Ich glaube, das ist eine ziemlich große Gemengelage. Die kalifornischen Emissionswerte für Diesel-Pkw gelten als die strengsten der Welt. Gut möglich, dass man sich da an der Grenze des derzeit technisch Machbaren bewegt, wenn man Dieselmotoren bringen will, die gleichzeitig enorm leistungsfähig sind (150 PS aus zwei Litern Hubraum), wenig saufen (Normverbrauch 4,1 Liter/100 km), vernünftige Wartungsintervalle haben, 250.000 km halten und dabei noch insgesamt gut fahrbar sind. In Europa bietet VW nur noch TDI- und FSI-Motoren an, also Benzin-Direkteinspritzer, die hohe Anforderungen an die Spritqualität stellen. Also werden sie für die USA irgendwelche billigeren Benzinmotoren haben - wobei sich dann schon unterm Strich die Frage stellt, warum man einen VW made in Mexico statt eines Toyota made in USA kaufen sollte. Kurz: die moderne Dieseltechnologie ist bei VW der USP.
Die US-Behörden und vor allem die kalifornische Umweltbehörde hat keinen Grund, VWs Diesel-Technologie mit Wohlwollen zu betrachten: Es gibt kaum Dieselmotoren in US-Fahrzeugen. Die Jeeps, die in Europa mit Dieseln rumfahren, werden bei Magna Steyr in Österreich montiert und bekommen Dieselmotoren von VM aus Italien. Und Kalifornien verfolgt erklärtermaßen das Ziel, in 15 Jahren nur noch emissionsfreie Autos zuzulassen. Der einzige relevante Autohersteller Kaliforniens heißt Tesla. Gleichzeitig ist Kalifornien der wichtigste US-Automarkt. Sollte VW mit seinen Dieseln in den USA scheitern, wäre das für die USA kein Problem, sondern ausschließlich für VW.
Ob es tatsächlich illegal ist, wenn ein Fahrzeug die geforderten Emissionswerte nur in dem Zustand liefert, wenn es getestet wird, darüber kann man durchaus streiten. Nicht umsonst werden diese Messverfahren penibelst festgeschrieben. Das erleichtert natürlich einerseits die zuverlässige Erkennung des Test-Zyklus, andererseits schafft es erst die nötige Vergleichbarkeit. Dass VW eine solche Software nötig hat, wundert mich zwar, aber es schockiert mich nicht. Sie sind ja wirklich nicht die ersten, die so was machen. Schon die Buell 1125CR hatte eine Diagnosesoftware an Bord, die anhand von Drehzahl, Gasgriffstellung etc. einen Euro-3-Messzyklus erkannte und dann die Motorleistung brutal herunterregelte. Ohne diesen Modus lief das Ding weit außerhalb der Norm. Ob das Betrug am Kunden darstellt, darüber darf man geteilter Meinung sein, denn kaum einer der Buell-Käufer wollte Euro 3, aber jeder wollte einen geilen Abzug. Wenn jetzt hartnäckig genug gebohrt wird, dann wird sicherlich rauskommen, wer sonst noch auf diese Art und Weise mogelt.
Irgendwelche Verschwörungstheorien, wonach die ganze Geschichte eine späte Rache von Piech an Winterkorn ist und wonach man W.s Vertrag noch schnell verlängert hat, glaube ich nicht. Die Famile Piech besitzt große Anteile an VW, die sind jetzt erst mal ein paar Millarden weniger wert. Und die tatsächliche Vertragsverlängerung steht erst an. Ich gehe davon aus, dass es dazu nicht mehr kommen wird. Das Nordamerika-Geschäft von VW ist bis auf weiteres beim Teufel, und man wird W. dafür opfern, damit ein anderer CEO ohne diese Altlast weitermachen kann.
Die in Rede stehenden 18 Milliarden Dollar Strafe sehe ich noch nicht. Bevor das passiert, wird jahrelang prozessiert und irgendwann einmal ein Vergleich getroffen. Und wenn die EPA und die New Yorker Staatsanwaltschaft zu stutenbissig werden, dann könnte die deutsche Politik ja mal in die Verhandlungen rund um TTIP einen etwas kälteren Wind einziehen lassen. Spannend wird es sein, was beid en Untersuchungen herauskommt, die jetzt überall anders angestoßen werden.
Übrigens: Könnt ihr euch noch an die Kaltlaufregler erinnern, die vor ein paar Jahren angeboten wurden, um Euro1-Autos auf Euro2 zu bringen? Die Dinger haben so um die 120 Euro gekostet, ein Betrag, den man nach spätestens zwei Jahren wieder an Kfz-Steuer gespart hatte. Ich habe mal einen Bericht im TV gesehen, wonach die Dinger absolut keinen Effekt aufs Abgas hatten. Das konnte man aber nur feststellen, wenn man einen "großen" Abgastest gemacht hat, bei der normalen AU ist Euro 1 wie Euro 2. Es wurde noch nicht einmal kontrolliert, ob ein solcher KLR überhaupt verbaut war: Bescheinigung vorzeigen auf der KFZ-Zulassungsstelle hat ausgereicht. Bei meinem BMW 325i hatte ich nach dem Einbau des KLR Probleme mit einem sägenden Leerlauf. Also haben wir vom KLR die Sicherung gezogen...