Ausgerechnet Journalisten sollten eigentlich nicht über Vorteilsannahme sprechen, schließlich gibt es Presserabatte.
Na gut, weil du's bist, helfe ich dir mal ein bisschen aufs Fahrrad.
Journalisten sind keine Politiker. Sie haben keinen Amtseid abgelegt und werden nicht gewählt. Sie unterliegen nicht dem Beamten- und nicht dem Abgeordentengesetz. Im Gegensatz zu einem Bundespräsidenten darf sich ein Journalist einen Rabatt für ein Auto einräumen lassen. Ein Fahrlehrer oder Taxifahrer darf das auch. Und die machen das auch. Problematisch ist die Annahme von Vergünstigungen, die geeignet sind, die Berichterstattung des Journalisten zu beeinflussen. Vulgo: Wer bei einer Autozeitung arbeitet oder über Autofirmen schreibt, der ist nach den Regeln des Presserates verpflichtet, dies bei der Annahme von Vergünstigungen auf Autos zu berücksichtigen.
Journalisten die mit einem Presseausweis des Deutsche Journalisten Verbandes in ein Autohaus gehen bekommen bis zu 25% Rabatt.
Es gibt keinen Presseausweis des Deutschen Journalistenverbandes. Es gibt einen allgemeinen Presseausweis, und der DJV ist eine der Organisationen, die berechtigt sind, ihn auszustellen. Mein Presseausweis wurde vom Zeitschriftenverlegerverband ausgestellt.
Zu den genannten 25 Prozent: Oh, Erhabener, erleuchte uns - welche Autofirma gibt 25%? Üblich sind zwischen 8 und 15 Prozent - und zwar auf den Listenpreis. Andere Kunden bekommen auch Rabatt, Barzahlerrabatt, eine günstige Finanzierung, eine Verschrottungsprämie für den Altwagen, ein paar Inspektionen oder einen Satz Reifen extra. Wer heute tatsächlich in ein Autogeschäft geht und den Listenpreis in bar auf den Tisch legt, dem ist nicht zu helfen.
Dies Funktioniert natürlich nicht mit gebastelten "Hauspresseausweisen".
Im Kern handelt es sich bei den institutionalisierten Presserabatten (man zeigt seinen Presseausweis und bekommt ohne weitere Diskussionen einen Rabatt) um eine Großkundenpreisvereinbarung, wie es sie in der Wirtschaft zu Tausenden gibt. Man schlage zum Beispiel eine beliebige Gewerkschaftszeitung auf, dort findet man jede Menge Angebote, wo man als Gewerkschaftsmitglied etwas zu einem Sonderpreis bekommt. Das ist im Kern nichts anderes als die 3 Cent Rabatt pro Liter, die Agip den ADAC-Mitgliedern gewährt.
Nicht ohne Grund eine sehr umstrittene Praxis und viele Journalisten nehmen solche Vergünstigungen sehr gerne an, egal was der Pressekodex sagt.
Die Praxis ist vor allen bei denen "umstritten", die Journalisten grundsätzlich für korrupt halten. Nur: Echte Korruption geht anders (es gibt sie, und sie würde auch nicht aufhören, wenn Presserabatte verschwinden würden). Und die, die Journalisten für korrupt halten, werden dies auch weiterhin tun, egal, was Journalisten tun oder nicht. Noch was: Vor einiger Zeit gab es eine Geschichte im Focus über die realen Einkommensverluste und -gewinne in den letzten zehn Jahren: Journalisten verdienen heute im Schnitt 30% weniger als vor 10 Jahren. Da gewinnt die Aussicht auf 15% Presserabatt auf einen Neuwagen eine ganz neue Relevanz: Neuwagen können sich die meisten Journalisten auch mit Rabatt nicht leisten.
Habe ich deine Meinung zu dem Thema ändern können? Bestimmt nicht, gell.