Hallo Gemeinde,
wenn ich diese Abstimmung hier so sehe weis ich garnicht mehr wie ich es in den 80ern überhaupt geschaft habe an´s Ziel zu kommen. Seinerzeit war der Weg noch das Ziel und mal nicht an´s Ziel gekommen zu sein konnte trotzden eine schöne Tour beherbergen.
Die faltbare Landkarte in der Brusttasche oder in dem Tankrucksack. Ansagen nach dem Weg kamen da noch von den Leuten auf der Straße, auf die Frage wo es denn hier wohl langgeht. Mitunter hab ich auch nicht schlecht gestaunt welch merkwürdigen Dialekte, regionale Gasthäuser, tolle Menschen, und sachen die nicht in Reiseführern stehen mir dort begeneten. Viele Fragen nach dem Weg dauerten auch schon mal so lange, dass dabei eine Übernachtung nötig war.
Interessant. Ich bin genau der Gegenpunkt. Ich verfolge die Entwicklung der Kfz-Navigation seit 1984, als ich auf einer Veranstaltung von Blaupunkt war, wo sie den ersten Prototypen ihres Navi-Systems vorgestellt haben. Damals gab es noch kein GPS, und dass es das irgendwann mal geben würde, davon ahnten die Ingenieure nichts. Es gab auch noch keine CD-ROMs, aber dass es die bald geben würde, das wussten die Ingenieure schon. Dennoch musste das Demonstrationsfahrzeug (ein VW-Bus) noch ohne CD-ROM auskommen. Damals hatte das Fahrzeug als Kartendaten das Straßennetz des Stadtgebietes von Hildesheim dabei - auf einen voluminösen Halbleiterspeicher aufgespielt, der angeblich 200.000 Mark gekostet hat.
Ich war damals gerade aus einem kleinen Dorf in eine Großstadt (Berlin) gezogen und litt unter meinem mangelhaft entwickelten Orientierungssinn. Ich habe mich in Berlin permanent verfahren, und zwar so richtig krass, dass ich Stunden gebraucht habe, um ans Ziel zu kommen. Ich habe vier Jahre und etliche tausend Kilometer auf meinem Motorroller gebraucht, bis ich mich in Berlin wirklich auskannte - dann bin ich umgezogen.
Das Interesse an Motorrädern hatte ich damals noch gar nicht. Meine Vespa war einfach nur Fortbewegungsmittel. Aber ich erinnere mich noch an den erschrockenen Blick eines Blaupunkt-Ingenieurs, als ich ihn fragte, ob man sein Navi auch in einen Roller einbauen könnte (konnte man nicht, weil das Navi damals Drehzahlunterschiede zwischen linken und rechten Rädern auswertete, um Kurven zu erkennen).
Viel später, im Jahr 1999, schenkte mir meine Frau einen GPS-Empfänger. ich fand es unendlich faszinierend, dass dieses Gerät weltweit funktionierte, dass es mir - angeschlossen an einen Computer - immer zeigen konnte, wo ich war und dass es mir helfen konnte, im Ausland nachts in das Hotel zurückzufinden, von dem aus ich mich am Tage zu einem Ausflug aufgemacht habe.
Ab 2002 hatte ich dann meinen ersten PDA mit Navi-Software drauf und GPS-Maus dran. Auf einen Schlag verloren Fahrten in fremde Städte ihren Schrecken. ich konnte endlich mal aufhören, jedesmal eine halbe bis ganze Stunde Zeit einzuplanen nur für den Fall, dass ich mich verfahre. Als ich 2006 meinen Motorradführerschein machte, hatte ich bereits ein Smartphone, damals aber noch nicht mit eingebautem GPS. Deshalb steckte dann bald in der Hecktasche meines ersten Motorrades eine GPS-Maus mit Bluetooth, die dem Smartphone sagte, wo wir gerade sind. Ein Jahr später bekam das GPS-lose Smartphone einen Nachfolger mit GPS - es wurde überflüssig, sich andauernd darum zu kümmern, dass die GPS-Maus angeschaltet war und Saft hatte. Dennoch war ich mit der Lösung nicht zufrieden: Dauernd hatte ich Terz mit der Stromversorgung, beim kleinsten Regen beschlug die Plastikhülle von innen, die Ablesung in der Sonne war ein Witz, und Ton via Bluetooth gab es auch nicht, ich musste dauernd mit einem Kopfhörerkabel hantieren.
Aber: Für mich hatten elektronische Karten und Navis schon längst Papierkarten ersetzt, bevor ich überhaupt mit dem Motorradfahren anfing. Ich hatte dann auch bald einen Tankrucksack und habe festgestellt, dass ich weder einen solchen Rucksack vor dem Bauch mag, noch mit irgendwelchen Dokumenten klar komme, die in dessen oberer Klarsichttasche stecken.
2010 waren die Preise für dezidierte Moppednavis so weit runter, dass ich mir mein erstes kaufte, ein TomTom Rider 2. Damals experimentierten viele Leute mit Auto-Navis auf dem Mopped, ich ging den umgekehrten Weg: Ein Moppednavi mit einer zusätzlichen Autohalterung (die nie vernünftig funktioniert hat). Für mich ist das eine ungeheure Erleichterung, denn es ermöglichte mir, mich auf die Straße zu konzentrieren, ohne andauernd aktiv nach dem Weg suchen zu müssen. Ich begann, mit dem Navi zu tricksen: Wenn ich vor der Arbeit noch ein, zwei Stunden Zeit hatte, programmierte ich mein Büro als Zielort ein, fuhr aber einfach ins Blaue. Das Navi rechnete sich 'nen Wolf, um jederzeit eine passende Strecke ins Büro zu berechnen, und es zeigte dabei immer an, wann ich denn dort sein würde, wenn ich jetzt seinen Empfehlungen folgen würde - und wenn beides passte, dann bin ich halt nach Navi ins Büro gefahren.
Heute fahre ich höchstens noch zum Einkaufen oder ins Büro ohne Navi. Fahre ich am Wochenende eine Runde, ist es immer dabei. Meistens eingeschaltet, denn dann zeichnet der Bordcomputer solche netten Gags wie gefahrene Strecke und Schnitt auf. Allerdings: Wenn ich keine Route fahren will, dann schalte ich auch machmal auf Tripmaster-Ansicht, dann sind ein großer Tacho und eine Kompassrose die beherrschenden Elemente auf dem Schirm. Und wenn ich mit Navi fahre, schalte ich oft die Anzeige so ein, dass sie nur dann beleuchtet ist, wenn auch eine Richtungsänderung ansteht. So kann es dann sein, dass ich eine halbe Stunde lang über eine Landstraße fahre, und der Schirm ist schwarz.
Ich will nicht über Leute lästern, die etwas nachtrauern, was es heute kaum noch gibt. Ich habe aber manchmal den Eindruck, dass einige auch darüber traurig sind, dass sie sich viel Know-how erworben haben, das heute komplett überflüssig geworden ist. Wer früher eine Reise durch mehrere Länder mit Karte gemacht hat, der galt als echter Fuchs. Heute plant man mal einen Abend am PC und überlässt den Rest dem Navi am Lenker.
Ich habe (natürlich) auch ein Smartphone, und das benutze ich als Navi im Auto. Dort bin ich aber auch nicht so anspruchsvoll, es soll mir nur den schnellsten Weg zwischen A und B weisen. Da muss das Mopednavi schon mehr können. Papierkarten benutze ich gar nicht mehr. Dafür habe ich dann eher ein Smartphone und/oder ein Tablet mit einer Onboard-Karte dabei.