Da ich aber immer am Morgen ein Bild vom Schlafplatz mache, ist klar, dass ich gestern noch bis nach Susa an meinen bekannten Schlafplatz gekommen bin. Das war ein ganz schönes Stück. Klar, nur ca. 300 km, aber mit Pausen am Bach, musizieren, Fotos machen, Kaffee schlotzen, ein langer Fahrtag. Mein HAG hat gut durchgehalten. Die Geräusche sind zwar gut hörbar, haben sich aber seit gestern nicht weiter verschlimmert. Zur Feier des Tages gibt es heute mal etwas ganz Besonderes zum Abendessen – nein keine Pizza – weiß gar nicht, ob ich das überhaupt überlebe.
Schaut hier, lecker Nudeln mit Muscheln. Mir geht es prima.
Hallo AxelF,
da habe ich echt Glück, bei mir ist es voll stimmig alleine zu fahren. Alleine schon wegen der Fahrtgeschwindigkeit, mal will ich es krachen lassen, dann genieße ich total oder bleibe sogar stehen und schaue den Alpaccas zu. Jemanden zu finden, der den gleichen Rhythmus hat, geht gar nicht. Noch dazu kommt, dass ich ständig mit der Natur verbunden bin. Wem der Unterschied zwischen einsam und all-ein(s) fühlbar klar geworden ist, ist reich, da in Verbindung mit allem, was ist.
Hi Juescho, zum Zähneputzen habe ich immer ne Flasche Wasser übrig. Also Wasser aus dem Bach trinken oder zum Zähneputzen geht bei mir auch nicht. Und das große Geschäft immer im Caffee oder Ristorante - außer im Notfall, kommt aber sehr selten vor.
Tag Acht:
Susa, da bin ich wieder, Frühstück im Café am Platz, ganz relaxed den Tag einblenden, heute bleibe ich hier und mache mal garnix. Stadtbummel, mal mittags was Futtern gehen, Fußgängerzone erkunden, Sightseeing, ich wollte sogar in ein Museum, aber die konnte meinen 50 €-Schein nicht wechseln.
Dann halt nicht, Schicksal, hatte mich eh schon über mich selber gewundert.
Oben lugt der Roccamelone über den Kamm, dort war ich auch schon mal mit dem Mopet, aber natürlich nicht bis zum Gipfel.
So schön ist es dort in der Kirche. Kann mir die großen Augen der Menschen früherer Zeiten gut vorstellen, bei so viel Schönheit.
Das Schild wollte ich Euch noch zeigen. Das Fest ist immer zur Zeit der Stella Alpine.
Wem die Anfahrt aber zu weit ist, kann ich das Brezelfest in Speyer empfehlen.
Das ist auch immer genau am 2. Juli-Wochende, wie ich heute bei einer Stadtführung erfahren habe.
Aber wie das so ist mit Plänen, jetzt bin ich hier und hier ist der geniale C.d. Finestre.
Den will ich noch einmal rauf fahren und oben ein paar Momente Musik spielen.
Die Fahrt reißt mich wieder in die andere Welt. Schon bei der asphaltierten Auffahrt bin ich im Race-Modus. Dann kommt das Schotterstück und ich lasse es weiter krachen. Gerade, Gas, Bodenwelle, Jump, Kehre und wieder Gas. Oben angekommen kann ich mein Glück nicht fassen. Sonnenschein, wenig Leute, netter Plausch mit einem Biker, der mein beladenes Krokodeel bewundert.
Oben am C.d. Finestre
Die paar Meter den Berg noch hochlaufen lohnt sich auf jeden Fall.
Dort oben ist der Bunker, super Platz zum sitzen und diese Aussicht genießen.
Kurven- und Pistentraum
Und jetzt weiß ich auch, wie man ihn richtig schreibt. Colle delle F., vielleicht merk ich´s mir.
Man lebt nur einmal. Nein, sagte der kleine Hund, wir sterben nur einmal und leben jeden Tag.
Ich gehe das Stück zum Bunker hoch, setze mich auf dessen Dach, habe die totale Fernsicht und spiele mir ein paar relaxte Melodien. Hier kam mir auch die Erkenntnis, dass der Boden voll Thymian ist und es darum so wunderbar riecht. Irgendwann ist genug genossen und ich fahre wieder runter – auch nicht langsam.
Unten geht es ja dann wieder durch enge Straßen und die Entspannung wechselt schlagartig in so ne Art Schockstarre. Das HAG ist durch diese schätze mal 40 km so dermaßen laut geworden, dass ich erst mal nicht weiter weiß. Bin mir nicht mehr sicher, ob ich so die Strecke bis heim schaffe. Schöne Sch…. Vorbei die gute Laune, weiß nicht, was ich machen soll. Denke hin und her. Oh, wollte die Rückreise noch schön am Lac du Mt. Cenis vorbei, um dort ein paar Stunden den Murmeltieren zu zuschauen und die Gedanken treiben lassen. Gott bin ich bescheuert, das habe ich mir schön vergeitgt. Aber wer hätte ahnen können, dass das HAG so leidet. Naja, eigentlich schon, aber ...
Aber in der jetzigen Situation bin ich froh, wenn ich es morgen noch nach Turin bis zum Bahnhof schaffe. Aber was nehme ich dann mit dem Zug mit, was lasse ich am Bock. Grausame Gedanken, die mir echt die Urlaubslaune vermiesen. Mir wird schlecht, wenn ich mir vorstelle, mit voller Bikermontour, Helm, Zelt und noch ein paar Sachen bepackt im Zug zu sitzen mit anderen, fremden Leuten auf engstem Platz - so für mich schon eine Horrorvorstellung – aber noch dazu würde mein Monster alleine in einer fremden Stadt ungeschützt stehen müssen, sogar über Nacht. Meine Gefühle, die mich bei dabei überkommen würden, wenn ich im Zug sitzend, mich von meinem geliebten Krokodeel entfern und es sozusagen im Stich lasse, mag ich mir nicht vorstellen. Aber so wie das HAG klingt, scheint es keinen anderen Ausweg zu geben. Müsste dann am übernächsten Tag mit dem Mopetanhänger runter fahren und den Schrott abholen. Dazu kommt noch der Gedanke, was bleibt von einem Motorrad übrig, wenn es einen ganzen Tag und die Nacht unbewacht an einem Bahnhof steht. Die Gedanken lösen Schüttelfrost aus, bei 35° im Schatten. Mir ist schlecht. Vielleicht liegt es daran, dass ich gestern keine Pizza hatte??? Nee, Spass beiseite, die Lage ist wirklich ernst. Von dem Abend habe ich keine Fotos gemacht, das will schon was heißen.
Aufwachen im Zelt, baden, habe keinen Bock zu packen, nützt aber nix, ich will endlich wissen, ob und wie ich heim komme. Es ist gepackt, ich bin traurig wegen dem was vor mir liegt.
Stelle die Nachricht der Entscheidnug in meien Status: Mopet ist defekt, fahre mit der Bahn heim. Alles gut.
Fahre das Susa-Tal entlang Richtung Turin. Erinnerungen werden wach, als ich hier das erste Mal rein gefahren bin (damals mit dem Meckerspezi). Viele Gedanken gehen mir durch den Kopf, auch ausgelöst durch das mittlerweile sehr laute SCHRAPP; SCHRAPP; SCHRAPP, bei jeder Radumdrehung. Dann fange ich an zu rechnen. Das Kegelrad hat 11 Zähne, das Tellerrad 33. Ein Radumfang ist so ca. einen Meter. 700 km sind es bis heim. Wenn sich die Zähne jetzt bei jeder Berührung nur 1/1000 mm abnutzen, dann wären das ja bei 1000 Berührungen schon ein Millimeter. Nee, das ist zu viel, das klappt nicht. Noch 20 km bis Turin, dort geht es zum Bahnhof und dann Zugticket kaufen. Bin gespannt, was das kostet und wie das wird. Noch 10 km bis Turin. Mir fällt auf, dass sich die Geräusche bei einer Geschwindigkeit zwischen 80 – 90 Km/h nicht verschlimmern. Also weiter mit dieser Geschwindigkeit. Die Hänge, die die ganze Zeit grün waren, sind nun mit Häusern bebaut, die Fahrbahn ist mittlerweile zweispurig, es werden mehr Autos, es fängt an nach Zivilisation zu riechen (zu deutsch, es stinkt mach Mensch und Müll) die Häuser am Straßenrand werden höher. Oh, wie ich solche Städte hasse. Dort ist der Abzweig rechts Torino Centro, ich setze den Blinker, schaue nochmal auf das Schild: Rechts Torino, geradeaus Aosta 150 km. Dem inneren Reflex folgeng ziehe ich in letzter Sekunde den Lenker rum und bleibe auf der Strecke nach Aosta, krass.
Meine Gedanken: Angenommen, ich bleibe stehen und muss die Karre mit dem Hänger abholen, dann spare ich mir doch mit jedem Kilometer den ich weiter nach Hause schaffe, 2 km des Abholweges. Ok, wir probieren bis Aosta zu kommen. Gott ist das spannend.
Mir fällt der Spruch ein: Ein totes Pferd kannst Du nicht reiten. Aber noch ist es nicht ganz tot. Ein paar km nach dem Abzweig sehe ich dunkele Wolken vor direkt vor mir. Na sauber, das wird ja was heute. Kurz darauf schüttet es wie aus Kübeln und ich halte unter einer Autobahnbrücke an. Die Stimmung ist garnicht so schlecht, wie sie eigentlich sein könnte. Dann entdecke ich diese Ameisenautobahn.
Ameisenstraße auf dem Autobahnbrückepfosten
Der Guss war heftig und kurz. Was ein Glück. Weiter geht die Fahrt. Bin froh, als ich Aosta erreiche und die Geräusche zwar laut, aber nicht schlimmer geworden sind.
Der weiße Berg ist schon in Sicht
Also weiter. Vor dem Tunnel durch den weißen Berg, fange ich nochmal an zu zittern. Wenn ich da drinnen liegen bleibe und geborgen werden muss, dürfte es teuer werden. Ich entscheide mich, nicht dort drin stecken zu bleiben und schaue da: Gott hatte den gleichen Plan mit mir. Drüben raus, wird das Wetter merklich wärmer.
Habe noch überlegt, ob ich ne Anhängerkupplung improvisieren kann...
Klingt gut, wenn man sagen kann, ich wohne in der Schweiz.
Aber dort unten mitten drin wollte ich nie und nimmer wohnen. Never.
Auch schön, immer weiter, immer weiter, jeder Km spart zwei Rückhol-Km. Irgendwann in der Schweiz wird schon Freiburg ausgeschildert und ich freu mich wie die Sau. Plötzlich steht sogar schon Karlsruhe auf den Schildern… Geil. Als ich aus der Schweiz raus bin, ist die Erleichterung riesengroß. Wenn noch was schief gehen sollte, könnte mich jetzt schon fast ein Freund mit einem Hänger abholen. Weiter und weiter geht die Fahrt. Naja, was soll ich sagen…?
Geniales Wetter und es wird immer wärmer, um so näher ich der Heimat komme.
In Bruchsal tanke ich noch ein letztes Mal. Wäre jetzt zu blöde, wenn ich nach so einem Ritt wegen Spritmangel kurz vor daheim liegen bleibe. Genug der Worte. Es sei nur noch gesagt, dass ich es bis auf den letzten Km nicht glauben wollte, dass es noch klappt. Die Erleichterung und das Glücksgefühl waren gewaltig, als ich bei mir von der Autobahn runter bin… die letzten Km… und wohlbehalten angekommen.
Das Ende eines Traums. Ich war mit dem Krokodeel in Nizza... UND ZURÜCK!