Habe im Beitrag 35 oben noch zwei Videos eingefügt.
Für alle Apostel unter uns, sei gesagt, alles was jetzt folgt, sind frei erfundene Geschichten, Hirngespinste, ohne jeden Bezug zur Realität... Weil jetzt wird es richtig strano.
Aus der schlimmsten Lage habe ich mich erst mal befreit. Soll ich es mal wagen zumindest die ersten Kehren runter zu tuckern, um zu ermitteln, wie sich die Fuhre nur mit Motor- und Hinterradbremse verzögern lässt? Es ist später Nachmittag, kein Verkehr auf der Straße, alla(h) hopp. Es geht besser als gedacht. Dennoch schleiche ich den genialen Pass im Schneckentempo runter. Echt schade um die schönen Kurven und Kehren, aber allemal besser, als da oben zu versauern und auf einen Abschlepper zu warten. Mir blutet das Herz, wenn ich an die verpasste Chance denke, diese Kurven runter zu kratzen. Es ist anstrengend, die Fahrtechnik und neuen Verzögerungswerte auszutüfteln. Der zweite Gang bremst die Fuhre vor einer Kehre schon recht gut runter.
Oh, Mann gewöhnt sich an so vieles… ich kenne Leut´, die sind sogar verheiratet und leben gut damit.
Als ich unten in Isola ankomme, überlege ich nochmal genau, ob ich mich weiter auf die Straße wagen soll. Kann man eigentlich nicht bringen, schon klar. Aber auch hier ist kein Verkehr… und so tucker ich los weiter Richtung Süden. Die Straße ist wie leergefegt. Das ist mir sehr recht. Wie ich so vor mich hin fahre und mir die Erlebnisse der letzten zwei Stunden im Geiste noch Mal vorbei ziehen lasse, bilanziere ich mal die Gesamtlage:
Fern der Heimat, ohne g´scheites Mobilphone (das Teil zappelt bei ca. 30 % Ladung rum, obwohl es den ganzen Tag an der Powerbank hängt), Vorderradbremse Totalausfall, noch ca. 70 km bis zum Scheitelpunkt meiner Reise… da fahre ich durch die enge Straße eines Dorfes und höre laut und deutlich die Geräusche aus dem HAG. Das hätte ich fast vergessen. Vor ca. 90 Minuten noch der Lombarde mit Adrenalin im Blut, jetzt geschlagen von den Ereignissen.
Mir fällt ein Gedanke von Thich Nhat Hanh ein: Ich atme ein und komme zur Ruhe. Ich atme aus und lächle. Heimgekehrt in das Hier und Jetzt wird dieser Moment ein Wunder…
Schrapp, schrapp, schrapp… Ein Wunder ist, das mir dieses Getriebe noch nicht im die Ohren geflogen ist. Shadow on the wall. Dieses Abendteuer ist überschattet von Dämonen.
Mittlerweile fahre ich durch eine gigantische Schlucht, entlang eines reißenden Baches. Links und rechts gehen die Felswände so steil hoch, dass der Himmel manchmal nur ein schmaler Streifen über mir ist. Die Gesteinsschichten sind so krass verschoben, hier war Mutter Erde aber wirklich kreativ. Einmal steigen die Schichten nach rechts an, einmal nach links. Niemand regt sich darüber auf, das ist Natur, das ist Gleichgewicht und Einklang. Nicht wie in einer Demokratie, in der es nur die nach links gerückte Mitte und links davon geben darf, sonst ist der Aufschrei groß – oh, ich schweife ab.
Einmal geht es nach rechts hoch...
kurz darauf wieder links hoch. Es sei erwähnt: Beide Fotos sind mit Blick nach Süden.
Auf dem Parkplatz kontrolliere ich mal den Ölstand vom HAG. Was für eine Äktschn. Alles abladen, um ans Werkzeug zu kommen und am Ende ist alles gut, Ölstand hat gepasst. Was ist denn los mit diesem Sch.....-Getriebe. Mi viene il vomito, se penso...
Ich fahre mir reduzierter Geschwindigkeit durch diese geniale Schlucht und lasse meine Gedanken ziehen bis Millionen Jahre vor unserer Zeit, als die Welt entstanden ist, der liebe Gott die Lampe eingeschaltet hat und alles noch gut war, weil es keine Menschen gab. Die Erde hat sich verformt, wie es ihr gefiel, mal rechts hoch, mal links hoch, dann kamen irgendwann die Dinosaurier… Auch der Gedanke, dass es irgendwo ein groooßes Meer gab, zu dem dieser Bach hingeflossen ist und sich über die Zeit tief in den Fels geschliffen hat, stimmt mich nachdenklich. Damals gab es wahrscheinlich so viel CO2 auf der Welt, wegen den ganzen Vulkanausbrüchen, dadurch konnten die Pflanzen sich ja auch so gigantisch entwickeln. Denn wenn Pflanzen vermehrt CO2 bekommen, (was übrigens ein schweres Gas ist und nicht im Weltraum rumfliegt, sondern am Boden bleibt, damit es die Pflanzen "fressen" können… aber das darf man ja heute auch nicht mehr schreiben…) dann gedeihen sie prächtig. Naja, aber Fakt ist, dass sich aus diesen ganzen Pflanzen das Öl, Gas, die Kohle und Diamanten gebildet haben. In solche Gedanken versunken, vergesse ich die ganzen technischen Probleme und näher mich Kilometer um Kilometer Nizza (Nice).
Meine Reserveleuchte holt mich in die Jetztzeit zurück. In dieser Schlucht kommt bestimmt so schnell keine Tanke. Es wird aber klappen, wie schon alles geklappt hat, auf dieser Tour.
Allerdings ist klar, bis Nice langt der Tank auf keinen Fall. Mir gefällt die Straße und ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Fluss nach Nice und dort ins Mittelmeer fließt. Also bleibe ich auf dieser Straße und freu mich. Doch dann kommt ein Schild Nice abbiegen. Ich will nicht, denke hin und her, naja, gehe auf Nr. Sicher und folge dem Schild. So gelange ich auf eine zweispurige Bundesstraße mit Leitplanken zu beiden Seiten.
Das Tal weitet sich und ich kann mir gut vorstellen, dass das Mittelmeer hinten am Horizont liegt, es wird merklich wärer… Diese Straße verläuft einige Meter unterhalb, aber parallel zu der kleinen Straße, auf der ich gefahren bin. Oh Mann, ich muss tanken, geht es mir schon einen ganze Weile durch den Kopf. Rechne mittlerweile jede Minute damit, dass die Fuhre stehen bleibt. Da sehe ich in der Ferne die rettende Tankstelle, jedoch oben, auf der kleinen Landstraße…
Keine Chance meine Bundesstraße zu verlassen. Ich muss unterhalb auf meiner Straße an der Tankstelle vorbei fahren. Das darf doch nicht wahr sein, geht’s noch? Darf nicht schreiben, was ich fluche. Ruhe bewahren und atmen nicht vergessen. Zum Glück kommt nach ca. 4 km eine Ausfahrt, von der ich auf die andere Straße komme.
Alles geht sich wieder mal haarscharf aus. An der Tanke bekomme ich ein wenig Bremsprobleme. Jemand fährt gerade rückwärts raus, als ich reinfahren will. Ich fahre genau nach Nizza rein, keine Chance abzubiegen. Ich will nicht in das Großstattgetho. Hier ist viel Verkehr. Ich muss tierisch aufpassen, halte riesen Abstand zum Vordermann. Lass mich lieber überholen, als dass ich jemanden zu nahe komme. Garnicht mein Fahrseil, aber jetzt meine einzige Chance. Mittlerweile ist es schon stockdunkel und ich bin echt geschafft vom Tag und ich habe Hunger wie drei Wölfe. Bis Nizza ist es nicht mehr weit, aber ich finde keinen Laden, in dem ich was zu futtern bekommen kann.
Ein paar Jugendliche erklären mir den Weg zu einem Pizza-Automaten, der frische Pizzen macht. Ok, ob das stimmt, werde ich sehen… Tatsächlich, dort steht eine Anlage mit Touchscreen, kannst bestellen, mit EC bezahlen und wenn eine Glocke ertönt kommt die Pizza im Karton raus. Unglaublich und lecker obendrein. Ich lasse mir Zeit beim Futtern, denn dunkler kann es eh nicht mehr werden. Während ich mangio la pizza, überlege ich, ob da jemand drin ist in der Anlage. Das wäre ein blöder Arbeitsplatz.
Irgendwann mache ich mich los einen Schlafplatz zu suchen… Es bleibt beim Suchen und Suchen und sSchen, fahre hin und fahre her. Dann habe ich endlich ein Grundstück gefunden, fange schon an, mein Zeug abzuladen, schaue nochmal genau und finde das Schild Privat. Kannst echt nicht bringen, hier zu schlafen, also aufsatteln und weiter durch die Nacht. Ich falle gleich tot von Ross, dennoch muss die Konzentration immer noch die fehlende Bremse mit einberechnen. Die Lage ist aussichtslos, kein Schlafplatz heute Nacht.
Es ist glaube ich 23:30 h als ich anhalte und beschließe, ich fahre heute keinen Meter mehr weiter, es wäre zu risikoreich. Da sitze ich dann am Straßenrand auf einem Steinquader. Auf der einen Seite Industriegebäude und die Straße, auf der anderen Seite eine Mauer, die ab und an unterbrochen ist, in den Lücken stehen dicke Steinquader, als Abgrenzung zum ewig breiten Flussbett. Die Lücken sind zu eng, als dass ich mit der Karre durch käme. Sie erfüllen ihren Sinn gut. Erst will ich in direkter Nähe zum Mopet schlafen, es ist total warm, heute brauche ich kein Zelt, kann aber nicht pennen wegen dem Lärm der LKW. Dann später entscheide ich mich in dieses Gebiet zu gehen, nehme mein Schlafzeug mit, und finde den Fluss, an dem ich die ganze Zeit entlang gefahren bin. Ich nehme noch ein Bad, krabbel in meine Schlaftüte, liege die erste Nacht meines Lebens pur unter freiem Himmel und schlafe ein wie ein Toter.