Schleswig-Holsteins Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis ist tot
Heide Simonis hat Geschichte geschrieben. Als erste Frau übernahm die Sozialdemokratin 1993 die Führung einer Landesregierung in Deutschland.
Das unglückliche Ende ihrer Laufbahn, als sie 2005 in vier Anläufen ihre Wiederwahl zur schleswig-holsteinischen Regierungschefin verpasste, prägte sich ins kollektive Gedächtnis ein und wurde zum Synonym politischen Scheiterns.
Am Mittwoch starb Heide Simonis - acht Tage nach ihrem 80. Geburtstag, wie die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli mitteilte.
Zwölf Jahre lang war Simonis Ministerpräsidentin in Kiel, am 19. Mai 1993 hatte sie Björn Engholm (SPD) abgelöst, der an den Spätfolgen des Barschel-Skandals von 1987 gescheitert war. Zunächst führte Simonis eine SPD-Alleinregierung, von 1996 bis 2005 dann eine rot-grüne Koalition.
Spektakuläres Scheitern der Wiederwahl 2005
Ihre politische Karriere endete spektakulär: Bei der Ministerpräsidentenwahl am 17. März 2005 verweigerte ihr ein Abweichler in vier Durchgängen die Stimme - daran scheiterte ihre Wiederwahl im Landtag. Simonis wollte damals nach einer knapp ausgegangenen Landtagswahl mit einer rot-grünen Minderheitsregierung weiterregieren - unterstützt vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein.
Nachdem dies gescheitert war, übernahm der damalige CDU-Landesvorsitzende Peter Harry Carstensen an der Spitze einer großen Koalition mit der SPD das Ruder in Kiel.
Studierte Volkwirtin
Simonis wurde am 4. Juli 1943 in Bonn als älteste von drei Schwestern geboren. Ihr Studium als Volkswirtin verschlug sie nach Kiel, wo sie ihren Mann Udo kennenlernte. 1967 heiratete das Paar. Nach Auslandsaufenthalten kehrte es Anfang der 70er Jahre nach Kiel zurück, wo die inzwischen in die SPD eingetretene Simonis als Berufsberaterin beim Arbeitsamt arbeitete sowie als Ratsherrin aktiv war.
Streiten mit Wehner: "Immer nur lieb sein - das geht nicht"
Schon bald begann der steile politische Aufstieg. 1976 wurde sie als Abgeordnete in den Bundestag in Bonn gewählt - damals war sie mit 33 Jahren die bis dahin jüngste Parlamentarierin. Unerschrocken legte sie sich selbst mit autoritären Parteigranden wie Herbert Wehner an. Die Lehre aus dieser Zeit fasste sie einmal so zusammen: "Immer nur lieb sein - das geht nicht."
"Frau sein ist kein Handycap"
In einer Zeit, in der traditionelle Geschlechter- und Rollenklischees in Gesellschaft wie Politik noch weitestgehend unhinterfragt galten, wurde Simonis zu einer Pionierin der Emanzipation, auch wenn sie sich nicht als Feministin sah und auch mit Instrumenten wie einer Frauenquote wenig anfangen konnte. "Frau sein ist kein Handycap", soll sie einmal gesagt haben.
Im Bundestag entwickelte sich Simonis zur Haushaltsexpertin, 1988 wechselte sie zurück nach Schleswig-Holstein und wurde Finanzministerin im Kabinett des SPD-Hoffnungsträgers Engholm. Ihre Stunde kam 1993, inmitten höchst turbulenter Zeiten, in denen die Affäre um den CDU-Politiker Uwe Barschel die Kieler Landespolitik im Griff hatte. Ministerpräsident Engholm musste wegen Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss zurücktreten.
Simonis, die auch Vizeregierungschefin war, wurde vom Landtag zur Nachfolgerin gewählt. Dadurch wurde die "Powerfrau der SPD" zur ersten Ministerpräsidentin in der Geschichte der Bundesrepublik. Mit ihr gewann die SPD zweimal in Folge Landtagswahlen - bis sie 2005 scheiterte. Die zutiefst gedemütigte Simonis warf danach alles hin, ihr traumatisches Karriereende verwand sie niemals völlig.
Parkinson-Erkrankung
Zuletzt war es ruhig geworden um Simonis, die bereits vor vielen Jahren ihre Parkinson-Erkrankung publik gemacht und sich allmählich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Ausnahmen gab es in den vergangenen Jahren nur noch wenige. 2014 verlieh der damalige Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) Simonis die Ehrenbürgerwürde des Landes.
"Als Politikerin nie ein Blatt vor den Mund genommen"
Simonis polarisierte, war aber auch beliebt. "Als Politikerin hat sie nie ein Blatt vor den Mund genommen, war aufrecht, offen und immer geradeaus" - so erinnerte sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Mittwoch an Simonis. Er fügte hinzu: "Dafür wurde sie von so vielen Menschen gemocht."
"Persönlichkeit, die Geschichte geschrieben hat"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte Simonis als ein Vorbild für viele in der Politik. "Mit ihrer durchsetzungsstarken Art überzeugte sie schon als junge Bundestagsabgeordnete - auch mich", schrieb Scholz auf Twitter. "Als erste Ministerpräsidentin eines Bundeslandes hat sie Schleswig-Holstein stark geprägt. Wir trauern um sie!" Die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil erklärten: "Mit Heide Simonis verliert die Sozialdemokratie eine bedeutende Persönlichkeit, die Geschichte geschrieben hat."
Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki würdigte Simonis als eine starke Persönlichkeit, eine große Ministerpräsidentin, eine außerordentliche Sozialdemokratin und eine Freundin. Sie habe mit ihrer langjährigen politischen Arbeit Schleswig-Holstein geprägt und das Gewicht des Landes in der Bundespolitik deutlich vergrößert.
Quelle:
BR24