Wo waren in unseren Ländern denn all die Demonstrationen, als nicht mehr zu ignorieren war, dass die US.A und GB systematisch Folter gegenüber Menschen in muslimischen Ländern anwendet, dieses Verhalten staatlich offiziell gutgeheissen wurde und heute auch nicht sanktioniert werden soll? Haben wir uns da mit der von dir geforderten Deutlichkeit auf breiter Front von solchem Verhalten "unseren" Staaten distanziert und dagegen demonstriert? Oder hat die EU beispielswiese Sanktionen gegen die US.A verhängt oder schon nur in Erwägung gezogen? Haben wir wie von dir heute von den Muslimen gefordert damals reagiert, als die US.A und insb. GB einen kreuzzugartig anmutenden Rachefeldzug gegen mehrere islamische Länder startete und diese Gesellschaften auf eine Weise umpflügte, die radikalen und fundamentalistischen Kräften den Weg perfekt ebnete? Die Liste unserer Verfehlungen in islamischen Ländern (oder gegenüber Muslimen in einem unserer Länder - u.a. Massaker von Paris 1961) schon nur in jüngster Zeit ist noch deutlich länger - reagiert haben wir nicht wie von dir heute von "den anderen" gefordert, obwohl wir im Unterschied zu muslimischen Ländern eine lange und mittlerweile völlig gefahrlose Demonstrationstradition gegen unsere Obrigkeiten kennen.
Ich empfinde es bezeichnend, dass jetzt, da wir selber plötzlich betroffen sind, Forderungen an ganze Ethnien stellen, die wir selber zu keinem Zeitpunkt erfüllen wollten. Wir akzepiteren klaglos die Folterdoktrin der westlichen Führungsmacht dort unten und pochen gleichzeitig auf unsere Meinungsäusserungsfreiheit hier; wie zynisch muss das wohl einem Arab einfahren?
Wir haben das Vorgehen unserer Länder gegen die Muslime in deren Herkunftsländern stets geduldet, obwohl bei uns ein paar Millionen Menschen aus diesen Ländern unter uns leben. Und wir dachten tatsächlich allen ernstes, dies habe keine negativen Folgen für uns, nur weil wir uns im Wesentlich redlich darum bemühten, ihnen hier die Möglichkeit zur Integration zu geben? Wie blind und naiv war denn das?
Es geht nicht um Religion, diese ist bloss ein Vehikel oder ein Kristalisationspunkt. Es geht vielmehr um unterschiedliche Kulturen d.h. wie diese miteinander umgehen. Egal ob die Araber nun Muslime oder Sikhs oder Hindus sind, das Resultat wäre das gleiche. Es ist - ich wiederhole mich - naiv zu glauben, wir könnten mit der arabischen Kultur in deren Herkunftsländern derart brutal und unterdrückend umgehen und von diesen Menschen dann hier verlangen, alle schön brav zu sein und sich nach UNSEREN Regeln - die wir nebenbei auch noch zurechtbiegen wie es uns gerade passt - zu richten.
Wir ernten, was wir geät haben. Was uns bleibt ist: Nicht verrückt machen lassen von ein paar kriminellen jungen Männern. Solche gibt es in jeder Gesellschaft.