Die Tour ist 24.6. beginnend, auf der wechsle ich und dann schreibe ich hier was zu meiner persönlichen Erfahrung mit einer 1250LC GS. Bin sehr gespannt!
So, die Tour liegt hinter mir und ich schreibe mal, was meine persönliche Erfahrung nun ist. Der direkte Vergleich war erstaunlich.
Vorwort:
Ich habe ja eine HPN-R100GS seit 100tkm, bin auch R1/RN012, 620LC4, DR600, 748BP, MonsterS4 gefahren. Ein paar Jahre/Kilometer habe ich also schon runter, auch auf Sand, Schotter und Rennstrecke.
Von den 4V GS bin ich auch mal die 1100er und die 1200er Lufti gefahren, nun auch die 1250er LC mit ca. 7tkm auf der Uhr mal unter meiner Hand.
Der Besitzer der 1250er bekam während der Tour meine MultiV4s und ich eben seine 1250er GS. Trockene Bedingungen, unter 28 Grad Lufttemperatur.
Die Aussage des GS-Besitzers zur V4s nach der Fahrt: "macht schon Spaß, toller QS/Getriebe, agiler als die GS, fährt sehr schön". Seine (zuhause gebliebene) Frau hat auf seinen berichtenden Anruf mit "gibt kein neues Motorrad" geantwortet. So viel zu dem Thema.
Was mir an der 1250er LC aufgefallen ist, Resümee:
Fährt einfach und gut, nicht zickig. Dass die oft gekauft wird ist erklärt.
Es gibt aber Dinge, die ich für nicht angemessen halte und auch Aspekte, die einen Kauf für MICH nicht möglich machen. In meiner Kaufabwägung ist es keine Frage von Preis, Zubehör, Versicherungsbedingungen, Wertbestand etc. Ich würde die GS auch nicht mit Radar, 170PS und 320er Bremsscheiben mit Stylema in die Garage stellen.
Von vorne nach hinten etwas detaillierter, das können andere anders sehen und auch eine Streuung über verschiedene GS kann ich mir vorstellen.
Vorderradführung: unspektakulär, funktioniert wie sie soll
Vorderradbremse: kräftig, aber schlechter dosierbar als an der V4
Lenker: in Ordnung in Bezug auf Sitzhaltung / Ergonomie.
Kupplung: arbeitet fein, leichte Betätigung, passt
Linker Schalterblock: ok, allerdings hat der Spiel auf dem Lenker, hoffe das ist eine Ausnahme.
Zündung: no-brainer, passt
Rechter Schalterblock: ok
Windschild: ok, aber Verstellung nicht so schnell und einfach wie an der Multi
Sitzposition (Seriensitz in tiefer Position): ein wenig spitzerer Kniewinkel als an der V4 (ebenfalls tiefe Position, der zudem niedrigen Ducati-Sitzbank). Insgesamt auch die Sitzbank der GS nicht so gut. Die V4 lässt mich Tagestouren ohne Aufstehen fahren, wohin die GS mich schon nach kurzer Zeit mit Schmerzen belegt.
Seitenständer / abstellen: auf der Multi V4 ohne hinsehen möglich, an der GS vermutlich aufgrund meiner fehlenden Erfahrung ein wenig länger dauernd.
Kardan: kein Klopfen in Fussrasten etc. insgesamt unauffällig, passt.
Weiss gar nicht, was da manche kritisieren. Der ist in Ordnung.
Hinterradfederung/Dämpfung: ja, die ist nicht so sensibel, wie die an der V4.
Die Spreizung des DynESA fand ich schwächer als an der MultiV4.
Geräusch des Serien-ESD: sorry, nicht mehr zeitgemäß, aber wer es mag, der soll sich das geben.
Hinterradbremse: weiss gar nicht, was da manche haben.
Einwandfrei, an der GS kräftiger als an der V4. Vielleicht hatte ich Glück?
Gasannahme: die empfand ich als ruppig, unangemessen. Das können z.B. meine alten Vergaser-Motorräder und auch die V4 weicher und deutlich besser.
Motor: er läuft kultiviert, natürlich kräftiger als 1200er Lufti oder 1100er. Keine nervigen Geräusche, weder mechanisch noch klingeln etc.
Ja, er hat nicht die Elastizität des V4, aber das ist ja auch ein anderes Motorkonzept. Der vielbesprochene Wert an immensem Drehmoment führt nicht zu einem Grinsen bei mir. Der Motor schiebt stark aber das alleine reicht mir nicht für ein "wow". Die ruppige Gasannahme macht von der Kraft nicht alles kontrolliert nutzbar. Ehrlich, mit der V4 und auch meinen 2V kann ich aus Ecken weicher rausfahren und mit der V4 bin ich auch immer dahinter oder auch schnell mal vor der GS.
Getriebe: Einlegen 1. Gang ist nicht wild, habe ich mir schlimmer vorgestellt, dabei ist das so auch an meiner V4 so. Es gibt den Schaltschlag.
Der GS QS/Blipper funktioniert, ja, nicht so weich und easy wie an der V4, aber er arbeitet.
Mag sein, dass der an der V4 aufgrund der sehr guten Arbeitsweise das doppelte wert wäre, aber rein funktional arbeitet der an der GS auch. Den haben manche schlechter geschrieben als er ist. Lieber den QS/Blipper als alles mit der Hand schalten.
Stabilität und Geschwindigkeit:
Die GS ist in 0-30km/h sehr gut. Aber im 6. mit 50km/h durch den Ort geht nicht so, wie ich es mir gedacht hatte. Das kann meine 2V-GS mit dem langen 5. besser.
In nicht gebremsten oder beschleunigten Zuständen rund um 60-80km/h empfand ich das Rühren der GS um die Hochachse, eine Art taumeln, als unkritisch aber spürbar. Da ist die V4 deutlich besser, entspannter, souveräner.
Im Bereich 80-120 und darüber hinaus ist die V4 ebenfalls satter im Fahrwerk, obwohl sie agiler und leichter als die GS von rechts nach links geht. Zudem ist die Linienwahl mit der V4 präziser möglich und auch ein Abweichen von der Linie einfacher. Ich sag, das liegt an der fetten Gabel, langen Schwinge und rückwärts drehender KW.
Im Fahrwerk ist die V4 klar in einer anderen Welt unterwegs. Stabiler, mehr Vertrauen egal ob beschleunigt oder gebremst oder gerollt wird.
In Schräglage schalten ist mit der V4 unspektakulärer. Das Motorrad reagiert darauf deutlich weniger als die GS. Lastwechsel kann die V4 besser.
Was mir aber richtig an der LC auf den Keks gegangen ist:
Der Lärm, der da über den Gabeltunnel zum Helm kommt bei bestimmten Geschwindigkeiten und Fahrbahnen, Schräglagen, aber auch bei Geradeausfahrt, ist inakzeptabel für ein Sieger/Premiumfahrzeug. Da braucht es Ohrstöpsel auf längeren Touren. Dass davon in den Tests nichts zu lesen ist, kann nur Ignoranz oder Unwissenheit sein. Vielleicht trifft es unterschiedlich große Fahrer auch unterschiedlich, aber der Lärm wäre für mich ein k.o.-Kriterium und die GS raus.
In der Summe sehe ich auch den 2. Platz bei der Alpenmaster vom letzten Jahr als interessant, aber nicht wirklich begründbar an. Da müssen schon Wertungen wie "Überschlagsneigung im 2-Personen-Betrieb" etc. aus der Schublade kommen, damit es eine vordere Platzierung gibt. Für den Lärm des Vorderrads könnte man so viele Punkte abziehen, dass der 4. Platz nicht zu halten ist.
Die 1300er sollte an einigen Punkten besser werden, Details im Konzept müssen vorankommen.
Es geht nicht um beleuchtete Schalter oder 320er Bremsscheiben, Telelever oder 150/160/170PS, auch das Getriebe ist eben, wie es ist. Kardan passt.
Meiner Meinung nach muss die Kultur "Gashand/Leistungsabgabe" aber auch "Fahrwerk / Rühren" sowie der Lärm von der Vorderhand besser werden. Der Stand der Technik ist da auf einem anderen Niveau mittlerer weile.
Die Konnektivität, Ergonomie, TFT, ja, kann man immer was machen, aber bitte Stabilität / Nutzbarkeit vorantreiben und nicht Spotify und andere Beruhigungspillen für Besitzer.
In Bezug auf MEIN Preis/Leistungsempfinden ist die 1250er GS hochpreisiger als die V4. Du bekommst weniger für dein Geld als bei der Ducati.
So, jetzt könnt ihr mich "steinigen", aber das war meine persönliche Wahrnehmung.