destatis.de
Guten Abend !
Die Homepage des Statistischen Bundesamtes - destatis.de - hält eine Vielzahl von Verkehrsunfallstatistiken bereit, die durchaus interessant sind, wenn man sich mit dem Unfallthema mal ein wenig beschäftigen will.
Diese Statistiken kommen so zustande, daß - aufgrund entsprechender gesetzlicher Regelungen - bei Verkehrsunfällen durch die Polizei aufgrund eines Formulars die jeweiligen Daten und Einschätzungen der Polizei zur Unfallursache gemeldet werden. Das hat nichts mit der "offiziellen Akte" zu tun, die Gegenstand eines Bußgeld- oder gar Strafverfahrens werden kann - diesen "Statistikbogen" bekommt man nie zu sehen, auch nicht die Bußgeldbehörde oder der Staatsanwalt.
Ich persönlich sehe keinen Grund diese Art der Erhebung grundsätzlich zu beanstanden. Polizeibeamte der uniformierten "Vollzugspolizei", wie sie im Amtsdeutsch heißt, können grundsätzlich Motorradfahren (es gehört zur Ausbildung) und sehr viele von ihnen tun dies auch in ihrer Freizeit. Polizeibeamte sind - meiner Erfahrung nach - in Motorradfahrerkreisen sogar deutlich "überrepräsentiert".
Diese Statistiken lassen erkennen, daß es 2 Hauptursachen für Unfälle von Motorradfahrern gibt, nämlich
1) Die Vorfahrt des Motorradfahrers wird von einem PKW-Fahrer mißachtet und
2) Fahrfehler des Motorradfahrers (beim sogen. Alleinunfall)
Unfälle, bei denen Motorräder mit LKWs, Bussen oder anderen Fahrzeugen, auch anderen Motorrädern "kämpfen" spielen statistisch ebenso eine untergeordnete Rolle, wie Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern, Fußgängern, Tieren usw ebenso wie Unfälle aufgrund Fahrbahnhindernissen.
Zu diesen Hauptunfallursachen gibt es aus meiner Sicht folgendes anzumerken:
1) Vorfahrtsmißachtung durch PKW
Diese Unfallverursachung entspricht dem geläufigen "Szenespruch": Motorradfahrer töten nicht - Motorradfahrer werden getötet. Das stimmt allerdings so nicht. Richtig ist, daß dem PKW-Fahrer häufig der Vorwurf zu machen ist, viel zu unkonzentriert am Verkehr teilzunehmen, und vor allem nicht speziell auf vorfahrtsberechtigte Motorradfahrer zu achten. Vereinfacht gesagt: der 'Dosist' fährt los, wenn er kein Auto sieht.
Andererseits bin ich der Auffassung, daß auch an diesen Unfällen den Motorradfahrer eine beträchtliche Mitverantwortung zukommen - wenn auch häufig nicht im juristischen Sinne, so doch in jedem Falle im Sinne des berühmten Diktums von Klacks Leverkus: Jeder Sturz ist eine Schande.
Und zwar aus drei Gründen:
a) Eine auch juristisch relevante Mitverursachung von solchen "Vorfahrtsunfällen" besteht häufig darin, daß der vorfahrtsberechtigte Motorradfahrer zu schnell, nicht selten sogar sehr viel zu schnell unterwegs ist. Insbesondere werden Geschwindigkeitsbegrenzungen im Bereich von Einmündungen (meist 70 kmh) gerne mißachtet, weil der Sinn dieser Beschränkungen, nämlich dem wartepflichtigen Verkehr die wahrnehmung des vorfahrtsberechtigten Verkehrs zu ermöglichen, nicht erkannt wird - oder er einfach ignoriert wird.
b) Der Motorradfahrer selbst versäumt es gerne, auf sich in gehöriger Art und Weise aufmerksam zu machen. Das fängt - und hier muß ich vor der eigenen Haustür kehren - mit auffälligen, gut erkennbaren Farben von Motorrad und Schutzbekleidung an (ich liebe in beiden Fällen gedeckte Schwarz- und Grautöne). Aber es gibt auch andere Möglichkeiten wie beispielsweise das "schwänzeln", daß gut geeignet ist, um andere auf sich aufmerksam zu machen, und last not least die Hupe, deren häufige Verwendung ich mir regelrecht antrainiert habe. Diese ist nämlich kein Mittel, um seinem Ärger über eine überstandene Gefahrenlage Luft zu machen, sondern soll vor drohender Gefahr warnen. Und wenn die Oma 10 x aus dem Mittagsschlaf aufgeschreckt wird: wenn in einer Garageneinfahrt ein Fahrzeugheck sichtbar wird, und ich nicht ausschließen kann, daß es nach hinten losfährt oder rollt, dann hupe ich eben - und selbstverständlich bin ich auch bei der Anfahrt auf einen Einmündungsbereich inzwischen stets "hupbereit".
c) Der Motorradfahrer antizipiert die Gefahr durch den vorfahrtswidrig einmündenden oder abbiegenden Dosisten nicht, sondern verlässt sich "stur" auf seine Vorfahrt.
Dabei ist es in den "Standartsituationen" verhältnismässig einfach, das Fehlverhalten des wartepflichtigen Dosisten zu "antizipieren" und sich auf entsprechende Brems- und Ausweichmanöver vorzubereiten bzw. diese im Zweifel auch durchzuführen. Es gibt kaum eine Ausfahrt der letzten Jahre, in denen ich selbst derartige Manöver nicht mindestens einmal, meist häufiger, durchführen mußte.
2) Fahrfehler
Die Statistiken geben keinen genauen Einblick darin, was mit Fahrfehlern gemeint ist. Das kann alles mögliche sein.
Die Beschreibung eines Alleinunfalls an Stammtischen und im Internet beinhaltet sehr häufig eine klassische Formulierung: "Und dann war da plötzlich ..." Rollsplitt in der Kurve, eine Ölspur, ein Ast, eine Radkappe, oder sonst eine "Stolperfalle", und: "ich konnte nichts mehr tun". Jeder von uns kennt derartige Unfallbeschreibungen.
Meist ist sie nichts anderes als das Eingeständnis einer unzureichenden Beobachtung von Strasse, Landschaft und Verkehrsbedingungen, einer der unzureichenden Aufmerksamkeit nicht angepassten Geschwindigkeit und einer mangelhaften oder völlig fehlenden Gefahrenantizipation.
Immer noch gibt es viel zu viele Motorradfahrer, die im "Blindflug" durch die Kurven fahren: "Wenn man hinter jeder Kurve n Ast (oder ein sonstiges Hindernis) auf der Strasse vermuten will, dann kann man gleich Bus fahren!" - Das ist einer der dümmsten und (lebens-)gefährlichen Szene-Sprüche, die ich kenne. Wenn der Verlauf einer Kurve und der Strassenbelag nicht einsichtig ist, die Kurve also "blind" ist - dann muß man aber genau das tun: langsam fahren und jederzeit mit solchen Hindernissen (aber auch z.B. Entgegenkommern auf der eigenen Spur) rechnen.
Ebenso registriere ich eine ungeheuer große Bereitschaft auch von Motorradfahrern, die unseeligen Ablenkungsgeräte, die im PKW allgegenwärtig sind, auch auf dem Motorrad zu installieren: Radio- und Musikanlagen aller Arten, Sprechfunkverbindungen zum Beifahrer oder anderen Fahrern, Telefonieren über handy über entsprechende features an Helm und Maschine - es fehlt eigentlich nur noch der Fernsehempfang über das Navi-Display wie im 7er-BMW.
Eine Risikogruppe ganz eigener Art stellen insofern die "Blümchenpflücker" dar, die sich aufgrund dezidiert langsamer und strikt an der StVO orientierten Fahrweise gegen alle möglichen Gefahren gewappnet fühlen, und ihre Aufmerksamkeit ihren Ablenkungsmaschinen (siehe oben) oder der Landschaftsgafferei widmen zu können glauben - was ein haarsträubender Irrtum ist.
Als einen weiteren, häufig verkannten Risikofaktor sehe ich die Überanstrengung an.
Motorradfahren ist nunmal anstrengend, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Hinzu kommt, daß Motorradfahrer zum dehydrieren neigen - nicht nur durch das lästige Schwitzen im Sommer, sondern auch durch die erhöhte Flüssigkeitsausscheidung aus der Lunge, in die permanent Frischluft mit 2 Atü hineingepresst wird. Deswegen sind regelmässige Pausen zur körperlichen und mentalen Entspannung in hinreichend kurzen Abständen mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr, und auch angepasste Ernährung im übrigen weitaus wichtiger, als sehr viele wahrhaben wollen. "Die Arschbacken zusammenzukneifen", um eine bestimmte, vorgesehene Pausenstation (etwa mit schönem Ausblick), oder ein Etappenziel noch "im Zeitplan" zu erreichen, ist beim Motorradfahren ein enormer Risikofaktor, der durch die Tendenz zu minutiös vorgeplanten Touren, die mit sklavischer Disziplin abgefahren werden, noch verstärkt wird.
Die fahrerischen Kompetenzen jedes Fahrers, der übermüdet, überanstrengt und/oder verkrampft fährt, sinken ins Bodenlose ab. Insbesondere bei Fahrten in Gruppen - "Gruppenzwang" - gibt es gleichwohl eine weitverbreitete Tendenz, die Leistungsfähigkeit bzw. das "Durchhaltevermögen" zu überziehen.
Meine eigene Erfahrung ist es, daß die Maximaldistanz ohne Pause 150 km beträgt - bei mässiger "Marschgeschwindigkeit" auf nicht übermässig anspruchsvoller Strecke. Bei anspruchsvoller Strecke und/oder anspruchsvoller Fahrweise sinkt diese Maximaldistanz auf ca. 70 km.
Gruß
Kroni