Journalisten, egal welcher Couleur, heulen laut auf, wenn die journalistische Freiheit selbst im geringsten beeinträchtigt wird. Das ist auch i.O.
Daraus ergibt sich aber auch im Umkehrschluss der Anspruch auf eine fehlerfreie Arbeit.
Tut mir leid, aber das ist populistischer Bullshit. Taxifahrer aller Couleur heulen ebenfalls auf, wenn der Spritpreis angehoben wird und sie die Busspur nicht mehr benutzen dürfen. Dennoch hat man keinen Anspruch darauf, dass sich der Taxifahrer nie verfährt.
Journalisten sind heute üblicherweise Akademiker, müssen rödeln wie die Kesselflicker, verdienen wie die Facharbeiter und bekommen moralische Vorhaltungen wie der Papst. Das passt nicht zusammen, und im Fall Ramstetter führt es auch komplett an der Sache vorbei. Warum hat er selbst die Zahlen gefälscht und das Gelüge nicht seiner Anzeigenabteilung überlassen? Na, weil die Publikumsreaktion auf den "Goldenen Engel" ein direkter Nachweis über den Erfolg seiner Arbeit ist. Wenn ich Chefredakteur einer Zeitung wäre und drei Promille aller Leser würden meinem Aufruf folgen, sich an einer Umfrage zu beteiligen, dann wäre entweder die Zeitung scheiße oder die Umfrage scheiße oder beides. Jedenfalls nix, was meine Arbeit als Chefredakteur in ein sonderlich gutes Licht rücken würde. Mein Leistungsnachweis ist die verkaufte Auflage, sonst wenig bis nix. Wenn ich für meine Zielgruppe ein gutes Heft mache und der Vertrieb halbwegs auf Zack ist, dann kommt das Heft an und wird verkauft. Bei einem Mitgliederblatt, das ohnehin in einer bestimmten Auflage verbreitet wird, spielt das keine Rolle. Also: Wonach bemisst sich die Güte von Ramstetters Arbeit? Ich gehe ja mal davon aus, dass kaum einer ADAC-Mitglied wird, weil er dann die Motorwelt gratis kriegt, oder?
Natürlich hat man als Chefredakteur auch ein Auge drauf, dass die Anzeigenkunden Anzeigen schalten. Das ist aber bei frei verkäuflichen Blättern eher sekundär, denn wenn ich es schaffe, eine große Auflage sicher zu stellen, dann kommen die Anzeigenkunden von ganz allein. Schließlich zahlen sie ihr Geld nicht, um mich glücklich zu machen, sondern um sich Reichweite in einer bestimmten Zielgruppe zu kaufen. Bei Mitgliederblättern wie der Motorwelt kann das mit den Anzeigen schon wichtiger sein, schließlich lässt sich die verkaufte Auflage ja nicht einfach steigern, und Leser können auch nicht durch Kündigen ihres Abos Druck machen.
Was man vom Herrn Ramsauer so hört, war er wohl ein recht schwieriger Zeitgenosse, dem die Macht zu Kopf gestiegen ist. Welche Macht? Nun, ich habe mal auf einem Mercedes-Event vor fast 20 Jahren Daimler-Chef Dieter Zetsche getroffen (damals war er noch Mercedes-Nutzfahrzeugchef). Wir haben über den Smart gesprochen, was ich von dem Konzept halte und wie er es sieht. Zetsche erweckte mir gegenüber den Eindruck, als sei er an meiner Meinung ernsthaft interessiert - und wer behauptet, es sei kein gutes Gefühl, wenn er von einem wichtigen Wirtschaftsmanager nach seiner Meinung gefragt wird, der lügt. Man kriegt es hier doch andauernd mit, mit welchem Ehrgeiz Leute darüber diskutieren, was BMW angeblich in seiner Modellpalette falsch macht und was sie stattdessen richtig machen würden. Jetzt stell' dir mal vor, morgen ruft die Pressetante von BMW an und lädt dich nach München ins FIZ ein. Der Motorrad-Chef von BMW würde gern mit dir über die neue Modellstrategie diskutieren und dir einige interessante Prototypen zeigen. Den möchte ich sehen, der auf so was nicht scharf wäre wie Nachbars Lumpi. So, und nun stelle man sich vor, die gesamte deutsche Automobilbranche behandelt einen, als sei man der wichtigste Ansprechpartner, den sie hätten. Damit dir das nicht zu Kopf steigt, da musst du aber schon eine sehr solide Psyche haben. Ramstetter hatte sie angeblich nicht (angeblich, was weiß ich, ich kenn' den Mann nicht persönlich).
Übrigens, für dieses Ranwanzen und "Auf-Augenhöhe-Behandeln" gibt es einen Fachausdruck, er nennt sich "Schmiergeld namens Nähe". Besonders unangenehm wirkt sich das bei manchen Wirtschaftsjournalisten aus. Die sind so gefangen von dem Gefühl, zur Hochfinanz zu gehören, dass sie gar nicht merken, dass sie es in Wirklichkeit gar nicht tun. Dennoch vertreten sie mit Feuereifer die Interessen derer, über die sie schreiben, weniger die Interessen derer, für die sie schreiben. Und es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn dich einer zu einem Segeltörn auf seine Yacht einlädt, die teurer ist als das Mehrfamilienhaus, in dem du eine Wohnung gemietet hast. Andererseits: Manchmal muss man eben bis nachts um zwei mit einem Boss saufen, damit er einem drei Wochen später ein Interview gibt. Und so was kriegt man nicht, wenn man sich immer raus hält.
Das Mediengeschäft läuft in vielen Ebenen anders, als sich das viele vorstellen;-)