sampleman
Vorweg etwas zu meiner Qualifikation: Ich bin Redakteur einer Zeitschrift für den digitalen Handel. Das ist in erster Linie Onlinehandel, aber auch zunehmend stationärer Handel, weil das eine mit dem anderen immer stärker miteinander verschwimmt. Auch über Galeria Karstadt habe ich schon einiges geschrieben. Ich habe also schon allerhand gesehen und gelesen.
Frage: Warum sollte der Bund jetzt nochmal wahnsinnig viel Geld in die Hand nehmen, um Galeria zu retten?
Ich sehe da zwei Gründe: Erstens geht es immer noch um ziemlich viele Mitarbeiter. Derzeit arbeiten dort rund 17.000 Leute. Zum Vergleich: BMW Motorrad in Berlin hat rund 2.100 Mitarbeiter. Zweitens - und wichtiger: In fast jeder nennenswerten Stadt gibt es mindestens ein Karstadt-, Kaufhof- oder Hertie-Kaufhaus. Oft sind das die größten Gewerbeimmobilien in der Stadtmitte. Seit dem letzten Kahlschlag stehen viele von den Dingern leer, immer noch. Darunter durchaus prominente Adressen wie zum Beispiel das ehemalige Kaufhof-Kaufhaus in München am Stachus. Galeria hat von den ehemaligen Filialen ohnehin nur die übernommen, die die besten waren. Wenn sie von denen jetzt nochmal ein Drittel schließen, dann hat man in vielen Mittel- und Großstädten plötzlich einen Lost Place mitten am Marktplatz. Das ist schädlich über diese Immobilie hinaus. Viele kleinere Läden können sich deshalb halten, weil das große Kaufhaus für die Kundenfrequenz sorgt, die sie brauchen. Man sieht es oft auch bei großen Supermärkten: Vorne dran ist oft eine Zeile mit kleinen Läden (Schreibwaren, Mister Minit, Blumen, Bäcker etc.). Ohne den Supermarkt, der jeden Tag für tausende von Kunden sorgt, wären diese kleinen Dinger auch schlecht dran.
Das gilt auch für größere Läden. Ich erinnere mich an eine Umfrage, was die Attraktivität einer Innenstadt für Shopping-Besucher aus dem Umland ausmacht, und da wurde ganz klar angesagt: Die großen Handelsmarken müssen da sein. Ein Ende eines in vielen Innenstädten präsenten Handelskonzerns wie Galeria könnte eine bereits vorhandene Abwärtsbewegung noch spürbar beschleunigen. Das könnte für die Gewährung von Staatshilfen sprechen.
Dennoch glaube ich nicht, dass Galeria zu retten ist. Es gibt ein fieses Sprichwort über ein DDR-Kaufhaus: Wenn man dort hineingeht, dann ist man zunächst überrascht über die große Fülle des Angebotes, sie scheinen einfach alles zu haben. Bis man dann tatsächlich etwas Bestimmtes sucht - das haben sie dann ausgerechnet gerade nicht da. Ähnlich ist es bei Galeria. Sie sind für einen Spezialanbieter einfach viel zu schlecht aufgestellt (Beispiel: Bei der Kleidung grundsätzlich keine Übergrößen) und werden andererseits als Vollsortimenter locker vom Internet geschlagen. Dazu kommt die immer höher werdende Zugangsbarriere: man kommt da oft nur sehr schlecht mit dem Auto hin, weiß vorher nicht, ob das Gesuchte auch vorrätig ist, muss es dann auch noch nachhause schleppen. Da wird dann Onlineshopping immer attraktiver.
Was aus meiner Sicht erforderlich ist, das ist ein gründliches Umdenken über die Rolle von Innenstädten. Wenn man mal mit offenen Augen durch die Innenstadt einer Stadt wie Augsburg geht, dann fällt einem auf, dass rund 75% aller stationären Läden in der City eindeutig Frauen ansprechen. Die wenigsten aller Läden haben abends lange auf, oft schließen sie bereits um 18 Uhr. Kurz: Berufstätige, vor allem berufstätige Männer, werden nicht angesprochen. "Einkaufsbummel" ist in Wirklichkeit eine Beschäftigung für mittelalterliche Frauen, die einerseits nicht berufstätig sind und deshalb Tagesfreizeit haben, und die andererseits finanziell gut genug situiert sind, um mit Lust einkaufen zu gehen. Und was, wenn diese Gruppe der Bevölkerung immer kleiner wird und vielleicht lieber bei Instagram abhängt als bei Galeria Karstadt?
In Augsburg ist der Leerstand in der Citylage bereits seit Jahren ein Problem. Der wird unter anderem durch ein Mietniveau befeuert, das nicht marktgerecht ist. Warum also nicht einfach die Miete drastisch reduzieren, bevor die Kiste leer steht? Das hat mir mal ein Experte erklärt: Die Immobilien gehören oft großen, zum Teil börsennotierten Unternehmen, und die bewerten ihren Immobilienbesitz entweder nach der Miete, die er bringt oder nach der Miete, die er bringen könnte, wenn er vermietet wäre. Würden diese Konzerne das Mietniveau auf breiter Front um z.B. 50% senken, würde auch ihre Firmenbewertung drastisch sinken. Stattdessen bekommen dann Interessenten lieber einen siebenstelligen Renovierungszuschuss als eine günstige Miete. Und bei einer Riesenkiste wie Karstadt hilft selbst das nicht. Was will man denn auf 10.000 qm veranstalten? Einen Indoor-Enduropark?
Ich sehe da gar keine Lösung. Man kann auch nicht, wie es in Augsburg versucht wird, Handel durch gastro ersetzen. Erstens braucht gastro kleinere Flächen als der Handel und zweitens ist die Nachfrage nicht groß genug. Lokale sterben im Moment ja auch wie die Fliegen. Ein Weg aus meiner Warte könnte es sein, die Innenstadt als Wohnquartier wiederzubeleben, anstatt draußen auf der grünen Wiese eine Wiese nach der anderen zu Bauland zu machen und zu versiegeln.
Frage: Warum sollte der Bund jetzt nochmal wahnsinnig viel Geld in die Hand nehmen, um Galeria zu retten?
Ich sehe da zwei Gründe: Erstens geht es immer noch um ziemlich viele Mitarbeiter. Derzeit arbeiten dort rund 17.000 Leute. Zum Vergleich: BMW Motorrad in Berlin hat rund 2.100 Mitarbeiter. Zweitens - und wichtiger: In fast jeder nennenswerten Stadt gibt es mindestens ein Karstadt-, Kaufhof- oder Hertie-Kaufhaus. Oft sind das die größten Gewerbeimmobilien in der Stadtmitte. Seit dem letzten Kahlschlag stehen viele von den Dingern leer, immer noch. Darunter durchaus prominente Adressen wie zum Beispiel das ehemalige Kaufhof-Kaufhaus in München am Stachus. Galeria hat von den ehemaligen Filialen ohnehin nur die übernommen, die die besten waren. Wenn sie von denen jetzt nochmal ein Drittel schließen, dann hat man in vielen Mittel- und Großstädten plötzlich einen Lost Place mitten am Marktplatz. Das ist schädlich über diese Immobilie hinaus. Viele kleinere Läden können sich deshalb halten, weil das große Kaufhaus für die Kundenfrequenz sorgt, die sie brauchen. Man sieht es oft auch bei großen Supermärkten: Vorne dran ist oft eine Zeile mit kleinen Läden (Schreibwaren, Mister Minit, Blumen, Bäcker etc.). Ohne den Supermarkt, der jeden Tag für tausende von Kunden sorgt, wären diese kleinen Dinger auch schlecht dran.
Das gilt auch für größere Läden. Ich erinnere mich an eine Umfrage, was die Attraktivität einer Innenstadt für Shopping-Besucher aus dem Umland ausmacht, und da wurde ganz klar angesagt: Die großen Handelsmarken müssen da sein. Ein Ende eines in vielen Innenstädten präsenten Handelskonzerns wie Galeria könnte eine bereits vorhandene Abwärtsbewegung noch spürbar beschleunigen. Das könnte für die Gewährung von Staatshilfen sprechen.
Dennoch glaube ich nicht, dass Galeria zu retten ist. Es gibt ein fieses Sprichwort über ein DDR-Kaufhaus: Wenn man dort hineingeht, dann ist man zunächst überrascht über die große Fülle des Angebotes, sie scheinen einfach alles zu haben. Bis man dann tatsächlich etwas Bestimmtes sucht - das haben sie dann ausgerechnet gerade nicht da. Ähnlich ist es bei Galeria. Sie sind für einen Spezialanbieter einfach viel zu schlecht aufgestellt (Beispiel: Bei der Kleidung grundsätzlich keine Übergrößen) und werden andererseits als Vollsortimenter locker vom Internet geschlagen. Dazu kommt die immer höher werdende Zugangsbarriere: man kommt da oft nur sehr schlecht mit dem Auto hin, weiß vorher nicht, ob das Gesuchte auch vorrätig ist, muss es dann auch noch nachhause schleppen. Da wird dann Onlineshopping immer attraktiver.
Was aus meiner Sicht erforderlich ist, das ist ein gründliches Umdenken über die Rolle von Innenstädten. Wenn man mal mit offenen Augen durch die Innenstadt einer Stadt wie Augsburg geht, dann fällt einem auf, dass rund 75% aller stationären Läden in der City eindeutig Frauen ansprechen. Die wenigsten aller Läden haben abends lange auf, oft schließen sie bereits um 18 Uhr. Kurz: Berufstätige, vor allem berufstätige Männer, werden nicht angesprochen. "Einkaufsbummel" ist in Wirklichkeit eine Beschäftigung für mittelalterliche Frauen, die einerseits nicht berufstätig sind und deshalb Tagesfreizeit haben, und die andererseits finanziell gut genug situiert sind, um mit Lust einkaufen zu gehen. Und was, wenn diese Gruppe der Bevölkerung immer kleiner wird und vielleicht lieber bei Instagram abhängt als bei Galeria Karstadt?
In Augsburg ist der Leerstand in der Citylage bereits seit Jahren ein Problem. Der wird unter anderem durch ein Mietniveau befeuert, das nicht marktgerecht ist. Warum also nicht einfach die Miete drastisch reduzieren, bevor die Kiste leer steht? Das hat mir mal ein Experte erklärt: Die Immobilien gehören oft großen, zum Teil börsennotierten Unternehmen, und die bewerten ihren Immobilienbesitz entweder nach der Miete, die er bringt oder nach der Miete, die er bringen könnte, wenn er vermietet wäre. Würden diese Konzerne das Mietniveau auf breiter Front um z.B. 50% senken, würde auch ihre Firmenbewertung drastisch sinken. Stattdessen bekommen dann Interessenten lieber einen siebenstelligen Renovierungszuschuss als eine günstige Miete. Und bei einer Riesenkiste wie Karstadt hilft selbst das nicht. Was will man denn auf 10.000 qm veranstalten? Einen Indoor-Enduropark?
Ich sehe da gar keine Lösung. Man kann auch nicht, wie es in Augsburg versucht wird, Handel durch gastro ersetzen. Erstens braucht gastro kleinere Flächen als der Handel und zweitens ist die Nachfrage nicht groß genug. Lokale sterben im Moment ja auch wie die Fliegen. Ein Weg aus meiner Warte könnte es sein, die Innenstadt als Wohnquartier wiederzubeleben, anstatt draußen auf der grünen Wiese eine Wiese nach der anderen zu Bauland zu machen und zu versiegeln.