Willkommen zum Grande Finale – des Dramas vorerst letzte Katastrophe.
Heute ist Sonntag. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Nacht war besch…en und beim Hochziehen der Rolläden werde ich geblendet von der Morgensonne.
Ein schoner Tag. Die Sonne scheint und die Vogel singen – vermutlich. Was ich höre und ganz kurz auch sehe, sind zwei Anwärter auf eine Hirnprothese, die auf Ihren Motorrädern die Hauptstraße hier entlangknüppeln. Einmal irgendwas das klingt wie ein um den Faktor 100 zu schnell drehender Lanz-Traktor, dicht gefolgt von irgendwas buntem, das klingt wie eine Mischung aus Laubbläser, Kreissäge mit Asthma und 50er Korea-Roller, verstärkt über eine Karaoke-Anlage vom Lebensmitteldiscounter. Zu sehen war das etwa zwei Sekunden lang, zu hören 10mal so lange. Spätestens jetzt bin ich wach.
Ein Tag der Freude. Vorfreude zumindest. Heute ist der Tag an dem ich etwas machen will, was ich eigentlich noch nicht darf. Ich will Motorrad fahren. Wenigstens ein bisschen. Ich möchte einfach nur mal feststellen, ob das, woran ich jetzt wochenlang gefummelt habe, auch funktioniert.
Ja, es ist noch nicht alles getan. Aber es kribbelt in den Fingern. Ab unter die Dusche und für den Tag fertigmachen. Heute kleiden wir uns mal festlich. Ist ja schließlich Sonntag.
Was will ich damit eigentlich sagen?
Nichts.
Rein in die ollen Mopedklamotten und ab in die Garage. Den Weg zum Bäcker schenke ich mir heute.
Tor auf und rein. Zuerst mal die Kiste nach draußen bugsieren. Geht aufgesessen am einfachsten.
Dachte ich.
Der Bock steht auf dem Hinterrad, wenn auf dem Hauptständer geparkt. Also kippt es erst mal nach vorne und dann muß man nochmal weiterdrücken. Aua. Ich hoffe, mein Arzt liest hier nicht mit. Beim zweiten Versuch erfolgreich. Da ich mit beiden Beinen locker auf die Erde komme, wenn das Motorrad auf seinen Rädern steht, ist der Rest ein Kinderspiel. Rückwärts raus in die Sonne, Seitenständer raus und abstellen. Abstellen. Ja wann denn endlich? Trotz eines schon vorhandenen Gummipuffers unter dem Seitenständer steht die Fuhre noch ordentlich schräg. Da war noch was auf dem Plan… Ja – Lagerbuchse erneuern. Obwohl das alleine auch nicht allzuviel bringen wird. Egal – steht ja. Ein paar Blicke auf ein paar Details… jooohh… sieht ganz ordentlich aus.
Tor zu, Helm auf, Handschuhe an, Zündschlüssel drehen. Sie springt mit gezogener Leerlauferhöhung sofort an. Die Batterie schwächelt allerdings. Das ABS meldet sich mit munterem Wechselblinken.
Anfahren
Klappt ja gut.
Am Bordstein Anhalten, Leerlauf rein. Äääh. Leerlauf bitte! Die Neutralanzeige bleibt dunkel.
Der Blick auf die Ganganzeige im FID sagt „0“. Die grüne Neutralleuchte sagt „Äätsch – nee“.
Kupplung langsam kommen lassen – Das FID hat gewonnen. Leerlauf.
Ok. Notieren. Muß ich mal bei… (kennen wir ja schon)
Straße frei – Anfahren. Madame ruckt nach vorne. Gas weg, zweiter Gang, ruckt wieder beim Gasgeben. Auch wenn vorsichtig. Sanftes Anfahren ist wohl nicht, oder? Einmal auf Touren, schiebt sie aber mächtig. Noch bin ich bei Tempo 50. Kreisverkehr naht. Gas weg, 2. Gang, vorsichtig Gas.. ruckt wieder. Nun denn….
Auf der Landstraße. Tempo 70. Jeiiiiiii was für ein Gefühl. In den höheren Gängen geht alles prima. Lediglich ein leichtes Gefühl der Unsicherheit ist noch da. Man bedenke, das ist das erste mal, daß ich mit dem Teil richtig fahren möchte. Gewichtsmäßig ist die GS nicht schwerer, als meine ehemalige K75. eher noch 10Kg leichter. Aber die erhöhte Sitzposition, der riesige Lenker und das im Vergleich zu einer RT-Verkleidung eher mickrige Windschild geben dem Ganzen doch ein eher ungewohntes Feeling. Also vorsichtig.
10Km Landstraße zum etwas Warmfahren, danach mal auf die Autobahn. Dritter, vierter, fünfter Gang. Das Trum schiebt gefühlt ganz mächtig beim Dreh am Griff. Nicht übertreiben. Tempo 100 ist angesagt. Geht gut, läuft ruhig und stur geradeaus. Mal ein bisschen schneller. 120. Jetzt fängt es am Helm heftig an zu rütteln. Bei 140Km sind die Verwirbelungen so stark, daß ich nicht weiß, ob die Spiegel so vibrieren oder meine Rummsmurmel. Außerdem ist der Winddruck an Armen und Schultern schon ganz heftig.
Ich sollte die Einstellung der Scheibe mal ändern. Außerdem nervt das ABS-Blinken. Der nächste Rastplatz wird angesteuert. Soziussitz runter, Werkzeugfach auf, Inbusschlüssel raus und…
wie, kein 10er Schlüssel da? Hätte man ja vorher mal prüfen können. Die Scheibeneinstellung entfällt also.
Weiter geht’s.
Zündung an.
Ach, gucke da… Neutral grün ist erwacht. Selbstheilung oder internes mutual Agreement mit dem FID? ABS blinkt parallel.. Na schön. Die Batterie hat einen weg. Das wußte ich ja. Schön zu hören, daß sich das ABS initialisiert. Dieses Geräusch nach jedem Anfahren hat mich damals schon bei einer K1100 irritiert. Bis ich mir habe sagen lassen, daß das ABS 2 zwar schneller regelt als das ABS 1, dafür aber eine nette Geräuschkulisse hat. Also wenn das zu hören ist – schön.
Das sanfte Beschleunigen geht nicht. Immer so ein bockiger Ruck. Das schiebe ich mal der noch nicht erfolgten Synchronisation zu. Eingestellt werden muß ja noch.
Ebenso die Leerlaufdrehzahl. Die turnt im warmen Zustand so bei 650 Umdrehungen umeinander. Bisschen wenig. Außerdem zu fett, laut dem gehabten Kerzenbild und dem Auspuff.
Aber sonst…
GEIL! Ich glaube ich habe gerade Spaß.
Famama nach Jüchen. Spaß macht mit Kaffee noch mehr Spaß. Außerdem ist das eine nette Distanz für einen ersten Testausflug. Bis dahin geht auch alles gut. Dort angekommen kommt die Vorbereitung auf Test 2. Die Kiste auf dem Seitenständer stehen lassen. Sie ist schön heiß, die Öltemperaturanzeige hat nicht mehr als 5 Balken angezeigt, was ich für ok halte. Mal gucken, wie es sich nach einer kurzen Pause verhält.
Nur ein schneller Kaffee und dann… werde ich Spott und Häme ernten? Springt sie nicht an oder gibt sie vehemente Rauchzeichen? Im Kopf lege ich mir schon den entsprechenden Kommentar zurecht:
„Das muß so! Wenn’s nicht so ist, isse kaputt!!“
Helm ab zum Gebet hatten wir schon, also jetzt Helm auf zum Start.
Aufsitzen.
Zündung an.
Neutral ist dunkel. FID sagt „0“
Ich rolle das Motorrad rückwärts aus der Parkbucht. 2:0 fürs FID,
Startknopf.
Ohne Choke.
Nach einer Umdrehung läuft sie.
Ohne Rauchzeichen.
Im Geiste geht der Mittelfinger hoch: Spottet Ihr nur (hat aber keiner).
Ich freue mich.
Es geht Richtung Heimat auf die Autobahn. An der Abbiegung anhalten.
Neutral grün ist wieder wach.
Genauso grün wie die Ampel.
Anfahren.
Abgewürgt.
Zum Glück ohne Publikum. Ich bin alleine auf der Straße.
Das mit der Gasannahme muß ich noch in den Griff kriegen.
Der niedrige Leerlauf und das damit verbundene Geschüttel nerven.
Auf der Landstraße nach der Autobahn halte ich an (Neutal grün ist immer noch wach) und begehe eine Todsünde.
Ich habe den Leerlauf mit den beiden Bypass-Schrauben etwas nach oben korrigiert.
Läuft nicht 100% akkurat, aber immerhin recht ruhig bei etwa 1000U/pm.
Ich fahre nach Hause.
Und komme gut an.
Zu Hause habe ich die Zündkerzen mal rausgeschraubt. Die Elektroden waren etwas angelaufen aber blank, der Kreis am Ende des Gewindes, wo sie rauskommen, war schwarz.
Ich denke, um eine Synchronisation komme ich nicht rum. Schaffe ich aber nicht alleine, weil ich nicht alles verstehe.
Da war doch noch was, was wir später sehen werden wollten? Genau - die Undichtigkeiten.
Motoröl-Ablaßschraube --> dicht!
Getriebeöl-Ablaßschraube --> dicht!
Bremspumpe --> dicht!
Mal so zum Abschluß:
Ich bin kein begnadeter Schrauber oder sonderlich guter Motorradfahrer.
Aber ehrlich… ich bin ein bisschen Stolz, wenn ich mir ansehe, was in der letzten Zeit aus dem häßlichen Haufen Altmetall geworden ist.
Nicht perfekt. Noch lange nicht. Aber durchaus brauchbar, denke ich.
Ich hatte heute 110Km Spaß und Freude – auch wenn’s noch nicht zu Ende ist...
Vielen lieben Dank für die Tipps und Wünsche, die ich hier erhalten habe.
Besonderen Dank an BigChrisXXL, ohne dessen freundschaftliche Hilfe ich noch nicht so weit gekommen wäre.
Vielen Dank
Klaus