Man kann allerdings auch Gerichte mit sinnlosen Sachen beschäftigen, haben ja kaum was zu tun...
Eigentlich ist die Erfindung der Ordnungswidrigkeiten deshalb so genial, weil sie strafrechtliche Bagatellen darstellen.
Es braucht dann kein Gericht zur Verfolgung und Ahndung. Stimmt man dem "Vergleich" (Zahlung gegen Straffreiheit) aber nicht zu und legt Widerspruch ein, wird ein Verfahren eröffnet.
Ein Grundsatz für Ermittlungen im Strafrecht ist der Tatverdacht. Die Halterhaftung ersetzt diesen durch die formale Haltereigenschaft.
In der Mehrzahl der Fälle dürfte zwar einfach gezahlt werden (und der Aufwand durch eine Halterhaftung nicht in dem Maße erhöht werden, wie diese Mehreinnahmen beschert), aber ein Widerspruch führt nicht zu einer Verringerung der Strafverfahren, aber insgesamt sehr wohl zu einem Mehraufwand. Denn der Halter muss sich nicht nur sich exkulpieren, sondern auch noch einen Dritten benennen, dem wiederum das Recht zugestanden werden muss, Widerspruch einzulegen.
Nur nachzuweisen, unschuldig zu sein, reicht nicht aus, um einer Bestrafung zu entgehen. Aus einem Tatverdacht wird ggf. eine Tatunterstellung.
Die Halterhaftung gibt es übrigens durchaus bereits in D. Und zwar bei Parkverstößen, die zum Abschleppen vom Privatgrundstück führen. Da hat der Halter zu zahlen, weil er damit die Störung beseitigt (Störerhaftung) und ihm durch Überlassung des Fahrzeugs eine "Geschäftsführung ohne Auftrag" zuzurechnen ist. BGH-Urteil.
Aha, so ist das also mit dem so oft beschworenen Rechtsstaat, eine Frage der Wirtschaftlichkeit und der situativen Auslegung. Für was der alles herhalten muß, der Rechtsstaat.
Das ist das, was die Sache m. E. Ad absurdum führt und was ich kritisiere.
Die Wirtschaftlichkeit spielt eine wichtige Rolle. Das ganze System "Ordnungswidrigkeit" ist darauf ausgelegt. Ausgelöst durch viele Verkehrsregeln, die auch geregelt (und das nicht willkürlich) sein müssen. Wie geschrieben, ermöglicht die Abtrennung des Strafrechts von Bagatellfällen überhaupt erst deren Verfolgung.
Und da grätscht die Halterhaftung gewissermaßen dazwischen, da anstelle der Unschuldsvermutung eine Mitschuld-Unterstellung tritt, der man sich durch Anerkennung (Zahlung) entziehen kann.
Ich glaube nicht, dass zusätzliche Regeln, die zusätzliche unschuldig Schuldige produzieren (und dafür verhindern, viele Schuldige weiter wie bisher davonkommen zu lassen), der Akzeptanz des Rechtssystems langfristigdienlich sind.
Im Gegenteil, dies ist auf Grund des Konfliktpotenzials zu verschiedenen elementaren Rechtsnormen eine Quelle weiterer Regulierungsnotwendigkeiten (Ausnahmen zur Definition des Gültigkeitsbereichs, Verfahrensregeln).
Ich glaube, dass das legale Verurteilen Unschuldiger dem System mehr schadet als das Laufenlassen Schuldiger. In dubio pro reo ist nicht grundlos seit Urzeiten schon ein wesentlicher Grundsatz.
Eine Auskunftspflicht über den Fahrer seitens des Halters halte ich für vertretbar. Aber eine grundsätzliche Halterhaftung? Dass ein Druckmittel, die Auskunft zumindest zu unterstützen, erforderlich ist, ist andererseits auch klar. Eine Beteiligung an den Ermittlungsgebühren ist nicht unbedingt der falsche Weg.
Nur: wenn es in die Richtung geht, dass der Halter die Strafe erhält, weil der Fahrer nicht ermittelt wird (von wem? vom Halter? nicht von der Polizei?), dann ist das ein Irrweg. Und die handwerklichen Fähigkeiten des Gesetzgebers haben in der Vergangenheit nicht unbedingt Grund für viel Vertrauen geliefert.
In der Schweiz wurde auch schon ein Mietwagenverleiher wegen Nichtzahlung eines Tickets der Mieterin aus den USA verurteilt, obwohl er den Vertrag vorgelegt hatte. Das Urteil wurde zwar kassiert, aber zeigt auch, dass durchaus nicht immer mehr Rechtssicherheit entsteht.
too long; didn't read
Geht's auch kurz?
Sorry.