Korrektur im Beitrag #19 das drittletzte Bild ist ja gar nicht die Staumauer, fällt mir gerade auf.
Danke Matze, solche individuellen Rückmeldungen sind mir das Salz in der Suppe.
Tag 6 – Mehrmals abgeduscht und dennoch glücklich
Ich schlafe wie ein Murmeltier. Hier oben am Stausee fühle ich mich so wohl und gut aufgehoben. Geweckt werde ich durch das Geräusch, als wenn Wassertropfen auf meine Zeltplane prasseln. Hm, wird wohl stimmen, was ich daraus schließe. Macht aber nix, Zelt ist trocken und ich bin wohl ausgeschlafen. Alles was ich vorerst brauche, befindet sich bereits im Zelt und das Krokodeel draußen freut sich über eine Dusche.
So versuche ich die Wolken mit Musik zu vertreiben. Bin irgendwie froh und erleichtert, über den aufgezwungenen Rhythmuswechsel. Das Wetter zwingt mich zur Ruhe. So versuche ich eine neue Melodie zu entwerfen und daddel ne Zeitlang vor mich hin. Habe mal ein paar von den Sessions aufgenommen. Wen es interessiert, wie sich ein Song aus dem Nix entwickelt, kann sich ja ein paar Videos anschauen. Schon klar, ich nicht jedermanns Sache, diese Art von Musik. Aber der ein oder andere hat es eh schon gemerkt, ich bin ja auch nicht Mainstream.
Ach und schau an, es hat aufgehört zu regnen, die Wiese trocknet langsam ab, die Wolkenfetzen ziehen schnell über die Ebene, das Bild ändert teilweise sich von Minute zu Minute extrem. Eben noch freie Sicht bis zu den gegenüberliegenden Bergen, im nächsten Moment ziehen tiefe Wolken auf, dass alles wieder im fetten Nebel verschwindet und ich nicht mal mehr die Ruinen sehen kann.
Beim kleinen Rundgang sehe ich plötzlich, dass da gleich Schlechtwetter kommt.
Schnell suche ich Zuflucht im Zelt und warte der Dinge, die da kommen.
Eine Minute später ziehen fette Wolken über das Gelände.
Und während ich so Musik mache und eine Session nach der anderen aufnehme, damit ich sie gedanklich behalte, steigt mir immer wieder der intensive Duft von Thymian in die Nase. Das ist mir schon öfters aufgefallen, dass es in den Alpen so würzig riecht, wenn man sich auf die Wiesen setzt. Alles ist voll Tymianpfanzen. Wunderbar und ich beschließe, mir ein kleines Säckchen davon zu sammeln. Jetzt gehe ich auch noch unter die Kräutersammler.
Das ist dieser wohlduftende und würzige Thymiam
Wer ganz genau hinsieht, kann die Elfen und Gnome sehen, die dort leben.
Meine neue Teezeremonie ist, dass ich mir Tee aus frischen Pflanzen mache, die ich vor Ort sammle. Also mal kurz eine Sammelrunde gedreht, Teewasser aufgestellt und nochmal in die Schlaftüte gekrabbelt. Es ist bisschen frisch, aber meiner Stimmung macht das heute nix. Dann mach ich das heute eben mal ganz anders.
Heute gibt es Brennessel und Klee
Nachdem es noch ein paar Mal runtergeduscht hat, scheint es aber dann irgendwann genug geregnet zu haben. Ich baue mein Zelt ab, verstaue mein Graffel, fahre erst mal hoch auf die Staumeuer und überquere diese.
Blick von der Staumauer auf einen meiner Lieblingsplätze.
Voll genial dieses verlassene Dorf (ich verwende absichtlich die deutsche Sprache, nix mit Lostplace)
Eigentlich will ich auf die andere Seite, um die Murmeltiere zu beobachten, aber wenn ich mir meine Fotoserie anschaue, treibe ich oben auf der Landstraße das Seeufer entlang Richtung Lanslebourg. Der See ist zauberhaft. Diese Landschaft, diese Farben und jedes Mal, wenn ich wieder komme, wieder anders, andere Tageszeit, anderes Licht, andere Wolken – Natur pur. Nach dem See geht die Straße noch ein Stück auf gleicher Höhe bleibend, bis sie sich dann superschön runter ins nächste Tal schlengelt.
Dort unten liegt Lanslebourg.
Jetzt sehe ich auch warum es so kühl ist? Dort drüben liegt Schnee. Gut, dass ich das geklärt habe.
Ich nehme mir sogar die Zeit, und gehe in eine Kirche. Echt schön, ich bin ergriffen.
Ich versetze mich gerade in die Zeit, als diese Kirche erbaut wurde. Die meisten Menschen dürften wohl in Hütten aus Holz, Lehm und Stroh oder direkt bei ihrem Vieh gewohnt haben, dort ist es wärmer.
Steinhäuser waren eher selten und wenn dann nur für die Obrigheit, Bürgermeister, Zünfte, Kaufleute und Manufactur. Die normalen Farben im Alltag waren Naturtöne, bei Regen viele verschiedene Brauntöne, Schlamm und Dreck. Und dann betritt man so einen Raum mit der Kuppel, da denkt man doch sofort, von da oben kommt der liebe Gott persönlich angerauscht, dann noch die Düfte von Weihrauch und die Orgelklänge...
Was für eine gigantische Inszenierung - das reinste Spektaculum.
Klar, bleibt jedem, der Mund offen stehen und man glaubt jedes Wort, was vorne erzählt wird, denn der Beweis für die Gottherrrlichkeit wird ja gleich mitgeliefert.
Das das alles vom Zehnt bezahlt ist, soweit können die Leute von damals noch nicht rechnen (jetzt spanne ich doch noch den Bogen zur Modernden - äh Moderne meinte ich) und wer die Sache mit dem Geld auch nur gedacht oder geahnt hat, durfte es nicht aussprechen und sollte sich gar für seine Gedanken. #kommtmirbekannt
Jetzt überleg doch mal weiter, in jedem Dorf in ganz Europa sind den frühesten Angängen der "Zivilation" meistens zwei Kirchen oder Kapellen.
Selbst im verlassensten Winkel wird den Menschen seit jeher die Geschichte vom barmherzigen Hirten erzählt, der uns leitet, alle Schuld von uns nimmt, sie sich selber auflastet usw.
Aber was macht denn so ein Hirte, wenn man genau hinschaut.
Er hütet die Schafe, auf dass es ihnen gut geht. Soweit so gut. Aber was kommt dann?
Das macht er ja nicht aus Nächstenliebe, sondern weil er auch was zum Essen braucht.
Die Schafe bezahlen ihm ja nix für seinen Hirtendienst.
Also führt er seine Schäfchen früher oder später zu dem Mann mit der großen Schere, ist nicht schlimm, den Schäfchen ist eh zu warm...
und oder danach zu dem anderen Mann mit dem großen Messer. Das ist blöd, denn das kann er nur einmal tun pro Schäfchen.
Dieser Teil der Geschichte wird immer verschwiegen.
Aber die Schäfchen sind schon so goldig, wie sie sich immer alle aneinander drücken
und wenn eines anfängt zu blöken, stimmen die anderen mit ein.
Fast wie im richtigen Leben. Wieso fast?
Stört sich hoffentlich jetzt niemand dran, dass ich im Absatz oder drüber
das gendern weg lasse? - Frage für einen Freund.
Nach dem Kirchenbesuch möchte ich noch ein schönes Bild von der Stadt aber von oben machen.
Das ist halt das geile an einer Enduro. Einfach am Ortsende der steilsten Straße folgend immer weiter den Hang rauf. Bald schon endet der Asfalt und es geht auf Schotter weiter. Ich lasse nicht locker, noch passt die Perspektive nicht optimal, also weiter, ich will das perfekte Bild. Hier gibt es keine Verbotsschilder oder sonst was. Einfach drauflos fahren, wie es mir gefällt. Genau mein Ding, drum liebe ich es auch so. Hier die versprochenen Fotos.
So oft stehen sich die beiden Kirchen gegenüber wie die Konkurenz.
Das beste ist, dass ich auch nicht umdrehen muss, um wieder ins Dort zu kommen.
Bin mir sicher, dass dieser Feldweg auch ingendwo ins Dorf mündet.