Ich glaube es nicht und wir telefonieren öfters mit dem Lastverteiler. Es bekommt kein Stromkunde mit , was manchmal für Klimmzüge gemacht werden müssen, wenn wir, wegen Prüfungen, die Leistung (auch noch in einem KKW) mal um 100-200 MW absenken müssen. Und wie uns der Lastverteiler auf den Füssen steht, auch ja zum vereinbarten Zeitpunkt wieder mit 100% unterwegs zu sein.
Andersrum nimmt man dankend die Möglichkeit an, wenn mal wieder viel zu viel Wind im Netz ist, einen großen Block des bösen Atoms als Gegengewicht zu nutzen und als maximal schnelles Stellglied die Leistung im Netz zu regulieren.
Der Endverbraucher bekommt von diesen Regularien nix mit ... denkt aber, Strom ist zu jeder Zeit immer verfügbar. Recht hat er. Aber die Verfügbarkeitsdecke ist merklich dünner geworden.
Hallo Zebulon,
das ist alles richtig was Du sagst und kein Mensch der die Zusammenhänge versteht wird dem auch widersprechen können. Zumindest aus heutiger Sicht. Aber das ist halt genau der Punkt. Wir befinden uns derzeit in einem Stadium, in dem wir die Herausforderungen von morgen nicht mit der Technik und den Verfahren von heute bzw. gestern lösen können. Das funktioniert nicht oder nur sehr schlecht und führt zu falschen Schlußfolgerungen.
Hätte ein Visionär vor 100 Jahren gesagt, daß es in naher Zukunft keine Dampfmaschinen mehr gäbe, wäre er zu Recht gefragt worden, wie das in Anbetracht der damals nur leistungsmäßig eingeschränkten Elektromotoren oder Verbrennungskraftmaschinen funktionieren soll. Oder nehme als anderes Beispiel die Mitte der neunziger Jahre eingesetzte Liberalisierung des Strommarktes, bei der alle Energieversorger aufgrund vorhergesagter Investitionsrückgänge einen Rückgang der Versorgungszuverlässigkeit mit der Folge verstärkt auftretender Versorgungsunterbrechungen prophezeit hatten. Nichts davon ist passiert, weil man sich auf die geänderten Situationen eingestellt und auch damit arrangiert hat.
Die bevorstehende Umgestaltung unserer elektrischen Energieversorgung bedeutet erhebliche Investitionen in die Netze, die Erzeugungsanlagen, die Speichertechniken, die Steuerungs- und Regelungstechnik und ein gewaltiges Umdenken in den Köpfen der jetzigen Netzbetreiber, Netzplaner und verständlicherweise auch bei den jetzigen Kraftwerksbetreibern, insbesondere der von Großkraftwerken. Ich wage mal zu behaupten, daß es die Lastverteiler und die Regelzonen, so wie sie heute bestehen, mittel- bis langfristig nicht mehr geben wird (wer kann denn z. B. heute schon sagen, ob es die Eon in 10 Jahren noch geben wird). Aufgrund der notwendigen Automatisierung der Netze, werden die Aufgaben der Lastverteiler deutlich eingeschränkter sein. Die Anforderung von Minutenreserve wird zum Großteil durch intelligente Last- und Erzeugungsmanagementsysteme ersetzt werden, die direkt auf der Verbraucher- und Verteilungsebene eingreifen.
Ich gebe zu, daß das auch für mich derzeit nur schwer vorstellbar ist, habe doch auch ich noch das Erlernte und das Denken von vor 30 Jahren im Kopf. In meiner täglichen Arbeit sehe ich allerdings wie die Entwicklung stetig voranschreitet und welche Sprünge sie dabei macht, so daß wir teilweise Mühe haben hinterher zu kommen. Für jeden der sich derzeit damit beschäftigen darf, macht es Spaß sich diesen Herausforderungen zu stellen und Lösungen zu finden (oder zumindest zu suchen).
Ich gehöre nicht zu denen, die sofort alle Kernkraftwerke abschalten möchten, weil ich ich weiß, daß mit den jetzigen Mitteln nicht funktionieren wird. Im übrigen gilt dies auch für alle anderen Großkraftwerke. Hier ensteht teilweise der Eindruck wir würden unseren Strom nur aus Kernkraft beziehen. Ich gehöre aber zu denen die, insbesondere durch die aktuellen Ereignisse in Japan begründet, überlegen, ob wir die Risiken, wenn auch sehr, sehr niedrig, unserer Gesellschaft noch zumuten möchten und können. Und ich stelle mir vor, was sein würde, hätten wir auch nur in einem Reaktor einen ähnlichen Störfall in Deutschland. Ich behaupte, daß wir hier bürgerkriegsähnliche Zustände bekommen würden und anschließend eine Politik und eine Gesellschaft, die wir so wohl alle nicht wollen. So gesehen ist es besser sich rechtzeitig Gedanken drüber zu machen und die notwendigen Schritte zur Umgestaltung unserer Energieversorgung gezielt und planvoll vorzunehmen.
Gruß Thomas