Hi Zusammen - ich weiß nicht, ob wir hier schon einmal einen Erfahrungsbericht auf einer längeren Strecke hatten....nu denn.
Vorab: Privat fahre ich nicht wirklich häufig Auto und wenn, dann eher auf Langstrecke. In Berlin selbst (wo ich wohne) benötige ich so gut wie nie ein eigenes Auto, die Öffies sind hier günstig und gut! Dienstlich sieht das anders aus, da fahre ich viel Bahn, bin viel mit dem Flieger unterwegs und brauche für etwas abgelegenere Standorte recht häufig Leih-PKW für die letzten Kilometer. Ich bin kein wirklicher Freund von fossilen Kraftstoffverbrennern, wünschen würde ich mir eine Umrüstung auf Wasserstoff, dort wo möglich oder bei Neuwagen H2-Verbrenner oder Brennstoffzellen-KFZ - irgendetwas muss meiner Meinung nach passieren und zwar bald! Auf kurzen Strecken nehme ich durchaus auch schon mal ein Batterieauto, deren Umweltbilanz finde ich allerdings verheerend.
Als nun letzte Woche die Bahn mit Streiks drohte und ich einen Termin hoch im Norden der Republik, habe ich mir bereits in Berlin ein Auto geliehen. Bestellt war ein Opel Insignia mit Diesel, Reichweite bei moderater Fahrt reichlich 1200km. Bei knapp 900km hin und her, heißt das losfahren, unmittelbar vor Abgabe knapp 10min Tanken und fertig. So der Plan. Der nicht funktioniert hat, da bei meinem Verleiher die Verbrenner leider aus waren und nurmehr die nicht bestellten (weil teuer) Batterieschüsseln (das auch noch als vermeintliches Upgrade) verfügbar waren, bekam ich einen Polestar 2 mit 78KWh Akku.
Vorspiel: Anruf des Verleihers: Wir haben nur noch Batterieautos, für Langstrecke laden wir den noch einmal nach, da aus Batterieerhaltungsgründen nur 90% gefüllt werden soll, das geht aber schnell....
Akt 1: Anreise am Vorabend bis Hamburg, da der Termin im hohen Norden um 08:30 Uhr anders nicht funktioniert (und alle nutzbaren Hotels wegen der Veranstaltung voll....)
Ich fahre voll geladen los - Ziel in 450km Entfernung ich muss also unbedingt vorher laden, soll mit Schnellladern (150KW) in einer knappen halben Stunde funktionieren. Ich rolle mit entspannten 130km/h ohne groß Verkehr (am Anfang in Berlin etwas Stau). Nach 200km weist mich das Auto auf Ladestellen hin, die ich nehmen sollte (nettes feature, aber jetzt schon?) Ich fange Reichweitenberechnungen an, zumal in der Nähe meines Schlafplatzes gar keine Ladestation frei zu sein scheint. Also in Witzhave bei der Muschel rechts ran und fein, alle 4 Schnelllader sind frei. Auto angestöpselt, 10 min mit dem Download und verstehen der Lade-App verbracht und ab zum Kaffeetrinken. Ladestand war knapp 30%, Mein Verbrauch lag bei etwas über 22KWh/100km. Nach 15 Minuten mal nachgeschaut, ein zweiter PKW lädt, ooops, Ladestrom statt 150KW nur noch 70KW, also weniger als die Hälfte.... Es kam ein Dritter und stöpselte sich an - und nurmehr 40KW - anscheinend gibt es nur eine fette Leitung (wen wundert's) und der Gleichzeitigkeitsfaktor scheint nicht so dolle, als das 4te Fahrzeug sich anschließt waren es sogar nur mehr etwas mehr als 25KW. Nach 2 Stunden Ladezeit (90KWh sind erreicht) und einem weiteren Kaffee habe ich keine Lust mehr und fahre los. (Tipp: bloß vorm Laden die Lüftung aus - sitzt man während der Pause im Auto brummt das Teil weiter vor sich hin und man kommt nur mit Mühe zum Ausschaltknopf - geiles Praktikantendesign) Berlin - Hamburg in 6h, das hatte ich zum letzten Mal mit Grenzübertritt 1986... Preis: 68ct/KWh zzgl. 25% Ladegebühr = 85ct/KWh die mit der Muschel, haben einen an derselben... Die Rechnung habe ich 8 Tage später immer noch nicht
Akt 2: Morgens in den hohen Norden (am Ziel keine Ladestation....) mit knapp 120km Entfernung und etwas über 60min eine ganz normale Fahrt :-). Das Auto stellt mir einen ladeoptimierten Heimweg vor, bei dem ich fast leer (rot dargestellte 12% Rest) daheim ankomme - na danke! Ist mir zu knapp, ich beschließe eine Abendfutterpause in Neumünster. Der einzige freie Schnelllader gehört den Stadtwerken und liegt am Weg, fein! Ist auch nur eine Ladestelle, also alle Leistung für mich :-) Nach weiteren 200km Fahrtstrecke war ich bei knapp 20%. Preisliste angeschaut - ich breche! 70ct/KWh und ab 60min zusätzlich 10ct/min "Blockiergebühr" ob getankt wird oder nicht - die haben einen Knall! Also angestöpselt und die nächste App heruntergeladen. Was gefuttert und zurück. Nach 51min waren 98% erreicht, muss langen. 40,67€ für 58KW/h, Respekt. Rechnung kam umgehend, immerhin professionell, das Ganze
Akt 3: In Wittstock beim Baumarkt nach 250km der nächste "Schnell"lader- Eigenwerbung 150KW, an der Zäpfe 2*75KW - oh Mann. Leider ist die Rechnung ebenfalls nach 8 Tagen noch nicht da.... Aber ich erinnere ca. 70ct/KWh und 2ct/Min Ladegebühr - zzgl. ein weiterer (gruseliger) Kaffee an der Tanke. Ihr ahnt es, die 75KW wurden nicht erreicht. Nach einer weiteren Stunde und unter 90% (ich möchte das Auto möglichst voll abgeben....) endet meine Geduld. die letzten 100km bis Berlin wird's eh gehen
Akt 4: heureka der Ladeplatz gleich um's Eck ist frei... Auto abgestellt, Stöpsel rein und nach 6 1/2h für 450km endlich Feierabend. Rechnung: 55ct/KWh (zwar doppelt so teuer wie mein Privatstrom, aber hey, vergleichsweise günstig) - ach ja und nach 4h 2ct/min - ich weiß jetzt warum sich da abends keiner ansteckt 7€ Parkgebühr ("Blockiergebühr" - ich fühle mich geliebt als Kunde) und ich bin schon um 07:00Uhr los 33KWh für 25,50€ - da kommt das Auto keine 150km weit....
Bilanz: wer weitere Strecken fährt, plane sehr viel mehr Reisezeit - selbst Schnelllader helfen kaum, wenn man sie denn findet! Ich bin bei knapp 900km mit knapp 200KWh Verbrauch dabei (so etwa 22KWh/100km waren es laut Anzeige) - entspannt gefahren, kein Bleifuß, alle Verkehrsregeln beachtet, nur ein kurzer Stau, keine AirCon nur Lüftung - rechne ich mit optimistischen 80ct/KWh (es fehlen noch 2 Rechnungen) bin ich bei knapp 160€ nur Strom (oder knapp 18,00€/100km). Der Insignia hätte bei knapp 5l Diesel/100km (ich habe mit der Kiste auch schon 4,2l/100km geschafft) bei aktuell 1,70€/l Diesel also 8,50€/100km gebraucht. Die Gesamtfahrtzeit lag mit 13,5h für 900km etwa doppelt so hoch wie mit dem Verbrenner - das sollte man unbedingt mit einplanen - Termine funktionieren so nur kaum und mit ordentlicher Vorabplanung.
Ich glaube wirklich, dass wir nicht so weiter machen können, wie bisher. Fossile Brennstoffe müssen dringend viel teurer werden - ich fände die Kaufkraft für einen Liter Benzin/Diesel der 80er Jahre für einen guten Startpunkt (da lägen wir deutlich über 2,00€/Liter). Batterieautos sind da sicher nicht die Lösung (u.a. Umweltschäden durch Batterien in Rohstoff-Abbau und Entsorgung, erhöhter Feinstaub durch Reifenabrieb
Quarks , uvm.) - und neue Verkehrs- und Reisekonzepte müssen her!