Also, mir sträuben sich die Haare, wenn ich hier die angeblich "fundierten" Meinungen über "die" Politiker lese.
Wer sind denn "die" Politiker? Und was machen die den wirklich? Und wo tun sie es?
Die Antwort bekommt ihr ganz bestimmt nicht in den einschlägigen Krawallshows von Will, Plasberg und Konsorten. Da sitzen nämlich nicht "die" Politiker, sondern nur diejenigen Gallionsfiguren, mit denen die Journalisten gerade prima Quote zu machen glauben.
"Die" Politiker sitzen derweil zu 95% in einer Sitzung ihrer Stadtratsfraktion, beim Jubiläum des Kleingartenvereins, diskutieren in ihrem Ortsverband über Schulsanierungen, erledigen noch liegengebliebene Haupterwerbsarbeit oder haben tatsächlich mal ´nen freien Abend.
"Die" Politiker sind nämlich zu 95% ehrenamtlich tätige Menschen, die mit Ratsmandat oder eben ohne dafür sorgen, dass Verwaltungen Richtlinien für ihr Handeln bekommen.
Ich bin Mitglied einer demokratischen Partei und kenne eine Menge dieser Leute. Und ich kann, völlig losgelöst von politischen Präferenzen sagen, dass die allermeisten richtig fleissig, ehrlich und besten Willens sind. Und im Übrigen auch qualifiziert. Und wer hier unreflektiert über "Egomanen" oder "verkrachte Existenzen" schwadroniert, sollte sich vielleicht mal zunächst diese Leute angucken, mit Ihnen sprechen und versuchen zu verstehen was und warum sie es tun. Dass es bescheuerte oder auch machtgeile Politiker gibt will ich gar nicht bestreiten. Ich bestreite nur, dass der Prozentsatz höher ist als in jeder anderen gesellschaftlichen Gruppe, Firma, Verein oder sonst wo. "Der" Moppedfahrer ist doch auch kein hirnloser Raser, auch wenn das Vorurteil kaum auszurotten ist. "Der" GS Fahrer ist ja auch kein bewarnwesteter Klapphelmträger - obwohl...
Morgens liest du in der Zeitung, dass der Steuerzahler- und Erbsenzählerbund wieder mal messerscharf herausgefunden hat, das deine Stadt zuviel Geld ausgibt und abends kannst du dich von einer Bürgerinitiative beschimpfen lassen, weil du an ihrem (und an 20 weiteren) Steckenpferdchen Kürzungen vornehmen willst. Hättet ihr Schlauköpfe hier im Forum nicht mal Lust, das auch mal eine Wahlperiode lang kennenzulernen? Könnt ja eine eigene Partei aufmachen. Das Leben in der Realität erleichtert die Wahrheitsfindung enorm.
In einer Demokratie ist das so vorgesehen, dass die Bürger Leute aus ihrer Mitte wählen, und ihnen die Gesetzgebung auf Zeit übertragen. Das soll einer Willkürherrschaft vorbeugen. Denkt darüber bitte einmal nach, bevor ihr wieder über angeblich fehlende Fachkompetenz, fehlende Experten etc. herzieht. Von welchen Fachleuten möchtet ihr denn regiert werden?
- Von den Spitzenkräften, die sich die großartigen Finanzzockereien ausgedacht haben, die uns gerade so richtig viel Freude machen?
- Von den 1a Polittalkshowjournalisten, die im vorigen Jahr noch messerscharf analysiert haben, dass die Grünen ein Auslaufmodell sind? Oder mit Guttenberg in Afghanistan kuscheln?
- Vielleicht ´ne Fachkraft für Sicherheitsfragen, so´n richtig schneidiger Militär?
Mir kommt es so vor, dass es mittlerweile "in" und Mainstream ist, Politiker generell und unreflektiert Schei::e zu finden. Halte ich für recht gefährlich.
Wenn euch das nicht passt, was eure Politiker tun -und das ist in einer Demokratie euer hervorragendstes Recht!- dann wählt andere oder stellt euch selbst zur nächsten Wahl auf. Aber achtet drauf, das es danach noch eine nächste Wahl gibt!
So, das musste raus, schönen Tag noch und nix für ungut
Jörg