Zurück zum Dauertest: Gemäß der "Motorrad"-Testschematik gewinnt ein Motorrad im Dauertest, wenn es keine außerplanmäßigen Ausfälle hat. Die BMW R1200R und die Honda CBR 600F führen mit jeweils 86 Punkten die Liste an, davon entfallen jeweils 30 Zähler auf diese Wertung: Beide sind weder unterwegs liegen geblieben noch haben sie einen außerplanmäßigen Werkstatttermin gebraucht. Schaut man auf die schlechteste BMW im Test, die K1300GT, dann hat die 39 Punkte eingefahren. Allerdings hat sie wegen elf(!) außerplanmäßiger Werkstattbwsuche und vier(!) Pannen unterwegs in dieser Disziplin keinen einzigen Punkt bekommen. Die K1300GT liegt auf Rang 40. Hätte sich die R1200R - wie etwa die Honda CB 1000 im Jahr 2007 - nur einen außerplanmäßigen Werkstattaufenthalt und eine Panne geleistet, dann hätte sie sechs Punkte weniger bekommen und läge jetzt auf Platz 9 - wie die Honda Crosstourer von 2013.
Ich habe ja schon einmal das "Motorrad"-Dauertest-Schema auseinander genommen, weil ich nicht verstanden habe, wieso die R1200GS LC trotz ihres desaströsen Getriebeschadens immer noch ganz manierlich abgeschnitten hat. Damals ist mir aufgefallen, dass BMWs regelmäßig viele Punkte in den Bereichen "Wertverlust" und "Kosten pro km in Cent" einsammeln.
Das ist in diesem Fall nicht ganz so: Der R1200R wurde ein Wertverlust von 42,2 Prozent attestiert, dafür gab es 6 von möglichen 10 Punkten. Es gibt in der gesamten Testtabelle nur ein einziges Motorrad, das in dieser Disziplin alle 10 Punkte holt, das ist die Harley Davidson Road King mit 25%. Interessanterweise gibt es aber eine ganze Reihe von Moppeds, die in Sachen Wertverlust besser abschneiden als die BMW, zum Beispiel die Yamaha XJ6 Diversion, die Honda Crosstourer und die KTM 950 Adventure von 2005. Auch die BMW S1000RR verliert angeblich innerhalb von 50.000 km nur 41 Prozent ihres Wertes und bekommt deshalb in dieser Disziplin 7 Punkte. Alle anderen bislang dauergetesteten BMWs (R1200GS LC, K1300GT, K1200S, F800S) werden mit einem Wertverlust von 42 Prozent angesetzt und bekommen 6 Punkte - bis auf die luftgekühlte BMW R1200GS, die sie 2005 getestet haben. Die hat angeblich auf 50.000 km einen Wertverlust von 50% und bekommt nur 4 Punkte.
Ehrlich gesagt kann ich das ganze nicht so recht nachvollziehen, und eine 1200er GS mit 50.000 km auf der Uhr, die nur noch die Hälfte kostet, die würde ich gern mal sehen.
Just for the Record: In der Disziplin "Wertverlust" schneidet die andere Tabellenführerin, die Honda CB 600 F genauso ab wie die R1200R.
In der Disziplin "Verschleiß/Zustand" gibt es maximal 30 Punkte zu holen, davon kriegt die CB 600F 26, die R1200R einen Punkt weniger. Das halte ich für nachvollziehbar, weil im Motor der R1200R deutliche Verschleißspuren gefunden wurden. Diese Disziplin hat der R1200GS LC damals auch die Show vermasselt, denn sie bekam wegen ihres Motor/Getriebeschadens hier nur 15 Punkte. Hätte die R1200R hier ebenfalls zehn Punkte verloren, läge sie jetzt nicht auf Platz 1, sondern auf Platz 14, gleichauf mit der Triumph Sprint GT - so viel macht das aus.
Ihren einen Punkt Rückstand gegenüber der Honda CB 600 F holt die BMW R1200R bei den Kosten pro km in Cent wieder rein. Hier bekommt sie von 25 möglichen Punkten 20, die Honda kriegt nur 19. Der Spritverbrauch spielt hier übrigens nicht rein, der wird separat bewertet. Die BMW (5,6 Liter/100 km) verbraucht übrigens - trotzt doppeltem Hubraum - im Schnitt 0,2 Liter weniger als die Honda, dennoch bekommen hier beide 5 von 5 möglichen Punkten. Wirklich nachvollziehen kann ich das nicht, denn es gibt wirklich sparsamere Motorräder, zum Beispiel die Honda NC 700 (4 Liter/100) und die BMW F800S (4,8 Liter/100), aber die haben hier auch nicht mehr Punkte bekommen.
Der Programmpunkt "Kosten/Kilometer" enthält also den Spritverbrauch nicht. Er umfasst Reifen, Verschleiß- und Ersatzteile, Inspektionen und Kettensätze. Ich habe den Dauertest der CB 600 F nicht zur Hand, wundere mich aber darüber dass eine teure 1200er angeblich sieben Prozent weniger Kosten pro Kilometer haben soll (7,8 statt 8,3 cent/km) als eine brave 600er von Honda. Einzige Erklärung dafür: Die Honda wird mindestens einen, vielleicht sogar zwei Kettensätze gebraucht haben, die BMW nicht. Was dafür spräche: Vergleichbare 1200er Kardanmoppeds wie die Yamaha Super Teneré und die Honda Crosstourer landen ebenfalls bei unter 8 Cent. Wie es "Motorrad" 2005 allerdings geschafft hat, die chronisch unzuverlässige luftgekühlte R1200 GS (sechs unplanmäßige Werkstattbesuche, zwei Pannen) auf sagenhafte 6,1 Cent pro Kilometer - den besten Wert aller getesteten Motorräder - zu drücken, das wird vermutlich ihr Geheimnis bleiben.
Vergleicht man die Honda CB 600 F allerdings mit anderen japanischen Kettenmoppeds, fallen ihre hohen laufenden Kosten immer noch auf: Die Honda NC 700 S kommt auf 6,5 Cent (drei Punkte mehr), die Suzuki V-Strom 1000 auf 7 Cent (2 Punkte mehr). Andererseits: Die meisten getesteten Motorräder sind pro Kilometer teurer als die CB 600 F: Eine Honda Fireblade kostet 12,9 Cent pro Kilometer, eine Ducati 1199 Panigiale gar 20,1 Cent - fast das Dreifache einer BMW R1200R. Wie allerdings eine Harley Davidson Road King mit 7 Cent pro Kilometer zu bewegen sein soll, verschließt sich mir.
Fazit: Die BMW R1200R scheint die 50.000 km ohne größere Vorkommnisse hinter sich gebracht zu haben. Den Verschleiß im Motor hätte man nicht gemerkt, wenn man ihn nicht auseinandergeschraubt hätte, und vermutlich wäre die BMW noch einige zigtausend Kilometer ohne große Probleme weitergefahren. Dafür gebührt ihr Lob, und deshalb werden die Leute in der BMW-Marketingabteilung in diesem Jahr mehr Glühwein trinken als im vergangenen Jahr.
Dennoch: Wie die Bewertung im Detail zustandegekommen ist, das ist zumindest mir nicht klar.