...wir schrieben das Jahr 1977 und zum zweiten mal gab mir der Beruf die Möglichkeit ferne Länder unter die Räder zu nehmen. Neben einem quitschegelben Datsun wurden zwei Hondas angemietet und fertig war die afrikanische Expeditionsausrüstung. Die Vorstellung in unseren Köpfen war eine einfache, wir wollten so lange fahren, bis uns ein Elefant über den Weg lief....wie gesagt 1977 in Durban SA. Um es vorweg zu nehmen, im tiefsten Rhodesien, heute Simbabwe, war es dann so weit. Lange vorher, noch im Land der tausend Hügel, Kwazulu Homeland, heute Kwazulu-Natal, spielte sich die Begegnung ab, von der ich hier erzählen möchte. Bei der Durchfahrt einer Siedlung entdeckten wir so eine Art Straßenkaffee, dass uns anhalten ließ. Ohne das uns (zwei Jungs, zwei Mädels) etwas auffiel oder nachdenkenswert vorkam, bestellten wir Kaffee und nahmen Platz. Bis zum heutigen Tage können wir uns nicht daran erinnern, dass wir mit unserem Verhalten bei den Schwarzen Anstoß erregten. Die Ansammlung von Bretterhütten, wenig Mauerwerk und viel Wellblech war schon sehr ärmlich und wenig einladend. Nach kurzer Zeit wurden wir von einer Gruppe junger Schwarzer beobachtet, die sich in Steinwurfweite von uns zusammenrotteten. Nichts davon nahmen wir als sonderbar oder etwa bedrohlich war, wiewohl es zweifelsfrei mit unserer Anwesenheit zu tun hatte. Dann näherte sich eine alte Frau, arg gebeugt unter der Last des Brennholzes auf ihrem Rücken. Als sie auf uns aufmerksam wurde blieb sie stehen und wechselte ein paar Worte mit Ihren Leuten, dann ließ sie das Holz fallen und kam zu uns. Ihre Ansprache, wohl in Afrikaans, klang seltsam und blieb unverständlich, also wiederholte sie ihre Frage in Englisch. "Wer seid Ihr und was macht ihr hier?" Unsere Antwort war wohl eine Überraschung und sie drehte sich zu ihren Leuten und rief ihnen etwas zu. In diesem Moment konnten wir deutlich spüren wie sich die Situation entspannte, deeskalierte. Einen Moment später saßen wir alle zusammen und die alte Frau rang mit ihrer Fassung. " Wenn ihr weiße Südafrikaner gewesen wäret, hättet ihr das Dorf nicht lebend verlassen", so ihre Erklärung. Das war so weit weg von unserer Wahrnehmung, das wir es schlechterdings nicht realisierten. Unser Unverständnis, besser unsere Blauäugigkeit, brachten die alte Frau in Verzweiflung. In der dann folgenden (Lehr) Stunde über Kolonialpolitik und Menschenrechte haben uns die Schwarzen mehr als einmal überrascht mit ihrer komplexen Sicht der Dinge. Nun, im Busch herrschte Krieg und wir waren mitten drin...unglaublich. Und das wir das nicht wirklich realisierten war auch unglaublich, für sie. Also erhielten wir den ernsthaften, wohlmeinenden unabdingbar wichtigen Rat:" Wo immer ihr anhaltet, sagt jedem, dass ihr aus Deutschland seit, dann habt ihr keine Probleme". Nun, nicht das wir davon überzeugt gewesen wären, aber als Hommage an die alte Frau haben wir im weiteren Verlauf unserer Elefantentour genau diesen Rat auf das schärfste eingehalten und wir würden heute noch schwören, der Busch war ruhig und friedlich.
Ein Vierteljahrhundert später habe ich die Lebensgeschichte Nelson Mandelas gelesen, der saß damals schon auf Robben Island im Knast, da ist es mir nachträglich, eiskalt den Rücken runter gelaufen. Auf der Tour waren wir tot, wir wussten es nur noch nicht.
cu
CC