Ich finde bei diesen theoretischen Exkursen immer spannend wie weit die von der Realität weg sind.
Schnuckelige Elektroautochen mit Reichweiten wie damals mit meiner Hercules M5, Zuladung wie im Smart und Fahrleistung/Fahrspaß wie im 1953er Käfer - und das alles zum Preis eines Mittelklassewagens.
Lass mal gucken: Der meistverkaufte Mittelklassewagen in Deutschland ist der VW Passat, der kostet nach Liste ab 26.800 Euro nackt, 30.000 Euro dürften in der Realität eher hinkommen. Für das Geld bekommt man knapp einen VW Golf E (inkl E-Mobil-Prämie). Der Wagen hat eine Reichweite von bis zu 300 km (mehr als deine M5), hat 5 Sitze und einen 300-Liter-Kofferraum, geht von 0 auf 100 in 9,6 Sekunden und läuft Vmax 150 km/h. Ich glaube, der Fahrspaß in deinem 53er Käfer wird durch die Erinnerung etwas verklärt;-)
Alles schick, alles nett, aber wenn ich mir in den Statistiken und auf der Straße ansehe was aktuell gekauft wird dann könnte man von "Diametral" sprechen.
Gestern mal wieder nen i3 gesehen. Aha. Da fällt dann auch gleich auf dass ich den letzten i3 vor....hhhhmmm....wann war das noch gleich - im Straßenbild wahrgenommen habe.
Typische selektive Wahrnehmung. Wenn du dich speziell für ein Auto interessierst (zum Beispiel, weil du selbst so eins fährst), dann hast du plötzlich den Eindruck, dauernd solche Autos zu sehen - anders herum geht das auch. Fakt ist, dass BMW 2017 rund 25.000 i3 gebaut (und verkauft) hat. Seit Präsentation des Wagens vor dreieinhalb Jahren dürften rund 70.000 Stück gebaut worden sein. Das ist gar nicht so wenig. Wenige Motorräder werden in solch großen Stückzahlen gebaut. Natürlich ist der i3 ein Auto, das vor allem in der Stadt Sinn macht. Außerhalb großer Städte ist die i3-Dichte dagegen gering.
Und nein - die E-Autos werden nicht von "der heutigen Jugend" gekauft sondern von alten Säcken mit viel Geld die damit jugendlich rüber kommen wollen.
Das mit dem "jugendlich rüberkommen" ist eine reine Vermutung von dir. E-Autos setzen natürlich heute noch ein gut gefülltes Bankkonto voraus, außerdem eine Wohnung mit Garage, in der ein Stromanschluss liegt. Und besonders verlockend ist ein E-Auto für Leute, die auch sonst sehr auf Nachhaltigkeit achten, zum Beispiel weil sie schon ein Niedrigenergiehaus mit Solaranlage auf dem dach besitzen - das ist nicht gerade "die Jugend", da hast du recht.
Die Jugend selbst fährt, je nach Geldbeutel, Golf 2 mit Euro 2 oder nen nagelneuen GTI von Pappa gesponsert.
Der Golf 2 wurde von 1983 bis 1992 gebaut, die ältesten Modelle haben schon H-Kennzeichen, die jüngeren sind mindestens 25 Jahre alt. Ich weiß ja nicht, in was für einer armen Gegend du wohnst, aber in den meisten Gegenden Deutschlands steigen die Youngster mit was neuerem ein.
Kurz: Du musst mal an deinen Vorurteilen arbeiten;-)
Eins darf man allerdings nicht vergessen: Die meisten Menschen begeistern sich für die Technik, die aktuell war, als sie selbst technisch sozialisiert wurden. Die meisten alten Säcke, die heute noch von Zweitaktmotorrädern schwärmen, haben ihre Sturm- und Drang-Zeit auf so was verbracht. Wer ins Motorradfahren einstieg, als Zweitakter schon durch waren, der vermisst sie nicht mehr. Das wirst du mit vielen Dingen erleben. Dir mag eine Smartphone-Anbindung an fast alle Dinge deines Alltags als überflüssig bis lästig erscheinen, einem jungen Menschen, der ein Leben vor der Einführung des Handys nicht mehr kennt, erscheint dies dagegen völlig selbstverständlich. Es will ja heute von uns auch keiner mehr ein Auto ohne Zentralverriegelung und ohne elektrische Fensterheber mehr fahren, obwohl wir wissen, dass es so was mal gab.
Und noch was: ich lese aus deinen Zeilen eine irrationale Abneigung gegen Elektroautos heraus. Du fährst doch eine BMW. Frag doch das nächste mal beim Händler mal nach einer Probefahrt in einem i3. Das erklärt dann einiges. Das ist so ein bisschen wie mit den Leuten, die sich nie vorstellen konnten, mal eine GS zu fahren - bis sie es einfach mal versucht haben.