12. Tag
Heute fahre ich an einen weiteren Meilenstein meiner Reise. Ans Ende der Welt. Und heute Abend bin ich in der Pilgermesse.
Morgens um 06.00 h ist es ganz still in Santiago de Compostela........hab ich schon erwähnt das ich immer Frühaufsteher bin ?
Aber erst mal ein typisch spanisches Frühstück......aber mit ordentlichem "Zumo ´d Aranja" .
Ich merke heute beim Frühstück das sich etwas verändert hat. Die viele Nachdenkerei so ganz alleine auf dem Motorrad in 11 Tagen.....die vielen Widrigkeiten die ich durchgestanden habe,
die unglaublich bewegenden und tollen Erlebnisse und Stationen auf dieser Reise, die mir sooo viel Freude bereiten.
Die Begegnungen mit Menschen.......
....heute morgen sitzen meine Zimmer-Nachbarn auch am Frühstück. Sie sind Engländer, beide 72 Jahre und sind den Camino Frances von den Pyrenäen die harten 800 km bis nach
Santiago de Compostela gelaufen, in ca. 2 Monaten.
Sie wirken erschöpft und müde. Ich bin mir sicher das sie das auch sind.
Beim small-talk fragen sie mich was ich mache ?
Ich sagte das ich mir schon gute 10 Jahre eigentlich wünschte genau Diesen Camino Frances die 800 km ebenfalls zu wandern. Meine Gesundheit und meine berufliche Situation das nie
zuließen, vorallem mein Übergewicht und die "geschädigte Karosserie" von mir das einfach unmöglich machen.
Ich erzählte Ihnen das ich aber bei meiner Spaßreise wegen einem kalten Bier nach Gibraltar festgestellt habe das ich ja unwissend auf bereits DREI Camino´s war.
Den Camino Aragon habe ich ein Stück verfolgt. Ebenfalls den Camino Andaluz......und jetzt bin ich von Porto nach Santiago auf dem Camino Portugaix gefahren.
Natürlich kann man das nicht vergleichen.
Das ist ja alles ganz easy mit dem Mopped. Moto-Grino ist auch nicht anerkannt. Mir macht das aber nichts aus. Ich bin stolz drauf das ich überhaupt jetzt nach meiner schlechten
gesundheitlichen Situation in 2021 diese Traumreise machen kann. Wenn nicht wandern......dann halt Moto-Grino.
Stolz erzählte ich das ich heute eine kleine Rundfahrt von 200 km bis ans Capo Finisterre, das Ende der Welt machen werde.
Dieses Capo hat bei den Pilgern eine besondere Bedeutung. Es ist von Santiago de Compostela gute 100 km Wanderweg entfernt. Also circa weitere 5 Tage wandern. An diesem
Capo legen die Pilger sehr viele Erinnerungsstücke am Stein-Kreuz ab, sie trennen sich von Dingen aus Ihrem "Alten" Leben und brechen vom Capo Finisterre in ein neues Leben auf.
Als Zeichen für einen neuen Aufbruch, einen neuen Lebensabschnitt verbrennen die Pilger dort Ihre Wanderkleidung oder lassen ihre ausgelatschten, zerfledderten Wanderstiefel dort
stehen.
Das englische Ehepaar hörte mir interessiert zu und erwiderte mir das sie heute ebenfalls zum Capo Finisterre aufbrechen werden, weil sonst ihre Pilgerreise nicht zu Ende ist.
Nach dem Frühstück gingen sie die steile Treppe vom Frühstückszimmer hoch zu den Zimmern.................sie quälten sich sichtlich, Treppen steigen fiel Ihnen sehr schwer.
Sie gingen sehr langsam..........ich schaute Ihnen bewundernd nach.
Mitten in der Treppe hielten sie an, drehten sich um und sagten zu mir: "Wir wünschen Dir einen guten und schönen Weg !"
.....das war für mich so bewegend, selbst jetzt beim schreiben habe ich wirklich einen Klos im Hals und feuchte Augen.
Ich hatte mich gestern beim Gang durch die Gassen zur Kathedrale und beim besichtigen von diesem verschwenderischem Prunk und Gold so aufgeregt.......wirklich aufgeregt.
Ist das Kirche ? Ist das unser katholischer Glaube ? Nein, das ist einfach nur Verschwendung, offensichtlich ohne schlechtes Gewissen, nur Kommerz und Profit. Ich bin mir sicher,
das hat unser Schöpfer nicht so gewollt und beabsichtigt. Das haben die Menschen nach Ihm und in Ihrer eigenen Annahme und Streben nach Reichtum draus gemacht.
Ich war noch nie irgendwo an einem wichtigen Ort wo unser christlicher Glaube so nach außen strahlt. Ich war auch noch nie in Rom und im Vatikan. Nicht in Jerusalem, nicht in Mekka,
auch nicht in Lhasa......aber hier in Santiago........mir macht so ein millionenfacher Kommerz echt Angst. Ich finde das trügerisch und scheinheilig. Was könnte man mit diesem zur
Schau gestellten Reichtum alles gutes tun.....steht das nicht vielfach so in der Bibel und im Alten Testament ?
Natürlich freue ich mich auf die Pilgermesse, auch wenn sie in spanisch abgehalten wird und ich kein einziges Wort verstehen werde. Der Ursprungsgedanke daran ist ja das die Pilger
gewürdigt und belohnt werden, für ihre Strapazen. Es wird jeder Pilger, der in dem Pilgerbüro seine Compostela erhalten hat namentlich genannt, auch von wo er herkommt, dieses
Zeremoniell dauert wirklich lange am Anfang der Messe. Natürlich nur die Pilger die gewandert sind oder mit dem Fahrrad oder Pferd in Santiago ankommen und die gesammelten
Stempel von unterwegs nachweisen können.
Mich Moto-Grino erwähnt niemand. Was ich gemacht habe ist nicht gültig. Für mich ist es gültig. Ich habe den Sinn des Pilgerns erkannt. Ich habe nachgedacht, ich habe Entscheidungen
getroffen, Schluss-Striche gezogen, Veränderungen begonnen. Ich war mir bewusst was bisher in meinem Leben nicht gut gelaufen ist und wie schlecht ich mit meiner Gesundheit und
meinen Mitmenschen zeitweise umgehe.
Wie gesagt............heute morgen beim Frühstück mit den beiden sympathischen Engländern.................da wusste ich das noch nicht. Aber die Zwei haben ganz sicher in diesem
Gespräch dazu beigetragen das mir das heute am Capo Finisterre schlagartig bewusst wurde.
Das Menschliche, das Zwischenmenschliche, die Wärme, die Güte.....vor allem die Ehrlichkeit zwischen Menschen..........das ist der Sinn dieser Reise. Das erkenne ich heute. Das ist der
Sinn meiner Reise.
Es begann mit "Unsinn".......großspurig für ein kaltes Bier auf der Reiseenduro nach Gibraltar, ich Angeber......
Unterwegs erkannt das ich fünfeinhalb Tage die härteste Wetter-Prüfung meiner Moppedlaufbahn durchstehen muss. Die erste Lektion für den "Unsinn".
Belohnt wurde ich dann anschließend, mit unglaublich tollen,spannenden Orten, mit echt sagenhaftem Wetter, ich habe inzwischen eine Freude an dieser Reise.
Und aus dem Unsinn wird heute ein Sinn. Plötzlich hat meine Reise einen Sinn, ich dachte ich fahre einfach nur mal Mopped. Nein.......plötzlich erkenne ich warum ich hier bin.
Am Capo Finisterre........da stehe ich nun......ein Gitarrist spielt .....dieser Ort ist so malerisch,traumhaft....ein blaues Meer unter einem noch blaueren Himmel.......und ich heule.....
nicht aus Traurigkeit,.....nein meine Gefühle sind positiv, sehr positiv. Plötzlich habe ich eine Lösung für meine Lebens- und Gesundheitskrise gefunden.......einfach so beim pilgern...
mein persönlicher Jakobsweg.
Und jetzt belohne ich Euch mit traumhaften Bildern vom Capo Finisterre......