Ich bin ja so ein Opfer der alten 125er-Regelung - hatte den 3er irgendwann im März 1980 gemacht. Den 1er hatte ich bewusst vermieden, um ja nie der Verlockung zu erliegen, im Leben je mit einem Motorrad zu fahren.
Bei der Übersiedlung in die Schweiz anno 1997 wurde ich bei der Umschreibung des Fahrausweises auf die Möglichkeit, auch in CH 125er fahren zu dürfen, aufmerksam gemacht. Mit sechs großen Alpenpässen vor der Haustür dachte ich: "Ja, warum denn eigentlich nicht?!" Katalog gekauft, 125er gebrowst, bei der Cagiva Planet hängen geblieben. Händler gesucht, telefonisch bestellt und wenig später auf den Weg gemacht.
Ich kann mich erinnern wie gestern, an die Vorfreude, die Unsicherheit - den Bammel! War noch nie auf einem Motorrad gesessen und hatte keine Ahnung, was mich erwartet. In Schänis bei Schnyder corse stand sie bereit zur Abfahrt. Nach Abwicklung der Formalitäten und kurzer Einführung in die Funktionsweise des Motorrädchens aufgesattelt und los ging’s! Ohne groß zu überlegen auf die Autobahn Richtung Chur. Ups - denn das war ein Fehler!
Konnte ja nicht so einfach umdrehen und schon war ich in der langen Tunnelgalerie am Walensee. Das mit dem Gleichgewicht funktionierte im Halbdunkel noch nicht so richtig und ich war verzweifelt am Ausbalancieren. Aber ich schaffte es - blieb mir ja nix anderes übrig.
Mit zunehmender Fahrstrecke fand ich immer mehr Gefallen an diesem mühelosen Fahren, wo man nur einen Griff drehen muss und von der vollen Kraft von gerade mal 12 PS auf sagenhafte 110 km/h beschleunigt. Ist nicht gelogen - ich empfand das damals als sensationell schnell! Und sensationell gefährlich natürlich!
In Tiefencastell musste ich Pause machen - war mit der Kraft am Ende und die Knie waren puddingweich. Das war wohl doch nix für mich und ich hatte mich überschätzt. War zu übermütig und leichtfertig an die Sache herangegangen. Der Entschluss, den Kauf rückgängig zu machen (natürlich mit Verlust), stand eigentlich schon fest. Aber noch musste ich irgendwie nach Hause kommen.
Weiß nicht mehr, welchen Pass ich gefahren bin - Julier oder Albula -, aber irgendwie ging’s nach einem Schokoriegel und Kaffee dann wieder besser. Am Ende der Geschichte war es keine Frage, dass ich die 125er-Zeit zu Ende fahre, um schließlich den "Großen" zu machen.
An der 125er Zeit habe ich rückblickend nix auszusetzen, außer dass ich mir passaufwärts immer vorkam wie der letzte Trottel, wenn die Kiste keine 70 lief. Auch im Tal unten bei Gegenwind lagen die 80 oft nicht drin. Und 120 auf der Bahn konnte ich getrost vergessen. Da war der Windschatten eines vorausfahrenden LKW stets hilfreich.
Gefährliche Situationen gab es auch, aber die hätte es auch mit voll korrekter Fahrausbildung gegeben. Das sind Sachen, wo jeder Motorradfahrer am Anfang seiner Karriere einfach durch muss.
Gruß
Serpel