Du siehst also gerne zu, wie ein stereotyper Macho eine Frau sexuell belästigt. In Vergrößerung.
Das hätten wir dann auch geklärt.
Wir? Du.
Du hast aber hier noch reichlich Stoff.....
Sexuelle Anspielungen
Die von Hitchcock am fertigen Drehbuch vorgenommenen Überarbeitungen sorgten für eine Pointierung der beiden Hauptcharaktere und für eine deutlichere Herausstellung der Liebesgeschichte, bis hin zu eindeutigen sexuellen Anspielungen. In den USA galt zwischen 1934 und 1967 der
Hays Code (oder Production Code), eine Sammlung von konservativen Richtlinien bezüglich der Darstellung von Kriminalität, Gewalt und Sexualität im Film. Die Einhaltung des Hays Code wurde streng überwacht, und kein Regisseur konnte sich ihr entziehen, da jeder Film vor Veröffentlichung der „Production Code Administration“ vorgelegt werden musste. Dies führte dazu, dass zahlreiche Filmemacher im Laufe der Jahre eine Symbolsprache mit versteckten sexuellen Bezügen entwickelten, und gerade
Über den Dächern von Nizza enthält zahlreiche solche Beispiele.
Hitchcock machte bereits Anfang der 1940er-Jahre leidige Erfahrungen mit Hollywoods Zensurbehörde. Ihn reizte es schon immer, die Grenzen des Erlaubten auszuloten und die Sittenwächter zu überlisten. In
Über den Dächern von Nizza sind visuelle und verbale Anspielungen sexueller Art in einer Direktheit enthalten, die alles bis dahin in Hollywood Gekannte überschritt, die die Zensur aber überstanden.
In mehreren Szenen gibt es versteckte sexuelle Anspielungen und Zweideutigkeiten (die nachfolgenden Übersetzungen der englischen Zitate stimmen nicht mit der deutschen Synchronfassung überein):
- Die verliebte Danielle schlägt John vor, gemeinsam nach Südamerika auszuwandern. “Danielle: I have always dreamed of going to South America. The people say it’s virgin country.” (deutsch: „Ich habe gehört, dass Südamerika noch jungfräuliches Land/das Land der Jungfrauen sei.“)
- Beim Picknick an der Klippe sprechen sie vordergründig über Essen. “Kelly: I've never caught a jewel thief before. It's stimulating. […] Do you want a leg or a breast?” (deutsch: „Ich habe noch nie einen Juwelendieb gefangen. Es ist so stimulierend. […] Möchten Sie Bein oder Brust?“).
- Deutlicher ist der Kelly-Grant-Dialog, in dem er ihr darlegt, sie brauche etwas, was er ihr mangels Zeit und Neigung nicht bieten könne, nämlich eine zweiwöchige Hochzeitsreise mit einem richtigen Mann. “Grant: What you need is something I have neither the time nor the inclination to give you. – Kelly: Oh, and just what is that? – Grant: Two weeks with a good man at Niagara Falls.” (deutsch: „Was Sie brauchen, ist etwas, zu dem ich weder Zeit noch Lust habe. – Und was ist das? – Zwei Wochen mit einem richtigen Mann an den Niagarafällen.“)
- In einer Szene unterhalten sich Grant und Kelly über Diamanten und den Wunsch, sie zu berühren und zu besitzen: “Kelly: Look, John. Hold them. Diamonds. Only thing in the world you can't resist. Then tell me you don't know what I'm talking about. Ever had a better offer in your whole life? One with everything? – Grant: I've never had a crazier one. – Kelly: Just as long as you're satisfied. – Grant: You know as well as I do this necklace is imitation. – Kelly: Well, I'm not.” (deutsch: „Greifen Sie zu. Worauf warten Sie? Sie sind kostbar. Juwelen sind doch das Einzige, dem Sie nicht widerstehen können. Und dann sagen Sie mir, dass Sie nicht wissen, wovon ich spreche. Haben Sie schon jemals ein besseres Angebot gehabt? Alles auf einmal? – Jedenfalls nie ein so ausgefallenes. – Nun, hoffentlich sind Sie zufrieden. – Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Collier eine Imitation ist. – Aber ich bin keine.“) Darauf folgt eine Szene, in der sich beide auf dem Sofa sitzend küssen. Diese hätte laut den damaligen scharfen Bestimmungen sexueller Anzüglichkeiten, kurz bevor sich Grant zusammen mit Kelly gegen das Sofa lehnt, geschnitten werden müssen. Hitchcock wollte jedoch keine Kürzung vornehmen und beauftragte den Komponisten, die Filmmusik an der Stelle weniger „suggestiv“, sondern eher leicht „fröhlich-komödiantisch“ zu gestalten. Der Filmeditor George Tomasini musste zudem die Szene mit mehreren Zwischenbildern zum gleichzeitig stattfindenden Feuerwerk verbinden. Die Szene mit geänderter Filmmusik und geändertem Schnitt bestand später die Prüfung und wurde komplett im Film gezeigt.
- Als Grant davon erzählt, dass er Holzhändler sei, erwidert Kelly in Bezug auf sein Treffen mit der jungen Französin “I bet you told her all your trees were Sequoias.” (deutsch: „Ich wette, Sie haben ihr erzählt, alle Ihre Bäume seien Mammutbäume.“), was eine weitere Zweideutigkeit in Bezug auf die Männlichkeit von Grants Figur ergibt. In der deutschen Synchronisation tritt diese Anspielung allerdings nicht so deutlich hervor.
- In einer Szene zwischen Francie Stevens (Kelly) und ihrer Mutter (Landis) schimpft Francie über John Robie (Grant), und ihre Mutter fragt zurück, was er denn von ihr gestohlen habe. Die unbeantwortete Frage der Mutter “Just what did he steal from you?” (deutsch: „Was hat er dir denn schon gestohlen?“) sollte eine Anspielung auf den „Verlust ihrer Unschuld“ sein.