Downunder mit WWBTT.........letzter Teil
…Als Johnny Walker dann wieder ging, kam der Kopfschmerz. Nicht irgendwie besonders heftig, aber lästig und nervend. Dieser übliche, am Tag danach Kopfschmerz, den sicherlich jeder schon erleben durfte.
Der Tag danach, beginnt bekannterweise immer mit dem Morgen danach.
Dieser Platz im Zelt war leer. Der Platz im Zelt, an dem sich üblicherweise Anke befand war leer. Irgendwie wirkte dieser Platz unbenutzt.
Völlig unfähig irgendwelche komplexen Rätsel zu lösen, kroch ich ins Freie. Heller Tag empfing mich. Sonst niemand.
Es war wohl mittlerweile schon Brunchzeit. Das traditionelle Frühstücksbuffet war bereits abgeräumt. Eigentlich mehr ein klassisches Pauschaltouristenproblem.
Also machte ich mich auf die Suche nach dem Spätaufsteherbuffet.
Mir dämmerte langsam, dass wir heute deutlich später losfahren würden. Das war so besprochen worden. Langsam, sehr langsam, näherte ich mich der Frühstückskiste.
Mein Kopf saß unbeweglich und wie festgeschraubt auf meinem Hals. Die Augen brannten und mein Gehör war überaus geräuschempfindlich.
Knut erkannte meine Behinderung und braute mir einen seiner berüchtigten Muntermacher. Damit hatte er früher auch immer den ständig verkaterten Olli reanimiert. Es muss nicht schmecken, es muss helfen.
Hölle, was für ein Gesöff!
Nachdem die abgestürzten Hirnareale sich neu gebootet hatten, nahmen sie auch direkt wieder ihre analytische Arbeit auf.
Wenn sie nicht an ihrem Platz war, wo war sie dann?
Fragen über Fragen.
Martin versuchte einen großen Bogen um mich zu machen. Trotz seiner eleganten Ausweichbewegung griff ich ihn mir. Nur um zu wissen wo der Hase lang lief. Rein aus Neugier.
Er sah mich erschrocken an. Wahrscheinlich beeindruckten ihn meine roten Augen. Ungefragt gab er sofort irgendwelche langatmigen Erklärungen ab.
Mein Schädel brummte immer noch.
Aus seinen Erklärungen konnte ich ein allseits bekanntes Phänomen extrahieren.
Das, was der alte Pastor auch immer verkündete. Dran ist nicht drin … aber auch … schon der Wille zählt.
Ich entschied mich für den ersten Teil. Das reicht.
Immerhin bin ich aus der Kirche ausgetreten.
Angesichts dieser schon fast vergessenen katholischen Grundausbildung entschied ich spontan, diesem meinem Mitbruder, keine aufs Maul zu geben.
Kann ja jeder einmal in Versuchung geraten. Und den ersten Stein werfen … irgendwie fühlte ich mich dazu auch nicht berufen.
Irgendwelche lateinischen Floskeln murmelnd, machte sich Martin aus dem Staub.
Ich habe vergessen welche Fächer er belegt hatte, der Student aus Bayern. Theologie war aber nicht dabei. Logisch, sonst hätte er sich wahrscheinlich eher um Dieter bemüht. Dieser Abstauber.
Rein rechnerisch war ich inzwischen wieder fahrtüchtig. So nach der alten Faustformel,-0,2 Promille pro Stunde, baut eine gesunde Leber ab. Den verbliebenen Rest wird der Fahrtwind schon wegpusten. Also auf, zum Endpunkt der Tour.
Dieser Endpunkt lag etwa zwei Autostunden von Melbourne entfernt.
Ein ehemaliges Farmgelände welches von WWBTT günstig gepachtet worden war.
Eine große Scheune und ein paar rustikale Nebengebäude. Alt aber sauber. Knut hatte eben eigene Maßstäbe, zumindest was Sauberkeit angeht.
Funktional … trifft die Sache eher. Wer es luxuriös braucht, der muss eben eine Kreuzfahrt machen. Recht hat er, der Knut.
Das war also das südliche Basislager. Hier konnten auch größere Reparaturen vorgenommen werden. Am rollenden Material. Die Behelfswerkstatt war komplett ausgestattet. Eine Grube für die Vierräder, Schweißgeräte … alles was der passionierte Mechaniker so braucht.
Das dazu gehörige Gelände war riesig. Für deutsche Verhältnisse jedenfalls. Hier wurde nicht in Hektar sondern in Quadratkilometern gerechnet. Völlig andere Maßstäbe hier unten.
Bis zum großen Abschiedsgrillabend war noch reichlich Zeit. Knut würde einen Hammel auf den Spieß stecken. Das war so Tradition hier.
Wir nutzten die verbleibende Zeit und schwärmten aus um die Gegend zu erkunden.
In kleinen Grüppchen und völlig planlos. Einfach spontan und neugierig.
Ich fuhr gemeinsam mit den beiden Schweizern in ein nahegelegenes Städtchen.
Nichts besonderes, eine Mischung aus englischer und amerikanischer Kleinstadt.
Gemütlich und langweilig. Aber wenn man schon mal hier ist.
Anke war nicht hier. Da ich sie an diesem Tag noch keines Blickes gewürdigt hatte, war sie mit Dieter und Wolfgang unterwegs. Martin war zurückgeblieben. Der hatte zu tun. Davon hatte ich mich vorher überzeugt. Man weiß ja nie!
Der Abend kam und der Hammel brutzelte an seinem Spieß. Die Stimmung war eher gedrückt als locker. Aber das ist wohl normal, kurz vor der Rückkehr ins winterliche, enge Deutschland. Anke schien noch deprimierter zu sein, als der Rest der Truppe.
Jürgen gab Anekdoten über seinen Krankenhausaufenthalt zum Besten und war damit der Entertainer des Abends.
Eva machte auf glückliche Gefährtin, und Jürgen fand das offensichtlich gut.
Anke machte einen traurigen und schuldbewussten Eindruck und das fand ich wiederum gut.
Da es am nächsten Morgen in aller Frühe losgehen sollte, verzog sich die Gruppe ziemlich schnell in ihre Zelte. Ich hatte demonstrativ wieder mein altes Singlezelt aufgestellt. Dies ist niemandem verborgen geblieben. Niemandem!
Die letzten die am Feuer zurückblieben waren …
Martin und ich.
Wir redeten drum herum. Ausdauernd und auf eine passende Gelegenheit wartend, um unsere jeweilige Botschaft anbringen zu können. Die Zeit verrann.
Ich wollte eigentlich nichts hören. Nichts, was irgendwie zur Relativierung der Situation beitragen konnte.
Das Ding war gegessen. Ende und aus.
Irgendwann erhob ich mich um auch im Zelt zu verschwinden. Irgendjemand schlich noch in der Gegend herum. Es war zu dunkel um erkennen zu können wer es war.
Martin unternahm noch einen letzten Anlauf. Ich hatte den Eindruck, als ob er im Auftrag des Herrn unterwegs war. Vielleicht nicht direkt des Herrn, aber sicherlich im Auftrag.
Freundlich aber desinteressiert blockte ich ihn ab und verschwand in meinem Singlezelt.
Irgendjemand tuschelte noch herum. Aber ich schlief dann auch schnell ein.
Schnell und allein. Mein vorbestimmtes Bikerschicksal.
Der Rest ist schnell erzählt. Knut und Martin fuhren uns dann am frühen Morgen zum Flughafen von Melbourne. Außer dem Landcruiser hatten sie noch einen alten Kombi mobilisiert. Die übliche Prozedur. Abschied von den Australiern. Einchecken und die Plätze suchen. Der Jumbo startete pünktlich. Erstes Zwischenziel war Bangkok.
Von dort aus würde es dann direkt nach Frankfurt gehen.
Neben mir hatte sich ein wirklicher fetter Chinese in den Sitz gequetscht. Es war eng, es war ungemütlich und die Stewardessen drohten auch direkt wieder mit Tomatensaft. Ich nahm das entfernt kaffeeähnliche Spülwasser und döste vor mich hin. Nerviges Gequassel weckte mich irgendwann wieder auf. Die Stewardess diskutierte mit meinem Sitznachbarn. Vielleicht hatte er sich über meinen Platzbedarf beschwert. Keine Ahnung!
Jedenfalls quälte sich der chinesische Kollege mit viel Stöhnen und Ächzen aus seinem Sitz und bekam einen neuen Platz am Gang zugewiesen.
Die Stewardess verschwand und kurz darauf hatte ich einen neuen Sitznachbarn. Deutlich schmaler und leichter. Ich öffnete die Augen und erblickte … na, war doch wohl klar…oder!
Keine Ahnung, was sie der Stewardess erzählt hatte. Hat aber funktioniert.
„Amerika ist bestimmt auch toll, oder?“ Anke zeigte auf einen Punkt auf der Flugroutenkarte aus der Sitztasche.
„Hab ich auch gerade drüber nachgedacht!“, erwiderte ich sanft. „Aber du zeigst gerade auf Nordafrika…!“
„ Klugscheißer…!“, fauchte sie und küsste mich.
Was soll man machen. Es geht nicht mit … aber es geht auch nicht ohne.
Ende