Vor einigen Jahren durfte ich mal eine Fortbildung besuchen, in der es unter anderem auch um systematische Problemlösung ging. Der Dozent war recht cool und hat uns folgende Aufgabe gegeben. Es wurde teilweise kritisiert, dass die Lösung vielleicht nicht zu 100% bewiesen werden kann. Aber starke Indizien gibt es auf jeden Fall.
Aber seht und lest selber:
Vor vier Wochen passierte es das erste Mal, dass Fräulein Meier diese rostfarbenen Flecken auf einigen ihrer Blusen entdeckte. Und das war so: Sie stand wie immer im Wohnzimmer an Omas altem Bügelbrett, lauschte der Musik aus der neuen Stereoanlage und bügelte. Doch plötzlich - was war das? "Rostflecken", dachte sie. Zunächst bemerkte sie diese auf einer ihrer Lieblingsblusen. Dann auch auf zwei weiteren, der schicken neuen Bluse mit den schönen goldenen Knöpfen und einer älteren Bluse. Ihr Ärger war groß.
Sicher, zu einer neuen Waschmaschine hatte es bisher noch nicht gereicht, hier in der ersten richtigen eigenen Wohnung nach dem Studium. Küche und Wohnzimmer hatten Vorrang gehabt. Also, ab ins Bad, hineinkriechen in die alte Waschmaschine aus der Studentenbude und Rost entfernen. Dieser hatte sich aber bei der letzten Wäsche wohl selbständig gemacht und war verschwunden. Kein Rost war zu finden.
Am nächsten Wochenende konnte also wieder gewaschen werden und dieses Mal ging auch alles gut.
Aber dann, eine Woche später, wieder Rostfarben in einigen Blusen. "Es hätte ja auch mal die Hemden von ihm erwischen können" dachte sie leicht sauer. Ihr solltet dazu wissen, dass ihr Freund noch studiert und inzwischen seine Wäsche alle 14 Tage "zum Wiederaufbereiten" zu ihr bringt. Zur Entlastung seiner Mutter, wie er sagt.
Also ade ihr schönen goldenen Knöpfe. Fleißig nähte sie alle Knöpfe der neuen Bluse mit den goldenen Knöpfen um, doch es kamen ihr gewisse Zweifel. Warum haben die Knöpfe letzte Woche, als die Bluse war auch in der Wäsche gewesen war, eigentlich nicht gerostet? Warum sind Flecken nur in den Blusen, warum gerade immer in drei Blusen, warum auch immer nur im Schulterbereich?
Sie ging noch einmal den Waschvorgang gedanklich durch: Wäsche sortieren, waschen, zum Trocknen aufhängen, bügeln. Sollte da gar etwas mit der Spitze von Omas altem Bügelbrett oder mit dem Bügeleisen nicht stimmen? Wir werden sehen, dachte sie, und wusch am Wochenende erneut die anstehende "kleine Wäsche" aus Handtüchern und Blusen. Ergebnis: Kein Rost.
Ja, und dann gestern. Wieder stand sie im Wohnzimmer, in dem sie sich jetzt doch so wohl fühlte, seit sie sich vor fünf Wochen die neue Schrankwand mit der beleuchteten Glasvitrine, die drei neuen Stühle aus Nussbaum mit dem dazu passenden Tisch und die 150 Watt Stereoanlage geleistet hatte. Sie lauschte der Musik, Hemden und einige Blusen waren schon schrankfertig, als braune rostfarbene Flecken im oberen Schulterbereich einer Bluse ihren Adrenalinspiegel rasant ansteigen ließen. Natürlich waren wieder genau drei Blusen betroffen.
"Immer nur im Schulterbereich" dachte sie, so kamen heute die Bügel dran. Doch die wenigen Bügel, die bei der großen Wäsche eh nie reichten, waren alle grau und alle aus Plastik. Nervlich fix und fertig ging sie zu einer Freundin auf eine Tasse Kaffee und erzählte ihr die Tragödie.
"Das war doch logisch" sagte die Freundin, "dass all Deine Lieblingsursachen nicht die tatsächliche Ursache sein konnten! Pass mal auf, an die Sache müssen wir systematisch herangehen. Was genau war das Objekt, an dem Du die Flecken festgestellt hast?"
"Die spinnt doch", dachte Fräulein Meier. Doch siehe da, nach zehn Minuten war die Ursache gefunden.
Wisst Ihr, was die Ursache war?
Und als Fachidiot denkt man dann manchmal eben zu "kompliziert". Serpel hat ja völlig recht, dass man mit einem direkteren Ansatz genauso zum Ziel kommt. Und schließlich: Du hast es ja ohne entsprechende Vorkenntnisse durch logisches Kombinieren/Probieren auch gelöst - mindestens genauso beeindruckend!
