Genau so ist es, solange man nur die Gewichts- und Trägheitskräfte betrachtet. Das Kräfteparallelogramm aus Gewichtskraft, die das Motorrad nach innen umkippen will, Fliehkraft, die das Motorrad aufrichten will und der Resultierenden durch den Reifenaufstandspunkt ist lediglich abhängig vom Schräglagenwinkel, gleichgültig ob er aus langsamer Geschwindigkeit in einer engen Kurve oder aus hoher Geschwindigkeit in einer weiten Kurve resultiert. Da sich das Gewicht von Fahrer plus Motorrad nicht mit der Geschwindigkeit ändert, hängt die zusätzliche Einfederung nur vom Schräglagenwinkel ab, egal bei welcher Geschwindigkeit.
Bei hohen Geschwindigkeiten können aerodynamische Kräfte überlagert sein, die, je nach Lage und Form der Angriffsflächen, ein zusätzliches Einfedern, aber auch ein Ausfedern bewirken können.
Die Herangehensweise, das im Stand oder anhand von Fotos/Zeichnungen abschätzen zu wollen, ist ja ganz interessant.
Ich denke, wie es sich wirklich anfühlt, kannst Du für Dich und Dein eigenes Motorrad nur selbst herausfinden, indem Du z.B. im ersten Schritt ein Schräglagentraining mitmachst, bei dem die Möglichkeit besteht, auf einer Kreisbahn die maximal mögliche Schräglage des eigenen Motorrads zu erfahren. Dann hast Du unter kontrollierten Bedingungen ein Gefühl für das, was geht und wie sich Aufsetzen anfühlt, oder stellst vielleicht fest, daß Du so schräg, daß überhaupt irgendwas aufsetzt, gar nicht fahren möchtest.
Im normalen Verkehr bleibst Du dann z.B. angesichts gegenüber dem Trainingsgelände unklarer Reibwerte der Straße oder unebenem Belag mit Buckeln schon aus Selbsterhaltungstrieb ein Stück weit von den erfahrenen Grenzen weg und alles ist gut.
Wie schon weiter oben von jemand anderem geschrieben, ist das Aufsetzen starrer Teile nicht gleichbedeutend mit Sturz. Mit meiner R100CS habe ich nach einigen tausend Kilometern Gewöhnung vor 35 Jahren regelmäßig die starren Motorschutzbügel aufgesetzt und sie irgendwann demontiert. Danach haben dann die ebenfalls starren Ventildeckel aufgesetzt und ich habe sie vor dem Undichtwerden mit der angeschliffenen Seite nach oben montiert. Das hat nie zu einem Sturz geführt. An meiner R1100S kamen nach den Fußrasten die starren Ventildeckel, für die es sogar Gleitkufen zu kaufen gab. Inzwischen traue ich mich das nicht mehr und mit der GS hat noch nie was aufgesetzt, obwohl der Scorpion Trail II bis auf die Kante gefahren ist (der Anakee III hatte bei gleicher Fahrweise noch einen deutlichen Streifen).
Kann natürlich sein, daß die hochbeinige GS erst viel näher an der Haftgrenze aufsetzt und deshalb das Sturzrisiko beim aufsetzen starrer Teile größer ist, als bei meiner Gummikuh oder der R1100S.