Unser Haushalt verfügt auch über eine Harley. Eine „Fat Boy“ von 1994. Aber bevor zu viel Euphorie aufkommt, ich hasse diese Kiste. Deshalb von Anfang an:
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Der Vater meiner Freundin besaß diese Harley, und krakeelte damit gerne durch den Westerwald. Leider verstarb er vor 8 Jahren früh durch ein böses Krebsleiden. Für meine Freundin war die Harley nach seinem Tod so eine Art personifizierter „Vater in Blech“ – und sie wollte sie unbedingt haben. Da sie (noch) keinen Moped-Führerschein besaß, sollte ich den Trum überführen. Die Maschine stand, bedingt durch eine große Inspektion, noch bei einem Harley Händler im Westerwald. Sie war gerade neu behuft worden, hatte einen Lederriemen mit eingelassenen Zündern von Schrotmunition längs über den Tank, und am Bürzel baumelten lederne Satteltaschen mit Fransen. Eine Kiste für Kerle, die in ihren Stiefeln sterben. Ansonsten wirkte sie wie frisch aus dem Prospekt. So gespannt ich auf diese Fahrt auch war, es war mir unendlich peinlich, auf diesem Gerät gesehen (und vor allem gehört) zu werden. Aber es half ja nix.
Nach ca. 170 km über die verregnete Autobahn war ich zurück auf heimischen Latifundien, und drei Aspekte dieser Reise waren erwähnenswert. Das erste war der Regen, den sie wohl vorher noch nie abbekommen hatte, und für den sie sicher auch nicht konstruiert wurde. Das zweite war der peinliche Fakt, regelmäßig von 40-Tonnern überholt zu werden. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass Harley lediglich 54 PS aus 1340 ccm² Hubraum zieht, und das einem ab 100 km/h die Plomben aus der Brotmühle springen. Mehr wäre jedoch auch verantwortungslos, denn die vordere Einzelscheibenbremse war – obwohl völlig intakt - fast ohne Wirkung. Der dritte Aspekt war der unterhaltsamste. Nach Ende der kurzen Reise fehlten 4 Motorschrauben. Abvibriert, und später für „schlanke“ 96,- EUR beim Aachener Harley Dealer nachgekauft.
Da bei meiner Freundin die Lust auf Moped-Führerschein nach 3 Fahrstunden erlosch, stand dieses Monstrum nur noch auf der Terrasse rum, und raubte meinem Grill seinen Lebensraum. Zur Vermeidung von Standschäden fuhr ich damit einmal pro Monat um meinen Weiler. Nach jeder dieser Fahrten verweigerten alle Kühe aus der Umgebung für Tage die Milchabgabe, und durch die restlos unkommode Sitzhaltung brauchte ich einen Chiropraktiker nebst Kran, um wieder aus dem per Spiralfeder gefederten Sattel zu kommen. Das Ding bot nix, was ich von einem richtigen Motorrad her schätzte. Emotion, Fahrspaß und Lebenslust ersetzt sie durch – infernalischen Lärm. Mehr ist da nicht. Seit dem steht sie zugelassen und versichert bei einem Kumpel auf dem Gnadenhof. Er darf sie fahren, und tut dies ab und an wohl auch. Verkaufen (oder verschenken) geht leider nicht – da hängt zu viel Vater samt Emotionen dran.
Als im Juli 2017 meine Kuh geklaut wurde, litt ich für Wochen wie ein Hund unter dem plötzlichen Motorradentzug. Unter dem Motto: „Besser Harley als Fahrrad“ holte ich sie zur Überbrückung vom Gnadenhof, um mir durch kurze Ausfahrten ein paar Feinde mehr zu machen. An einem sonnigen Sonntag wollte ich zum Treffpunkt einer Ausfahrt des Aachener Stammtischs fahren. Keinesfalls, um daran Teil zu nehmen – sowas geht nicht mit einer Harley in der Eifel – nein, ich wollte nur Tach sagen und mich etwas bedauern lassen. Es kam aber anders. Am Ortsausgang meines Weilers wurde ich von einem Motorradpolizisten angehalten, und zu einer Lärmkontrolle am anderen Ende des Ortes geleitet. Man war sehr freundlich, rieb sich insgeheim aber bereits die Hände. Als schließlich die Lärmmessung begann, kullertem einen der Polizisten vor Lachen die Tränen runter. Der Zeiger des Meßgerätes hing am Anschlag, und so was erlebt man auch in deren Zunft nur selten. Ich sagte Sachen wie...“mir ist das ziemlich peinlich, aber mein richtiges Motorrad wurde unlängst geklaut...mümmel mümmel“. Zum Glück war einer der Polizisten anwesend, bei dem ich meine Diebstahlsanzeige getätigt hatte. Zu meiner großen Überraschung blieb dies alles folgenlos, denn die Kiste war zu alt, um bereits lärmtechnisch homologisiert zu sein. Ich durfte weiter fahren, hatte aber zwischenzeitig die Lust daran verloren.
Jetzt ist sie wieder ein Stehrumchen, und das ist auch gut so. So was gehört nicht auf die Straße, so was gehört unter den Deckmantel der Geschichte, z.B. in Museen für frühgeschichtliche Industrialisierung. Für unsere Zunft sind diese Dinger existenzbedrohend, denn der belästigte Eifelaner unterscheidet nicht zwischen Harley und BMW.
Ich hoffe, ich habe nicht zu viel Gefühle verletzt. Falls doch, so was dies unvermeidlich.