Ich sehe es ähnlich, interpretiere es aber anders.
Es ist nicht deren Aufgabe, einen „Kreuzzug“ zu starten. Wenn, dann eine Diskussion zu begleiten. Natürlich muss beinahe jedes Medium gewinnorientiert arbeiten, um bestehen zu können. Dazu gehört natürlich auch, den Herstellern nicht mit der Faust ins Auge zu schlagen.
Es wissen ja einige, ich bin selbst Journalist, und als solcher mache ich mir natürlich auch Gedanken um das Thema Zielgruppendefinition etc.
Ich glaube nicht, dass sich eine "Motorrad" eine kritische Haltung zu Lärmfragen nicht leisten könnte aus Angst vor Anzeigenverlusten. Man kann ja gern mal durchzählen, wie viele Motorradhersteller Werbung machen, die meiste Werbung kommt eher von Ausrüstungs- und Zubehörherstellern. Wenn tatsächlich jeder Hersteller die Anzeigen streicht, weil was geschrieben wird, das ihm nicht gefällt, dann würde es "Motorrad" wesentlich härter treffen, wenn sie schrieben, dass Vanucci-Handschuhe (Louis) oder LS2-Helme (FC-Moto) nix taugen, als dass BMWs zu laut sind.
Es ist die Angst, die eine Zielgruppe zu verprellen, indem man sich auf die Seite der anderen stellt. Und für wahnsinnig viele Motorradfahrer scheint es unheimlich wichtig zu sein, den "wilden Hund" zu geben. Und das bedient die "Motorrad". Sie bedient es noch relativ zahm, andere Blätter sind da viel eindeutiger positioniert. Dennoch gibt es keine Ausgabe, in der nicht mindestens eine Geschichte mit einem wheelenden Sportkrad aufgemacht wird. Wir haben es, das merkt man ja auch in dieser Diskussion, mit gar nicht wenigen Leuten zu tun, die Motorradfahren gar nicht leise und unverträglich wollen, sondern möglichst rauh, roh und laut.
Ich las mal, dass mehr als 50% aller Harleys nie mit Serienauspuff auf die Straße kommen, ein Brüllrohr ist da Standard. Und wie nicht wenige Harley-Fahrer einen auf "Böser Rocker" machen, das kann man als lächerlich empfinden, als anziehend oder als bedrohlich. Ich möchte im Auftritt nicht mit einem Chapter "Hells Angels" verglichen werden.
Und solche Leute bedienst du halt nicht mit verbraucherorientierter Berichterstattung wie eine "Test" oder eine "ADAC Motorwelt". Es gibt aus dem alten Berlin einen Spruch, wo ein Zeitungsleser sagt: "Ick verlange für meine fuffzich Pfennig, dass an meine niederen Instinkte appelliert wird." Und das macht die "Motorrad" an vielen Ecken.
Letzte Woche lag die Ausgabe 11 im Kasten, mit den ganzen kritischen Leserbriefen zum Thema "Lärm" drin, meinen haben sie auch abgedruckt.
Vorn im Editorial positioniert sich der Chefredakteur ganz eindeutig. Chefredakteur Uwe Seitz verbreitet sich über "rechtlich fragwürdige Werte und die kritiklose Akzeptanz selbst unter Motorradfahrern". Er regt sich auf, dass "Motorrad von Motorradfahrern(!) dafür gegeißelt wird, weiter Maschinen zu testen, die als Standgeräusch 96 db(A) und mehr im Schein stehen haben." Er sagt dann noch, dass das Standgeräusch überhaupt nichts über das Fahrgeräusch aussagen würde und hebt mehrfach darauf ab, dass sie sich als Journalisten an Fakten halten würden (mit Ausrufezeichen, Schlussredaktion haben die offenbar nicht).
Ich bin zu faul, den ganzen Kram abzutippen, vielleicht mach' ich noch ein Foto. Kurz: Von Seitz brauchen wir keine Impulse erhoffen.
Ich habe heute übrigens auch ein Editorial geschrieben, ist gar nicht so einfach. Aber seins war einfach nur schlecht. Ich glaube, ich werde mein Abo kündigen, der Aue hinten drin war auch total doof.