Ich kann die Aufregung einerseits verstehen. Andererseits bin ich bei solchen Zeitungsartikeln vorsichtig. Man muss genau lesen.
Die Überschrift gibt her, dass die Busfahrerin den ungezogenen Bengel einen "Saubären" genannt hat und dafür nach Einstellung des Strafverfahrens 500 Euro Bußgeld (geht dann an irgendeinen gemeinnützigen Zweck) zahlen musste. Große Aufregung.
Im ersten Satz des Artikels steht allerdings, dass sie den 11-jährigen auch "geschlagen" hat. Und das ist ein ziemlicher Unterschied zu einem im Bayerischen offensichtlich üblichen Umgangston.
Kann man also über den Tatbestand des §185 StGB noch diskutieren, was in Südostdeutschland noch zum normalen Vokabular gehört, so ist das bei §223 StGB ziemlich unstrittig. Das ist eine Straftat. Und das gegenüber einem strafunmündigen 11-jährigen. Sorry. Auch wenn das ein Rotzbengel ist -das unterschreibe ich- das rechtfertigt keine körperliche Mißhandlung.
Im Gegensatz zu §185 ist 223 ist kein Antragsdelikt mehr. Auch hierüber steht nichts in diesem miserabel recherchierten Artikel. Um überhaupt nach 185 einen Strafbefehl erlassen zu können, muss nämlich ein Strafantrag gestellt werden. Gemäß §77 (3) StGB können das nur die Eltern machen. Die sind also genausolche "Saubären" wie dieser Rotzlöffel. Nur steht da nichts davon in dem Artikel.
Insofern kann die 57-jährige noch froh sein, dass das Gericht nicht den Strafrahmen (immerhin bis 5 Jahre Haft) nutzte, sondern das Verfahren einstellte. Im Normalfall wäre die jetzt vorbestraft.
Was mich aber an dem Zeitungsartikel am meisten stört, ist der fehlende Hinweis auf das Aktenzeichen des Urteils, das in jeder halbwegs seriösen Gerichtsberichterstattung zwingend zu nennen ist.
Da könnte man nämlich die Urteilsbegründung und den tatsächlich verhandelten Sachverhalt nachprüfen.
Zudem ist keine Quelle benannt, man weiß also nicht, ob dieser Artikel einer halbwegs seriösen Tageszeitung oder der Yellow Press entnommen wurde.
Vom Schreiberling dieses reisserisch aufgemachten Empörartikels weiß man nur das Kürzel ta.
Das hat mit seriöser Presse wenig zu tun.
Ich würde daher von großer Aufregung abraten und darf meinen Strafrechtsprofessor Dr. Hagen Gülzow zitieren:
"Wer glaubt, dass Recht und Gerechtigkeit auch nur das Geringste miteinander zu tun haben, ist in meinen Vorlesungen fehl am Platz."