Habe mir aber ernsthaft vorgenommen, das Ding mal für einen Tag zu mieten.
Sodele, ein Mann ein Wort
Anfang der Woche ob des als gut vorausgesagten Wetters am Donnerstag kurzfristig einen Tag Urlaub genommen und die Niken gemietet.
Online - Abwicklung beim Limbächer, ein riesiger Mehrmarkenhändler im Raum Stuttgart, Tags zuvor abgewickelt, war soweit ok.
Also, angekommen, meine Reiseenduro "für Arme" (V-Strom 650) abgestellt und rein.
Überraschend freundliches Personal, die, noch viel überraschender, sofort Bescheid wussten und entsprechend vorbereitet waren
Das es sowas noch gibt....ein dickes Danke dafür!
Den alten Grauen hergezeigt, flugs den Vertrag unterschrieben (mehrseitig, ich hatte nicht vor, den ganzen Laden zu kaufen
),
und raus zum Dreirädrigen.
Kurzanweisung genügte, war die 900er Tracer schon mal gefahren.
Erstkontakt, Optik:
Nun ja, was soll man sagen.
Modern-futuristisch-aggressiv - radikal. Quasi das Gegenteil der Guzzi V85.
Natürlich Geschmackssache wie immer, solange man die Guzzi schöner findet
In echt vorne nicht ganz so massiv wie auf den Bildern, dennoch wirkt alles anfänglich recht frontlastig.
Mit Schwung das rechte Bein über die Sitzbank geschwungen, und schwupps, schon war in den Nylon - Köfferchen (es handelte sich um die Niken "GT" mit Sonderausstattung) die 39ste Stiefel-Schleifspur.
Danke an die 38 Benutzer vor mir, muß ich wenigstens kein schlechtes Gewissen haben.
Motor an, der Drilling brummelt recht sonor vor sich hin.
Die ersten Meter, natürlich vor Publikum, die Drehzahl steigt und steigt, die Geschwindigkeit kaum.
Verfluchte Hacke, die Kupplung kommt, am eh schon weit abgespreizten Hebel (haben alle Testfahrer dieser Welt XXXXL Pranken?),
auf den letzten 2 Millimetern. Wie ich das hasse.
Ein Fahrschul - Aufkleber wäre in dieser Situation angebracht gewesen
Die ersten Schlenker und Bremsungen, noch auf dem Hof. Ah ja, wie ein Motorrad. Etwas indirekter, aber nicht schwergängig.
Mit Schwung raus und ab auf die Strasse. Die Drehzahl stimmt diesmal, muß meine Ehre retten.
Motor:
Gehe nur wenig drauf ein, es handelt sich ja um den bekannten und bewährten 850er Drilling aus der MT 09.
In der Tat befindet er sich vom Feeling, von der Leistungsabgabe und dem Sound irgendwo zwischen einem eher etwas rappeligem
(V-) Zweizylinder und einem säuselnden Vierer.
Klasse Landstraßenmotor, kann sowohl im Fünften in der Stadt als auch in kreischend/ fauchend in fünfstelligen Drehzahlbereichen
gefahren werden.
Sound für mich ok, Leistung völlig ausreichend, wenngleich man bei der ein - oder anderen Durchzugssituation doch merkt, daß er mit dem Gewicht der Niken manchmal leicht zu kämpfen hat. Ihr wisst ja, jammern auf hohem.....
Ab auf die Bahn, kurze Anfahrt zum Albaufstieg.
Windschutz ist vorhanden, mit Scheibe in Grundstellung (nur mit WZ verstellbar) die üblichen Verwirbelungen.
Mal hochziehen, der Motor hat bereit knapp 1.200km auf der Uhr.
Bei Tacho 200 liegt das Dreirad für Erwachsene noch stabil. Ich lasse gut sein, nicht meine Welt.
Sitzposition und Komfort:
Mittel bis gut (bin 1,76 m), leicht sportlicher im Kniewinkel wie eine Reiseenduro.
Die GT Komfortsitzbank verdient ihren Namen zurecht, allerdings rutsch ich, wie bei fast allen Moppeds mit Einzelsitzen, immer ungewollt vor Richtung Tank.
Muß das so?
Das hintere Federbein könnte durchaus etwas feinfühliger ansprechen, auch dieses trockene Weitergeben von leichten Stößen
(Kanaldeckel, Flickstrasse etc.) an das leidgeplagte Kreuz scheint heute im Namen der Sportlichkeit und der Kosten normal zu sein.
Die Sitzbank federt aber einiges davon wieder ab.
Jetzt aber, das dritte Rad:
Runter von der Bahn, Weilheim Teck, Hepsisau, Ochsenwang, Schopfloch. Schwaben wissen Bescheid, alle anderen jetzt auch
Erst noch mit etwas Respekt nehme ich die ersten Kurven. Ja etwas mehr Masse ist da, aber nicht wirklich störend.
Erste Spitzkehren, hoppala, geht gut, auch im engen Radius. Sehr gut sogar!
Die zwei Räder bauen einfach mehr Grip auf, das merkt man recht schnell.
Insbesondere bei schlechteren Strassen mit allen Unbilden für uns Motorradfahrer (Flickstellen, Aufwerfungen, Schlaglöcher, nasse Flecken, Steinchen oder Blätter, ......... etc) ist das Fahrverhalten erstaunlich und erstmal ungewohnt, da das zweite Rad diese
Problemzonen quasi mit ausbügelt und es nicht zu den bekannten (befürchteten) Reaktionen der Front kommt.
Ein leichtes "wie auf Schienen" Gefühl macht sich breit. Die Schräglage und das Vertrauen steigen von Kilometer zu Kilometer.
Ich erwische mich dabei, in Schräglage absichtlich schlechte oder rutschig aussehende Stellen mit einem Rad mitzunehmen.
Es passiert genau gar nix, das Schienengefühl verfestigt sich. Lecko mio, das Ding macht auf solchen Strecken (fast) soviel Spaß wie mein österreichischer Herzog. Das "fast", weil 90 Kilo Mehrgewicht nicht aufzuwiegen sind.
An die Grenze der Ackermann-Lenkung (sollen wohl 45° sein) oder zum Schleifen der Rasten komme ich, trotz recht ambitionierter Fahrweise, nicht.
Ein bisschen Reserve bleibt, ist ja auch nicht mein Fahrzeug.
Jammern (auf hohem...)
Zeitgenössisches Mäusekino mit gefühlt 1000 Zahlen und Anzeigen, überfordert mich bzw. interessiert mich nicht.
Was an einer ständig digital hin - und her hüpfenden Geschwindigkeitsanzeige, die Ziffern in zahllose kleine "Blöcke" aufgeteilt, fortschrittlich sein soll, erschließt sich mir nicht.
Das spröde Federbein wurde genannt, Öhlins wird sich freuen.
Die beste Sozia von allen, allerdings sind wir keine 20 (oder 50
) mehr, hatte nach nur kurzer Mitnahme genug und sehnte sich die kleine V-Strom zurück.
Die Serienhebelagen der Hersteller sind billig, und genau das merkt man auch.
Rückspiegelslalom zwischen den Autos durch nur bedingt möglich.
Alles nix Wildes.
Fazit:
Die Niken hat 3 Räder.
Sie ist aber kein Gespann, kein Trike oder eine sonstige, kurvenunwillige Konstruktion.
Allen Unkenrufen zum Trotz (typisch deutsch) sie ein richtiges Motorrad. Ein sehr gutes sogar.
Die fahrdynamischen Prozesse des Motorradfahrens sind vollständig vorhanden, mit Schräglage und allem was so dazugehört.
Das vielbeschriebene Vertrauen in die Front ist ausgeprägt spürbar und lässt einen mit einem Lächeln im Gesicht zurück.
Ich kann jedem Freund motorisierter Einspurfahrzeuge, der keine Scheuklappen trägt, eine Probefahrt nur wärmstens ans Herz legen.
Und Yamaha viel Erfolg wünschen, daß sich dieses tolle Konzept zumindest als Nische etabliert.
Bilder, wie immer nur Handyschnappschüsse ohne Qualitätsanspruch:
Ciao
Alex