Insolvenzantrag haben zwei Touratech-Firmen gestellt: 1. Touratech AG (1 IN 92/17), 2. Touratech Retail GmbH (1 IN 105/17), Verkaufsräume Shop Hamburg und Shop Kassel.
Allgemein gilt für Insolvenzforderungen: Bei Insolvenzverfahren fallen Gläubigerforderungen, die vor dem Eröffnungs-Stichtag entstanden sind, in die Masse. Später entstehende Forderungen - wenn jetzt noch jemand dort auf Vorkasse bestellt - gehen jedenfalls nicht durch das vorher eröffnete Insolvenzverfahren juristisch verloren. Sie können aber de facto verloren gehen, wenn schlicht nicht mehr geliefert wird.
Problematisch ist die Verärgerung der Lieferanten, die mit ihren Forderungen für bereits gelieferte Waren ausfallen. Es liegt auf der Hand, dass von denen keine weiteren Leistungen mehr zu erwarten sind. Touratech hat im Fahrerausrüstungsbereich viel mit veredelten Produkten von Originalherstellern gearbeitet, z.B. Helme von Schubert (Mod/E1), Fahreranzüge von Stadler (Companero/Boreal), Rucksäcken (Zega von Deuter oder Modelle von Ortlieb), Softgepäck von Ortlieb. Ob diese Hersteller weiter an Touratech liefern? Bei Produkten mit großer eigener Fertigungstiefe wie Metallteilen zum Motorschutz oder Alu-Koffern ist die Abhängigkeit zwar prinzipiell auch gegeben, aber der Rohstoffmarkt größer und der Einstandspreis geringer.
Der Insolvenzverwalter wird zu prüfen haben, ob angesichts der alternativen Insolvenzantragskriterien "Überschuldung" und/oder "Liquiditätsmangel" eine Fortsetzung des Unternehmens durch einen Schuldenschnitt möglich ist. Kritisch sehe ich die grundsätzliche Geiz-Mentalität bei vielen Motorradfahrern. Dadurch wurden schon bei anderen Ausrüstungslieferanten wie Hein Gericke und Polo damals Insolvenzen verursacht. Ich selbst bin irritiert, wenn ich einen neuen Shoei GT Air in gängiger Kopfgröße 61 mit Sena-Kommunikationssystem für 20% unter Neupreis auf eBay anbiete und außer dummen Fragen keine Gebote bekomme. Wie gesagt, der Helm ist bis auf eine Probefahrt neu, ohne jeden Fehler und Mangel und wird 20% unter NP verkauft! Wenn ich so manche Beiträge in diesem Forum lese, wo einer wegen 20 ct./Liter Ersparnis sein eigenes Öl zur Inspektion seiner 20.000 € - 1200er mitbringt, bestätigt das diese These. Ich habe mich bei den hochwertigen und wirklich tollen Touratech-Produkten sowieso schon gewundert, wie die ihre Produkte in einer Menge, die die Kosten ihres Systems decken, auf diesem von Geiz geprägten Endkundenmarkt absetzen können. Es ist die mangelnde Wertschätzung für hochwertige Produkte und überhaupt für die gute Arbeit eines anderen speziell in Motorradfahrerkreisen. Neulich hatte sich hier einer darüber aufgeregt, dass ein Motorrad-Reifendienst nicht für weniger als 10 € / Stunde arbeitet. Wenn jeder Urheber der bisher 367 Beiträge zu diesen Thema Touratech-Insolvenz in diesem Jahr für 2.000 € dort eingekauft hätte (ich habe dort 4.000 € umgesetzt), gäbe es dort keine finanziellen Schwierigkeiten.
Herbert Schwarz und Jochen Schanz haben mit "Touratech" etwas ganz Tolles aufgebaut, dem ich von Herzen wünsche, dass sie es fortsetzen können. Nach meinen Erfahrungen mit dem Zielpublikum sehe ich aber schlicht nicht den Markt dafür. Wer bei einem 20.000 € - Motorrad über 10 € bei der Inspektion meckert, ist kein Individuum, das das Touratech-Geschäftsmodell tragen kann.