Man kann lange drüber reden, ob nun Gespann fahren schöner oder weniger schön ist als Motorradfahren, ob es schwieriger ist oder ob es gar gefährlicher ist. Und letztlich auch ob die hier oft genannte Ural das vermittelt, was eingefleischte Gespannfahrer unter Gespann fahren verstehen. Mit 40 PS und einem Leergewicht von ca. 360 kg und einer Reisegeschwindigkeit von ca. 80 km/h (nicht zu verwechseln mit Durchschnittsgeschwindigkeit) bestehen da m. E. durchaus berechtigte Zweifel.
Daß das Gespannfahren was ganz anderes ist, hatte ich ja bereits in meinem Eingangsbeitrag behauptet und mittlerweile auch selbst feststellen können. Daß es anders reagiert und in diesem Sinne für eingefleischte Zweiradfahrer auch gefährlich sein kann, konnte ich selbst miterleben, nachdem ein Übungsteilnehmer in einer zu schnell genommenen Rechtskurve versucht hatte über einen Lenkimpuls gegenzulenken und damit in den Zaun fuhr (auf der Straße wäre das u. U. die Gegenfahrbahn gewesen) der Beiwagen noch weiter abhob und die Kiste letztlich auf der Seite zu liegen kam. Mit der Folge, daß die im Beiwagen sitzende Mitfahrerin rausflog und auf dem Rücken zu liegen kam, um anschließend zur Beobachtung vom RK abgeholt wurde. Am nächsten Tag war zum Glück wieder alles gut. Der Schaden am Übungsgespann von Uli Jacken, weil der hier auch schon genannt wurde, war zumindest so groß, daß eine Weiternutzung für den Kurs nicht mehr möglich war.
Nein, das Risiko besteht, wie allerdings bei jedem Fahrzeug, insbesondere bei einem reinen Zweirad. Dort gibt es halt andere Risiken die fahrtechnisch bedingt sind und die zu schweren Unfällen führen können. Ich denke, daß ich das nicht weiter ausführen muß, da wohl jeder selbst schon so seine Erfahrungen gemacht hat. Dennoch fahren wir, weil es uns Spaß macht.
Zum Thema warum ich mit einem Gespann liebäugle und warum gerade Ural.
Ich bin jemand, der nicht unbedingt 120 PS am Mopped braucht und auch jemand der mittlerweile durchaus etwas zurückhaltender fährt. Die 180 BPM oben am Paß brauche ich nicht mehr, es macht mir durchaus auch Spaß die Kurven mit niedrigeren Geschwindigkeiten zu genießen und den Puls auf Normalmaß zu halten. Auch muß ich nicht ständig Autos mit 120 km/h auf Landstraßen überholen, wenn die schon knapp 100 fahren. Ich bin mehr der Genußfahrer, nicht zu verwechseln mit Blümchenpflücker. Zügig vorankommen, überholen wenn es erforderlich ist und vor allen Dingen wieder gesund nachhause kommen.
So gesehen stört es mich nicht daß die Ural nur 40 PS hat und mit Mühe und Not ihre 100 km/h erreicht. Was mir an der Ural gefällt ist die Reduktion auf das Wesentliche. Das gilt auch für die neuen Maschinen mit Einspritzung ab 2014. Komplett aber ohne viel Schnick-Schnack aber dennoch mit moderner Technik an den Stellen an denen es drauf ankommt. Bremsen, Lichtmaschine, Motor und Einspritzung, Federung/Dämpfung. Der Rest ist nahezu identisch mit dem was auch vor Jahrzehnten gebaut wurde. Inkl. Boot aus Stahlblech. Passen für zwei Kästen Bier oder sonstige Dinge, die man halt als Gespannfahrer so dabei hat und ohne große Probleme wenn der mal aneckt (ohne die Kästen darin). Von ihrer Erscheinung her ist sie als Neufahrzeug deswegen auch einmalig. Und sie ist das einzige Gespann, was heute noch fabrikmäßig gefertigt wird.
Zum Thema Ural/Dnepr:
mittlerweile beschäftige ich mich schon längere Zeit mit dem Thema und insbesondere auch mit den speziellen Modellen. Ein schön zu lesendes, spaßiges und dennoch informatives Buch hierzu hat den Titel: "
Mit Hammer und Schlüssel". Hier wird die Geschichte und die Entwicklung der Gespanne russischer Herkunft genau erläutert. Fest steht, daß die Ural und Dnepr die R71 von BMW als Vorbild hatten, die Russen verfügten auch gemäß Abkommen über die Baupläne, es war allerdings nie eine in Lizenz nachgebaute BMW. Vieles war ähnlich aber nichts war gleich. Das Prinzip war identisch, insbesondere der anfangs seitengesteuerte Boxer-Motor. Es gab zwei Werke, das eine in Irbit (das noch heute bestehende Ural-Werk) und ein Werk in der Ukraine (Dnepr). Das Baukonzept war in beiden Werken ähnlich, das Aussehen der Modelle auch, die Ausführung allerdings nicht. Die Maschinen aus der Ukraine sollen ausgereifter und technisch besser gewesen sein. U. a. mit permanentem Allrad (mit Differential ?, vermutlich). Nach dem Zusammenbruch der UDSSR hatte ein US-Amerikaner mit russischer Abstammung das Ural-Werk übernommen und letztlich zu dem fortgeführt was es heute ist. Das Dnepr-Werk verschwand leider sang- und klanglos.
Mit der Übernahme durch den Investor wurde die Fertigungstechnik und auch die Technik an den Fahrzeugen komplett überarbeitet. Bis zu dem heutigen Stand mit Euro 4 und angeblich gut verarbeiteten und haltbaren Maschinen. Euro 5 soll Mitte des Jahres verfügbar sein. Was zumindest bis Euro 4 geblieben ist, ist der Klang des Motors, der m. E., obwohl Boxer, nur wenig mit dem Klang der hießigen 2V oder 4V-Boxer zu tun hat. Der Klang erzeugt bei mir Gänsehautkribbeln. Nicht übermäßig laut, die Bässe aber passend genau dort wo sie sein müssen.
Das ist meine Sicht auf die Dinge und deswegen interessiere ich mich dafür. Deswegen habe ich allerdings noch lange keine gekauft, das ist mir selbst klar. Aber wenn -und das kann bei mir sehr schnell passieren- weiß ich zumindest schon mal über was ich rede und was auf mich zukommt. Deswegen bin ich Anfang 2021 schon ein ganzes Stück weiter als noch zum Zeitpunkt meines Eingangsbeitrags.
Grüße Thomas