DX-Day - gestern durfte ich auch endlich mal ran.
Und weil man hier bisher so wenig vom Fahrverhalten gelesen hat und oftmals nur optische Sachen diskutiert wurden, möchte ich die Desert X heute mal aus Sicht des GS-Fahrers fahrerisch ein bisschen bewerten.
Der Motor:
Bekannt aus Hypermotard, Multistrada V2 und Co. wird der Testastretta-Motor auch in der Desert X verbaut. Und der steht ihr auch gut zu Gesicht. Als GS-Fahrer (mit einem guten viertel Liter mehr Hubraum) gewöhnt, mit niedrigen Drehzahlen durch die Gegend zu schaukeln denkt man sich erst so: Na, kommt da noch was? ... Ok... bisschen mehr Gas ... noch mehr... und huiiiii... er lebt ja doch! Ok, man benötigt hier ungefähr 30-50 % höhere Drehzahlen als bei der GS aber dann gehts auch los. Und wie.
Das ist anders als die GS, aber natürlich auch ziemlich gut. So mal eben den Gashahn bis 4/5 aufgerissen und sie beschleunigt zügig und sauber bis zum ersten Tachoblick bei 178km/ h auf der Landstraße durch. Stop! Es ginge zwar noch munter weiter, aber das reicht dann für mich auch schon wieder. Mehr brauch - und will - ich nicht mit Endurohelm. Ein im Vergleich zur GS ‚fehlendes‘ Drehmoment kompensiert der Testastretta durch höhere Drehzahl. Das ist halt so, dass kann aber auch Spaß machen.
Über den Ortsausgang bei 55 km/h im 6. Gang locker flockig raus beschleunigen wie bei der GS ist aber eindeutig nicht die Domäne der Ducati. Das kann sie einfach nicht und schüttelt sich dann unwillig. Der 5. geht noch, der 4. Gang ist dafür besser. Man kommt aber auch nicht wirklich auf die Idee, innerorts in den hohen Gängen unterwegs zu sein.
Der Schaltautomat (Blipper) war eingebaut, den konnte ich aber nicht wirklich testen, da der Schalthebel für meine Endurostiefel viel zu niedrig eingestellt war. Ich war froh, überhaupt einigermaßen schalten zu können. Der Blipper würde für mich persönlich auch nur Sinn machen, wenn man onroad mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs ist. Bin ich eher selten, benötige ich somit nicht. Das Getriebe fand ich ansonsten unauffällig.
Das Handling:
im Vergleich zur GSA ein Mountainbike. Kaum Gewicht und in allen Belangen fürchterlich handlich. Regelrecht unheimlich. Die führt sich wie ein Spielzeug - im Stand wie in Bewegung. Beim drauf rumturnen steht man sofort und ohne Anstrengung in den Rasten - das passt einfach (bei meinem knapp 1,90cm). Der Bordcomputer ist auch dann im Stehen noch gut abzulesen. Alles in allem hatte ich das Gefühl, ein 100 kg leichteres Motorrad zu fahren.
Das Fahrwerk:
Ein erwartetes Schaukelpferdchen im Vergleich zu der GS mit ihrem rückmeldungsarmen Telelever. Die GS erlaubt eine schlampigere Fahrweise, bei der Ducati darf man die Kurven auch gerne etwas sauberer anfahren sowie früher anbremsen. Erstaunlich fand ich aber die Stabilität trotz der langen Federwege im Straßenbetrieb: Nach vorherigen Bremstests aus verschiedenen Geschwindigkeiten habe ich probehalber mal in mir gut bekannten und abgelegenen Kurven schön rein beschleunigt und dann 2-3 Notbremsungen darin simuliert. Das hat sie sehr souverän gemeistert: Aufstellen, na klar aber jederzeit kontrollierbar und sehr sicher. Das Kurven-ABS habe ich aber mit der Leihmaschine natürlich nicht wirklich an-getestet.
Das Bremsnicken hielt sich auch beim harten anbremsen auf der Geraden in Grenzen und war erstaunlich gut kontrollierbar. Die exakte Einstellung des Fahrwerks hab ich im Eifer des Gefechts aber leider nicht gesichtet. Nur die üblichen Einstellmöglichkeiten - und die sind mir als Solo-Fahrer mehr als ausreichend: Zug/Druckstufe sowie Vorspannung vorne und hinten. Einmal manuell eingestellt, bleibt das i.d.R. so, wie es ist. Das braucht (für mich) kein ESA/Dyn-ESA und muss somit auch nicht bezahlt/gewartet werden.
Schlechte Straßen gibt es sowieso nicht mehr mit der Desert X, dass ist klar, dass hat sie sie im Pflichtenheft stehen und das erfüllt sie auch hervorragend.
Offroad:
Das verbietet sich ja schon fairerweise bei der Vorführmaschine, hielt mich aber nicht von einigen Hundert Metern gemächlicher Feld- und Schotterwege ab. Das ist beeindruckend für einen GSA-Fahrer: Man steht im Motorrad und hat den vollen Überblick auf das Vorderrad und das restliche Umfeld und wähnt sich fast auf einer Sport-Enduro. Aber eben nur fast. Aufgrund der sonstigen Handlichkeit kann ich mir gut vorstellen, dass die Desert X hier sehr viel Spaß machen kann.
Für den Offroad-Fahrspaß sorgt ja eh der Fahrer und seine Fähigkeiten - die DX unterstützt hier aber ganz sicher mit ihrem Fahrwerk, ihrer Handlichkeit und den 21“ vorne.
Bedienung & Verarbeitung:
Alles war an seinem erwarteten Platz, alles war gut bedienbar. Alle relevanten Hebel sind einstellbar. In das umfangreiche Menü des Bordcomputers muss man sich etwas einarbeiten, ich fühlte mich nach ner guten Stunde aber recht gut aufgehoben. Das umschalten der Fahrmodi während der Fahrt wird mit einem ‚Gasgriff schließen!‘ vom Bordcomputer quittiert.
Die Optik ist mittlerweile und im Vergleich zu den Vor-Serien-Maschinen gut & fast durchgängig sauber, lediglich der Alu-Tank erschien mir etwas ‚dünn‘ lackiert. Entweder ist das Absicht - man könnte das auch als eine Art ‚Perlmutt-Effekt‘ ansehen - oder einfach nur zu dünn lackiert. Egal, es ist wie es ist. Auch die Innenseite der Frontverkleidung im Cockpit machte noch einen unfertigen Endruck, da der Kunststoff irgendwie ‚rau‘ und hässlich erschien. Das ist nicht Ducati-like, da erwarte ich etwas anderes, wenn ich in das Cockpit einer neuen Maschine schaue, liebe Einkäufer/Controller.
Die Sitzbank scheint doch nicht so schlecht (zu weich), wie das erste Probesitzen vermittelte. Sie war in der Stunde de Probefahrt unauffällig. Die Sitzposition empfand ich als gut, sie ist durch die Stufe in der Bank aber natürlich nur im kleinen Rahmen veränderbar.
Windschutz:
Der passte bei mir (mit großem Helmschirm) gerade so, weil ich knapp so über den Verwirbelungen der Scheibe saß. 3 cm niedriger, und es wäre wesentlich lauter. So war es ok. Mit einer etwas höheren Sitzbank, wäre es allerdings noch etwas besser.
Der Wetterschutz dürfte nur rudimentärer Natur sein, woher soll der bei der ansonsten sehr schlanken Linie der Maschine auch kommen? Irgendwo muss man Kompromisse machen und dieser fällt mir überhaupt nicht schwer.
Geräusche:
Die Windgeräusche sind - subjektiv - ok. Der Motor/Getriebe-Sound ist teilweise turbinenartig und garnicht mal sooo toll. Den Auspuff-Sound empfinde ich als recht langweilig und mit Original-Topf für mich als zu leise und zu wenig präsent. Ganz klarer Punkt für die GS mit ihrem Standard-Endschalldämpfer.
Mein persönliches Fazit:
Da hat Ducati ein sehr feines Spielzeug auf die Räder gestellt. Das blöde Dauergrinsen nach der Probefahrt hält immer noch an... Ich war gestern während der Probefahrt von einer Freude erfüllt (die ich so schon lange nicht mehr verspürt hab) weil sich das Ding einfach so spielend leicht bewegen lässt. Das war Fahrspaß pur für eine Mittelklasse-Enduro.
Die Desert X ist easy zu fahren und mit ausreichend Power und einem souveränen Fahrwerk sowie den richtigen Austattungsmerkmalen versehen. Sie ist für mich derzeit die ideale Offroad-Solo-Reisemaschine und somit mein nächstes Motorrad.
Leider geil!