Hallo Biker,
heute konnte auch ich endlich mal eine, leider viel zu kurze Probefahrt von 60km mit einer manuell geschaltet AT machen.
Am Frühstückstisch schnell per Email einen Termin vereinbart und dann mit der Q zum HH gefahren, wo die AT schon für mich bereit stand. Zum Glück hat der Verkäufer sich ein endloses Einweisungsgespräch weitestgehend gespart und mir direkt den Schlüssel in die Hand gedrückt.
Als rauf auf den Bock und wie bei der ersten Besichtigung bin ich erneut davon beeindruckt wie leicht sich die 232kg im Stand anfühlen. Das ich von der Optik und Verarbeitung begeistert bin habe ich ja schon öfters geschrieben.
Also Schlüssel rumgedreht und auf den Startknopf gedrückt.... doch was ist das... sitze ich wirklich auf der neuen AT? Ein kurzer Blick auf den Tank bestätigt dies, Africa Twin steht dort in großen Buchstaben. Mhh hab ich mich die letzen Wochen wirklich so oft verlesen, steht das Twin etwa doch nicht für zwei Zylinder oder wieso läuft dieser Motor so sanft und ruhig, praktisch ohne Vibrationen?? Ein kurzer Dreher am Gasgriff... ja es ist ein Zweizylinder, auch wenn sie beim Anlassen nicht so schön bellt wie meine LC und dann sehr vibrationsarm im Standgas läuft.
Also dann 1. Gang rein und los,... aber Moment, ist der wirklich drin? Ich hab garnichts gehört und nichts gespürt?? Ein kurzer Blick ins Cockpit bestätigt dies. Er ist drin! Also los zu Tankstelle und das Bike noch schnell vollgetankt, ich will ja wissen wieviel sie sich auf meiner Probefahrt gönnt. Der erste Versuch den Tageskilometerzähler auf Null zu setze scheitert, erst als ich auf die Idee komme den Motor auszuschalten lässt er sich zurücksetzen. Da hat sich wohl ein übereifriger Entwickler gedacht, dass man sich vom Zurücksetzen des Tageskilometerzählers zu sehr ablenken lassen könnte und hat beschlossen, dass man das nur im stehen machen darf. Ehrlich, find ich doof! Insgesamt ist das Cockpit aber übersichtlich und gut ablesbar. Störende Reflexionen konnte ich nicht feststellen.
Nach dem Tanken ab zu dieser schönen kurvigen Stecke die wir als junge Kerle immer rauf und runter geblasen sind, noch einmal abbiegen dann bin ich da. Doch was ist das, beim setzen des Blinkers bin ich ganz erstaunt wie toll dieser Blinkerschalter funktioniert. Ein klar definierter Druckpunkt, nichts wackelt, alles solide, man spürt das der Blinker an ist und kann sich den Blick aufs Display sparen, wo dies zudem sehr gut sichtbar angezeigt wird. Bei der LC gucke ich nach jedem Blinkvorgang, ob ich den Schalter jetzt abgebrochen habe oder nicht. Von der Beschriftung her sind die Schalter zwar nicht so selbsterklärend wie bei der LC, aber insgesamt machen die Schalter einen deutlich wertigeren Eindruck wie die der LC.
Die ersten Kurven sind nass, also mache ich schön langsam doch dann endlich entfliehe ich dem Schatten und erreiche die erst trocken Kurve. Bedenkt man, dass hier ein 21" Vorderrad verbaut ist lenkt sich sich sehr gut ein. Sie verlangt etwas mehr Kraft am Lenker wie die LC, ist aber m.E. deutlich handlicher wie eine XT660Z oder eine KTM 690 Enduro, die auf auf den gleichen Reifendimensionen unterwegs sind und die beide schon für einige Zeit in meiner Garage standen. In Schräglage verhält sie sich neutral und stabil. Von der maximalen Schräglage war ich mit einem fremden Motorrad und schmierigen Straßen selbstredend weit entfernt.
Ein paar Kilometer weiter habe ich mich mit der AT angefreundet und habe meinen Rhythmus gefunden, bremse, schalte, beschleunige und bin begeistert, alles funktioniert perfekt. Ich sitze sehr gut, näher am Lenker wie bei der LC und für meine 176cm bietet das Windschild guten Schutz. Subjektiv empfinde ich die AT als etwas schwach auf der Brust, was vermutlich auf den direkten Vergleich mit der LC zurück zu führen ist, die ich wenige Minuten vorher noch gefahren bin. Umso erstaunter bin ich, als ich auf den Tacho schaue, bin ich doch durchweg sehr zügig unterwegs, zügiger wie ich meistens mit der GS fahre. Der sanfte Motor, das perfekt arbeitende Getriebe, der im Vergleich zur GS nicht ganz so kernige und subj. etwas leisere Sound lassen die Geschwindigkeit etwas unspektakulärer wirken.
Nach der kurvigen, gut ausgebauten Landstraße geht es auf kleinste Nebenstraßen. Schlechter Belag mit Wellen und Löchern, leider auch nass und dreckig. Aber bei 60 bis 80km/h macht das Fahrwerk auf diesem Belag einen sehr guten Job.
Obwohl ich nur 72kg auf die Waage bringe empfinde ich die Gabel als deutlich zu weich abgestimmt. Hier bestätigt sich der Eindruck, den ich hatte, als ich die AT im Laden gedrückt habe, hinten Okay vorne zu weich. Leider habe ich meinen Schraubenzieher vergessen um zu sehen, ob sich dieses Manko "wegdrehen" lässt.
Eine lange Gerade, weit und breit kein Auto, gute Gelegenheit die Bremsen zu testen. 50km/h Vollbremsung bis in den Regelbreich, die Fuhre steht. Alles prima. Bei 100km/h tauch sie schon verdammt tief ein aber alles bleibt stabil und arbeitet perfekt. Bei 140km/h, meiner Reisegesschwindigkeit auf der BAB, bestärkt dann mein Gefühl, dass die Gabel zu weich ist. Die 230mm Federweg sind im Bruchteil einer Sekunde fast ganz ausgereizt, ohne das die Gabel aber auf Block geht. Wo man bei 100km/h noch spürt wie sein eintaucht sitzt man bei 140km/h in dem Moment in dem man in die Eisen steigt auch schon vorne 20cm tiefer. Aber auch hier bleibt das Bike stabil und es gibt keinerlei Bedenken bezüglich der Sicherheit, es ist lediglich sehr gewöhnungsbedürftig, wenn man GS gewöhnt ist. Mit etwas Glück habe ich in einer Woche Gelegenheit die AT mit DCT zu fahren und dann werde ich meinen Schraubenzieher dabei haben und nachberichten. Zum Thema DCT kann ich jetzt schon eins sagen, die Schalter für das manuelle Hoch- und Runterschalten sind, gerade für Fahrer die die "alte" GS gewöhnt sind, sehr gut positioniert und ein manuelles Schalten dürfte kein Problem sein. Für GS Fahrer könnte es am Anfang jedoch zu ungewollten Gangwechseln vor Kreuzungen kommen.
Noch schnell zur Tankstelle, nochmal volltanken. Hochgerechnet habe ich auf meiner Testrunde 5,5Liter verbraucht, habe dabei etwas Stadtverkehr, kurvige Landstraße, Überholvorgänge, gleichmäßige Streckenabschnitte, schlechte Steckenabschnitte bei Geschwindigkeiten zwischen ca. 60 und 150km/h gefahren. Ich denke bei mir würde sich der Verbrauch im Alltag bei 5,3-5,5 Liter einpendeln und damit etwas weniger wie bei der GS, die ich ich mit 5,8 bis 6,2 fahre.
FAZIT:
Die AT ist eine sehr gute Reiseenduro. Schon nach wenigen Kilometern fühlt man sich wohl und zuhause. So wie Motor und Getriebe arbeitet hat man schon ab dem ersten Meter keinen Zweifel, dass dieses Gefährt einen NIE im Stich lässt. Ich hoffe dies wird sich in naher Zukunft auch so bestätigen. Ein Heizgerät wie die LC es sein kann, wenn man denn will, ist sie nicht aber zum unauffälligem zügigen fahren taugt sie auch sehr gut.
Die für mein Empfinden zu weich abgestimmte Gabel möchte ich hier auch (noch) nicht als Kritikpunkt anführen, da ich glaube, dass sich dieses Manko mit einem Schraubenzieher beseitigen lässt, indem man die Druckstufe zudreht.
Einen richtigen Kritikpunkt habe ich dann aber doch noch, die Fußrasten. Die für den Fahrer sind für meinen Geschmack viel zu klein, bieten nicht genug Aufstandsfläche beim stehend fahren. Die für die Sozia sehen einfach nur billig aus und sind es wahrscheinlich auch. Hier soll wohl einfach dem Zubehörhandel in die Hände gespielt werden. Dafür passt für meine Größe von 177cm die Lenkerhöhe im stehen ganz gut, größere Fahrer müssen wohl auch hier auf einen Erhöhung aus dem Zubehör zurückgreifen.
Ob ich mir eine AT kaufen werde, gute Frage! Dies wird sich nach einer weitern Probefahrt mit der DCT Variante entscheiden und ich muss nochmal in mich gehen und überlegen ob ich in naher Zukunft nochmal eine Tour wie 2015 in Angriff gehe, bei der ich durch Länder wie die Ukraine, Rumänien, Bulgrien und die Türkei gefahren bin und dort auch Offroad unterwegs war. Für die Feierabendbiergartenrunde würde ich wahrscheinlich doch öfters zur LC greifen, vielleicht änder sich diese Meinung nochmal wenn ich die DCT gefahren bin.
Der größte Unterschied zur GS dürfte sein, dass die meisten mit der AT eine langjährige sorgenfreie Beziehung eingehen werden, anstatt nach Ablauf der Garantiezeit getrennte Wege zu gehen, wie es viele mit ihren BMW´s tun. Nicht weil die BMW schlecht ist, nicht weil sie nach der Garantiezeit direkt kaputt gehen, das Gegenteil ist ja meist der Fall.... aber dieses Scheiß Gefühl, dass man hat und nur weg geht wenn man eine neue kauft, ja das hat man mit der AT einfach nicht.