Ich bin jetzt nicht gerade der große Alpenfahrer. Mich zieht es eher in den Norden und Nordwesten Europas, wo man nicht nur die Straße für sich alleine hat, sondern gefühlt oft das ganze Land. Zwischen 20 und 60 war mein Standardspruch: „In die Alpen kann ich immer noch, wenn ich mal richtig alt bin“.
Vor 2 Jahren kam ich nicht mehr raus aus der Kiste, und bin mit 2 Kumpels nach Österreich, Norditalien und Slowenien – Anfang Juni, also noch deutlich außerhalb der Saison (viele Hotels/Gasthöfe/Orte waren noch „geschlossen“). Österreich habe ich noch als recht entspannt wahr genommen, die Bergregionen von Slowenien und Südtirol/Dolomiten waren für mich der blanke Horror. Tolle Straßen, grandiose Landschaft – geschändet von Tausenden von Bikern (mit besonders hohem Anteil an Knieschleifern), die jeden, aber wirklich jeden Alpenpass dermaßen zugeparkt haben, dass vor jeder Weiterfahrt eine intensive Suche nach dem eigenen Fahrzeug anstand.
Ich tat mir leid, weil ich mich habe breit schlagen lassen, dort hin zu fahren. Aber noch mehr taten mir die Aborigines leid, die gezwungen waren, mit dieser überlauten Blechlawine zu leben. Einige wenige verdienen gutes Geld mit den Bikern, der große Rest kann sich nur als Kolateralschaden wahr nehmen. Mehr als einmal habe ich gedacht: „Wie lange wird das noch gut gehen?“. Jetzt, 2 Jahre später, ist es dort genau so wie in der Eifel. Streckensperrungen und abschreckend niedrige Tempolimits (in der Eifel reduziert man gerne auf 50 km/h). Sorry – aber das war absehbar. Streckensperrungen für besonders laute Fahrzeuge ist ja noch die sanfte Methode. Ich bin fast sicher – da geht noch mehr.
Und dann kam Covid-19, und Norditalien brannte. Die Nerven lagen blank, die Menschen hockten zu Hause, hatten Todesangst und vielleicht gerade erst Freunde oder Verwandte begraben. Als die Grenzen wieder geöffnet waren, kamen zuerst die 2-Rädrigen zurück. Ausgehungert von zwei Monaten Fahrabstinenz, und dadurch oft noch einen Tick aggressiver als in „normalen“ Jahren. In solchen Situationen nimmt man störende Faktoren viel eher wahr als sonst. Die Politik hat jetzt reagiert, und sie wird dies sicherlich unter Abwägung des möglichen Umsatzverlustes bei Bikern getan haben. Wenn jetzt einige von euch die Alpen „boykottieren“, so ist dies für die „Verursacher“ eher Teil des Planes als eine Horrorvorstellung. Ich wüsste gerne, wie viele „sanfte Touristen“ bislang die Alpen gemieden haben, weil sie das Fahren zwischen wild gewordenen Hobby-Rossis zu sehr anstengt. Unter‘m Strich wird der Tourismus dadurch nicht leiden. Er wird sich vielleicht verändern, aber mutmaßlich zum Besseren.
Natürlich ist das, was gerade in den Alpen oder der Eifel passiert erst der Anfang. Wir Biker sind angezählt. Ehemals Individualisten sind wir jetzt dem Herdentrieb verfallen. Auf Instagram steht, wo man jetzt als Biker hin fahren sollte – und 6 Monate später ist das nächste Motorradbiotop „entschärft“. Ursache – und Wirkung. Ein hausgemachtes Problem – durch unser eigenes Verhalten. Es gibt wohl auch keine „Lösung“ für dieses Problem, denn es ist nicht zu erwarten, dass sich der Anteil der verursachenden Vollpfosten reduziert. Der „Flynn“ Effekt hat sich umgekehrt – die Evolution läuft rückwärts, und der Anteil der doofen und rücksichtslosen Egomanen wird steigen. We are doomed.
Glückauf,
Demo