und wie alles unterging
4. Akt: Das Beil fällt.
Washington, Winter 2006/07.
Auf der Homepage der US-Notenbank Fed erscheint eine beunruhigende Grafik. Sie zeigt, wie der Markt für kurzfristiges, unbesichertes Geld (sogenante CP = „commercial papers“) von einem Tag auf den anderen senkrecht in die Tiefe fällt.
Das „Aus-kurz-mach‘-lang“-System ist erledigt. Die Banken haben den faulen Braten gerochen. Faul, weil in den USA die Häuserpreise auch nicht mehr steigen, sondern stagnieren und dann in einen immer schnelleren Sturz übergehen. Sie stoppen die gegenseitige Kreditvergabe.
Außerdem können immer mehr Hausbesitzer weder die Zinsen noch die Raten bezahlen. Grund: Seit 29. Juni 2006 liegt der Leitzins der Fed wieder bei 5,25 Prozent. Entsprechend steigen die Hypothekenzinsen.
Als Erste geben die Ärmsten auf, für die bisher das Haus ihre wundersame Geldmaschine war und die ihre Schulden aus laufenden Einkommen nicht mehr bezahlen können. So entsteht im Februar 2007 der Ausdruck „subprime“-Krise, d.h. jene, die unterhalb (sub) der betuchten Schichten („prime“) leben, bieten ihre Häuser zum Verkauf an – vergebens. Schließlich ziehen sie einfach weg – mit unbekanntem Ziel – und werfen den Schlüssel ihres Hauses der Bank in den Briefkasten. Auch José Ramirez gibt sein Haus auf und geht zurück nach Mexiko.
Die privaten Pleiten schlagen natürlich auf die speziellen Wertpapiere durch, die ihrerseits kein Geld mehr abwerfen.
Die Papiere mit der besten Bonität (AAA) fallen von 100 um die Hälfte, schlechtere Papiere (z.B. BBB, BB oder B eingestuft) sogar von 100 auf unter 10. Außerdem werden die „Zweckgesellschaften“ die Papiere überhaupt nicht mehr los. Keine Käufer, der Markt ist tot. Die Verluste werden gigantisch. Die Banken, die für ihre Zweckgesellschaften gerade stehen müssen, kommen jetzt selbst in größte Schwierigkeiten.
5. Akt: Die Große Krise.
Düsseldorf, 20. Juli 2007, ein Montag.
In Deutschland muss sich als erste Bank die „Mittelstandsbank“ IKB erklären. Klartext: Sie sei pleite.
Die Stunde der Geld- und Kreditspezialisten schlägt. Jochen Sanio, Chef der Finanzüberwachung BaFin sagt offen, es drohe „eine Bankenkrise wie 1929“, also zu Beginn der Großen Krise der 1930er-Jahre. Bundesbank-Chef Axel Weber erklärt den „Domino-Effekt“: Weil alle Banken weltweit untereinander verbunden sind, könne die Pleite einer Bank auch weitere Kreditinstitute in den Abgrund reißen. Damit wäre aber das Geldsystem selbst gefährdet, Klartext: Auch die reale Wirtschaft (Fabriken usw.) kämen zum Stillstand.
Fast ist es für die Banken schon zu spät.
Die IKB wird zwar von der staatseigenen KfW gerettet, doch schlagartig tun sich überall neue Löcher auf, vor allem bei den deutschen Landesbanken. Mit Staatsbürgschaften und Steuergeldern können sie mit Ach und Krach gerettet werden. In Großbritannien steht die Bank Northern Rock vor der Pleite, die Kunden stehen Schlange, um ihre Geld abzuheben. Northern Rock wird verstaatlicht. In New York müssen alteingesessene Investmentbanken wie Bear, Stearns oder Merrill Lynch von anderen Banken übernommen werden. Mehr als 200 kleinere Kreditinstitute gehen pleite, die Kunden zahlt der Einlagensicherungsfonds aus. Dann der Bankrott der renommierten Investmentbank Lehman Brothers! Bankaktien stürzen ins Bodenlose. Verluste von bis zu 90 Prozent.
Die beiden größten US-Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac sind ebenfalls insolvent – der Staat übernimmt sie in letzter Sekunde. Weltweit spannen die Regierungen „Rettungsschirme“ für die Banken auf, auch die deutsche. Es ist knapp vor Zwölf. Pleitebanken wie in Island, Irland oder Großbritannien werden ratz, fatz verstaatlicht.
In Deutschland beteiligt sich der Bund über den Bankenrettungsfons SoFFin mit 25 Prozent an der strauchelnden Commerzbank. Selbst in der soliden Schweiz herrscht Untergangsstimmung. Die UBS-Bank, größer Vermögensverwalter der Welt, ist praktisch pleite, wird aber von einer staatlichen Sondergesellschaft mit Milliarden gestützt.
Keine Bank traut mehr der anderen. Wer Geld braucht, muss sich an die zuständige Notenbank wenden.
Die US-Notenbank Fed muss so ihre Bilanz um mehr als eine Billion Dollar verlängern – Geld, das praktisch aus der Notenpresse kommt. Die EU beschließt im Oktober 2008, dass wertlose Papiere (sogenannter Giftmüll, „toxic waste“) in den Bankbilanzen bewertet werden dürfen – auch wenn sie niemand haben will, sie also wertlos sind und abgeschrieben werden müssten. Bisher sollen rund eine Billion (= 1000 Milliarden) Euro abgeschrieben sein.
Die Banken verweigern den Unternehmen die Verlängerung alter Kredite und erst recht die Vergabe neuer. Die Weltwirtschaft kommt zum Stillstand.
Mehr als 30 Staaten sind nun auch offiziell in einer Rezession, ihre Wirtschaftsleistung sinkt. Darunter die ehemaligen Wirtschaftslokomotiven USA, Deutschland, Japan. In einigen Staaten (z.B. Island, Irland, Griechenland) droht der Staatsbankrott Und vor allem: Mehr als 30 Millionen Arbeitsplätze gehen weltweit verloren.
Nachspiel:
Ob die Weltwirtschaft noch einmal „repariert“ werden kann, weiß niemand.Es gibt zwar überall Ankurbelungsprogramme in Milliardenhöhe, in Deutschland schon zwei solcher „Konjunkturpakete“. Eins im November 2008, das 2009/10 Investitionen in Höhe von 50 Mrd. Euro auslösen soll. Dafür wollen Bund, Länder und Gemeinden 32 Milliarden Euro springen lassen.
Das zweite Konjunkturpaket (noch in der Diskussion) soll ein Volumen von 50 Milliarden haben. Ein Päckchen daraus hat schon gezündet: die Abwrackprämie von 2500 Euro.
Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.Der New Yorker Professor Nouriel Roubini schätzt, dass bis zu 3,5 Billionen Dollar (2,7 Billionen Euro) „bereinigt“ werden müssten, bevor es wirklich wieder aufwärts gehen kann.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Alles wird gut (...bestimmt und gaaaaanz sicher)