Weiter mit den Biradialen.
Die Rundenzeiten in Abhängigkeit vom Radius der beiden Halbkreise verraten, wo der eigentlich attraktive Bereich liegen würde:
Ganz links nämlich - bei den ganz schmalen Bahnen! Dort purzeln theoretisch die Rundenzeiten für die geradlinige Verbindung der beiden Pylonen bis zu 12.8 Sekunden. Das ist die absolut schnellste Zeit, die um zwei Pylonen in 100 Meter Distanz voneinander bei 1 g Beschleunigung und ebensolcher Verzögerung erzielt werden kann.
Zumindest theoretisch. Praktisch scheitert das daran, dass das Motorrad nicht auf der Stelle wenden kann. Derjenige, der hier die engsten Kreise mit voller Querbeschleunigung um die Umkehrpunkte zu Stande bringt, hat gewonnen.
Aber gibt es nicht auch Mittel und Wege, die Vorteile der kürzesten Verbindung mit den Vorteilen der guten Fahrbarkeit eines Kreises mit entsprechendem Radius zu verbinden? Das wäre allein schon deswegen von Bedeutung, weil man die Fahrbahnen von Straßen und Rennstrecken nach Möglichkeit nicht verlassen sollte.
Es gibt - wenn auch die theoretische Bestzeit von 12.8 s damit nicht erreicht oder gar unterboten werden kann. Welcher Kurventyp dafür in Frage kommt und wie groß die damit erzielten Rundenzeiten effektiv sind, folgt im nächsten Beitrag.
Gruß
Serpel
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Was ist der tiefere Grund dafür, dass die Biradiale gegenüber der optimalen Lösung so viel langsamer ist?
Das wurde in einem der ersten Beiträge bereits erwähnt, und ich kann es nur wiederholen: weil dabei bereits ganz zu Beginn der Kurve die minimale Geschwindigkeit erreicht sein muss, mit der die Kreisbahn konstant umrundet wird. Einerseits bedingt das sehr frühes Bremsen - also noch auf der Geraden zuvor - und andererseits ein langes Verharren auf dieser Minimalgeschwindigkeit - nämlich den gesamten Halbkreis hindurch. Zudem wirkt die gesamte beschleunigende Kraft stets zum Kurvenmittelpunkt, also speziell im Kurveneingang quer zur Fahrtrichtung und trägt damit in diesem Moment noch nichts zur Umkehrung der Fahrtrichtung (in Richtung der anderen Pylone) bei. Die Umkehrung fließt erst nach und nach bis zum Erreichen des Kurvenscheitelpunkts ein, wobei sie danach bereits wieder allmählich verschwindet und am Kurvenende null ist. Erst dann kann ans Gas gegangen werden und die Fuhre wieder in der "richtigen Richtung" beschleunigt werden.
Wie kann man das verbessern? Man muss dafür sorgen, dass die Kraft möglichst während der gesamten Kurve nur dazu dient, die Fahrtrichtung umzukehren, indem sie nicht senkrecht, sondern parallel zur (gedachten) Verbindungslinie der beiden Pylonen wirkt. Und das nicht nur zu Beginn der Kurve, sondern während der gesamten Kurve. Damit das Motorrad dann allerdings überhaupt noch eine Kurve fährt, ist von einer leicht schräg gestellten Anfangsbedingung der Bahnkurve auszugehen.
Mathematische Kurven, die dieser physikalischen Bedingung genügen, sind - und jetzt kommt’s - genau die Parabeln. Alle, die das bereits genannt haben, waren also auf der richtigen Spur. Aber auch hierbei gibt es ein Problem: Zwei um die Pylonen gelegte Parabelbogen (mit dem Pylon jeweils im Scheitelpunkt) schneiden sich nicht tangential (berühren sich also nicht), sondern unter einem spitzen Winkel. Dieser muss geglättet werden, damit die Kurve überhaupt praktisch umsetzbar ist.
Und genau bei dieser "Glättung" tritt das vorher bei den Halbkreisen beschriebene Problem wieder auf, dass nämlich die beschleunigende Kraft in der falschen Richtung wirkt. Im Unterschied zu den Biradialen aber bei Höchstgeschwindigkeit und nicht bei Minimalgeschwindigkeit, wodurch sich der negative Effekt nicht so stark bemerkbar macht.
Man sieht - auch mit Parabeln ist das Problem noch nicht wirklich oder vollständig gelöst, aber man ist der Lösung einen großen Schritt näher gekommen. Ich hab das mal durchgerechnet für den Fall, dass der minimale Krümmungsradius der Parabelbahn mit dem Krümmungsradius der schmalen Biradialbahn von oben übereinstimmt (6.2 Meter) und zum Vergleich geplottet:
Die Rundenzeit der Parabelbahn beträgt 13.2 Sekunden und ist damit immerhin eine erstaunliche Sekunde oder gute sieben Prozent schneller als die Biradialbahn (14.2 s)! Im Rennsport sind das Welten, und wir haben bereits jetzt den theoretischen Beweis dafür erbracht, warum die Ideallinie eine so große Rolle spiet, wie sie es de facto (in der Praxis) tut.
Gruß
Serpel