir die Wüste endgültig hinter uns lassen. Reichte auch langsam-diese blöde Wüstenfahrerei.
Fortsetzung folgt