Hallo,
dann hake ich doch mal nach.
Allgemein:
Spielen wir doch mal den Fall mit einem Halbschalenhelm durch. Also:
1.) Rocker auf klappernder Harley mit Vorkriegstechnik wird vom Bock gefahren, der hat natürlich wie 98 % der Fahrer seines Typs eine Halbschale auf, Integralhelm geht ja gar nicht in der Konstellation. Auto nimmt Vorfahrt, glasklar, Haftung eigentlich 100 %. Leider bremst er zuerst mit dem Kinn, den Rest überlasse ich eurer Vorstellung => Voller Schadensersatz für das neue Gesicht, da ja fast alle so rum fahren.
2.) Genau der gleiche Unfall, nur ein BMW-Fahrer auf BMW S 1000 RR, ebenfalls Halbschale. Sind wir uns einig, dass ca. 98 % der BMW S 1000 RR - Fahrer einen Integralhelm tragen oder zumindest einen (hoffentlich geschlossenen) Klapphelm aus den GS-Zeiten? Logische Folge dieses Urteil. Der bekommt ein Kürzung, weil es das nicht tat, was die überwiegende Mehrheit zu tun pflegt, um sich über gesetzliche Bestimmungen hinweg zu schützen.
Zur Begründung wird dann wikipedia zitiert:
http://de.wikipedia.org/wiki/Motorradhelm
"Man unterscheidet folgende Bauarten:
Integralhelme (auch Vollvisierhelme) mit fester Kinnpartie – bieten den besten Schutz.
Klapphelme, bei denen sich die Kinnpartie hochklappen lässt – wobei die Sicherheit im Vergleich zu Integralhelmen minimal geringer oder genauso gut ist. Außerdem erleichtern Klapphelme das Abnehmen des Helmes nach einem Unfall. Zudem sind sie bei Brillenträgern sehr beliebt.
Enduro/Motocross-Helme mit fester Kinnpartie (größerer Abstand als beim Integralhelm, meistens ohne Visier)
Jethelme mit tiefgezogenem Visier, aber ohne Kinnpartie.
Halbschalenhelme (auch die sog. Braincap)
Die beiden letztgenannten Bauarten schützen Gesicht und Kinn bei einem Unfall nicht."
Für alle Befürworter des Urteils... merkt ihr was?
@ Jonni
Um die Frage, ob der Schädiger per se für den Schaden haftet, geht es nicht.
Richtig, im Ausgangsbeitrag ging es aber auch ausschließlich darum, ob wegen Stoffhose weniger rauskommen darf. Das Oberlandesgericht hat ausdrücklich schadensersatzmindernd diesen Umstand zu lasten des Motorradfahrers berücksichtigt, ich darf aus dem Urteil zitieren:
"Schließlich ist auch in gewissem Umfang - wie bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert - ein Mitverschulden des Klägers insoweit anzunehmen, als er an den Beinen keine Schutzkleidung getragen hat, sondern lediglich mit einer Stoffhose bekleidet war. ...Vorliegend hat der Kläger auf das Tragen einer Schutzkleidung ausgerechnet an den Beinen (Kopf und Oberkörper waren hinreichend geschützt), also dort, wo die Verletzungsgefahr am Größten ist, verzichtet. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der am linken Bein erlittenen Verletzungen wie Prellungen und Riss-wunden, die eine umfangreiche chirurgische Wundversorgung erforderten, nicht eingetreten wären, wenn der Kläger auch an den Beinen eine Schutzbekleidung getragen hätte."
@ Phil
das ein schmerzensgeld hoeher ausgefallen waere, mit schutzkleidung, das wage ich zu bezweifeln
Deine Meinung teile ich nicht. Das OLG hat sich nicht wenig Mühe gegeben, seine Meinung zum Thema Mitverschulden zu Papier zu bringen. Wenn es nur darum gegangen wäre, dem Kläger das zuzusprechen, was er letztlich bekam, hätte sich das OLG die Ausführungen zum Mitverschulden schlicht sparen können und darauf hinweisen können, dass die bereits bezahlten 14.000.- € auch ausreichend bei voller Haftung ohne Kürzung sind. Ganz klar, es ging dem OLG darum, ein Zeichen zu setzen und Stellung zum Thema Kürzung wegen unzureichender Kleidung zu setzen.
Bei dieser Gelegenheit... ist nun eigentlich der Betreiber einer Fahrschule in der (Mit-) haftung, wenn er ein 16-jähriges Mädel beim Mopedführerschein ohne Vollschutz fahren läßt, wenn was passiert... kommt doch sicher ständig vor (das Fahren lassen ohne Vollschutz meine ich).
der klaeger hat schlicht zu hoch gepokert. 25.000.- plus 180.000.- sind ein wenig an der realitaet vorbei wenn man sich die unfallfolgen ansieht.
100 % Zustimmung, pokert man zu hoch, ist die "Türe oftmals zu". Allerdings ergeben sich die 180.000.- €, die das OLG nennt, nur dadurch, dass 2 grundlegende Fehler bei der Berechnung gemacht wurden.
1.) Es heißt im Urteil:
"Ausgehend von der vom Kläger für angemessen erachteten monatlichen Rente von 250,00 € würde dies bereits bei einer Lebenserwartung von lediglich 70 Jahren ein Gesamtschmerzensgeld von nahezu 180,000,00 € ergeben..."
Jeder kann nachrechnen, 250.- € im Monat = 3000.- € / Jahr heißt 60 Jahre lang zahlen, damit aufaddiert 180.000.- € rauskommen. wenn man nun wie vom OLG erfolgt eine Lebenserwartung von "lediglich 70 Jahren" ansetzen würde, drüfte der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung erst 10 Jahre ale gewesen sein. Wie alt der KLäger ist steht im urteil nicht. Aber der Unfall war im September 2005. Rente wollte er ab August 2008. Er müßte ca. 9 Jahre alt gewesen sein, damit das mit der Lebenserwartung hinhaut, sorry, das ist einfach nur falsch und peinlich, was die drei Herren beim OLG da berechnet haben.
2.) Noch grotesker wird es aber jetzt:
Wieder ein Zitat aus dem urteil nur eine Zeile drüber:
"Unabhängig von alledem wäre bei einer Schmerzensgeldrente darauf zu achten, dass der Kapitalbetrag in Addition mit dem kapitalisierten Rentenbetrag ein Gesamtschmerzensgeld ergibt, das in einer Größenordnung annähernd einem lediglich als Einmalbetrag ausgezahlten Schmerzensgeld entspricht (Slizyk, S. 102). "
Genau so ist es, nur weiß das OLG anscheinend nicht, wie man kapitalisiert. Der Faktor läuft meist auf den 16 - 18 fachen Jahresbetrag raus, hier somit für die Schmerzensgeldrente 48.000 - 54.000.- €. Zzgl. der geforderten Einmalzahlung von 25.000.- € freilich für die Verletzungen im Vergleich zu anderen Entscheidungen viel zu viel, da bleibst bei meiner Zustimmung.
dann lass es aber jammer nicht rum wenn es im falle eines unfalles weit mehr weh tut als es sein muesste. das dir bei einem unverschuldeten unfall ein ausgleich zusteht, das stelle ich nicht in abrede.
1.) Was soll ich lassen? Ich sitze auf der Leitung
2.) Im Falle eines Unfalles... Habe ich schon hinter mir, Lombok 1995 auf einem Roller, ca. 50 - 60 km/h. Tat weh, man sieht auch noch ein wenig, wenn man weiß wo man bei mir hinschauen muss
.
3.) Einen wirklichen Ausgleich gibt es bei schweren Verletzungen sowie so nicht, leider. Ich bin sofort bereit, die doppelte Versicherungsprämie zu bezahlen, wenn die Mehreinnahmen dazu verwendet werden würden, die Schmerzensgeldbeträge zu verzehnfachen. Mit den doppelten Einnahmen könnte man aber rechnerisch die Schmerzensgeldbeträge sogar verfünfundzwanzigfachen !!!!. Denn der Anteil der Ausgaben für Schmerzensgeldzahlungen macht nur 4 % des Beitragsvolumens aus, der Rest geht für interne Verwaltungskosten, Tahlungen für Blech, Verdienstentgang usw. drauf.
nicht das ich es ihm nicht goenne aber irgendwo muss man auch mal den ball im dorf lassen.
100 % Zustimmung, siehe oben, wobei es schon etwas mehr als 14.000 hätten sein dürfen.
ach uebrigens .. revision ist nicht zugelassen .. nur so am rande.
Darf ich aus meinem Beitrag zitieren:
"Das OLG hat die Revision nicht zugelassen, weil es wohl nicht gemerkt hat, dass es letztlich von der Rechtssprechung des BGH aus dem jahre 1979 abgewichen ist. Gleichwohl bleibt dem Kläger die Möglichkeit einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH."
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist in § 544 ZPO geregelt, siehe hier:
http://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__544.html
Da die Beschwer des Klägers auf über 20.000.- € festgelegt wurde, ist die Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht durch § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen, siehe hier:
http://www.gesetze-im-internet.de/zpoeg/__26.html
Anzumerken ist übrigens noch, dass Das OLG gegen den Kläger mit einem betrag in Höhe von 180.000.- € bzgl. der Schmerzensgeldrente argumentiert hat, dann aber den Streitwert für den entsprechenden Klageantrag des Klägers auf nur 15.000.- € festgesetzt hat. Was nun?
@LGW
Natürlich ist schon Motorrad fahren an sich gefährlich, aber hier stellt sich doch irgendwo eine Abwägungsfrage - denn Fahrrad fahren in der Stadt halte ich für NOCH gefährlicher, und da ist auch keine Schutzkleidung vorgeschrieben.
Andererseits zahlt (fast) keine Unfallversicherung, wenn man beim Skateboarden ohne Knie- und Ellenbogenschützer ein paar Knochen zertrümmert.
Fahrrad in der Stadt... Gutes Beispiel
Unfallversicherung zahlt nicht?!? Wie kommst denn da drauf? Das ist schlicht und einfach falsch. Ich habe mal nach einem beliebigen Unfallversicherungsbedingungswerk gegoogelt, siehe hier:
http://www.mertens-tauchreisen.de/images/allgemein/AllgemeineUnfallBedingungen_2000_10187_0204.pdf
Das sind absolute Standardbedingungen: Wo steht da was von darf nicht zahlen?
Ziffer 3 betrifft Vorerkarnkungen, passt nicht
Ziffer 5 enthält eine Liste, passt aber auch nicht
Ziffer 8 sind Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall
Alles andere passt eh nicht.
@ Martin
Wenn jemand meint seine Dummheit, keine Schutzkleidung tragen, muss auch noch mit einem Aufschlag belohnt werden, sorry kein Verständnis.
Eine Kürzung ist was ziemlich anderes als ein Aufschlag. Klar, Personen, die eine andere Ansicht als die eigene vertreten sind dumm. Das ist eine optimale Diskussionsgrundlage. Ich halte dich doch auch nicht für dumm, weil du mit Schutzkleidung fährst, höchstens für wenig tolerant, wenn du andere der Dummheit bezichtigst, die ohne fahren.
@ Topgun
in südlichern Ländern ist dies
(Foto) Standart...
Es reicht, wenn du westlich fährst. In Frankreich kannst du Motorradpolizisten treffen, die fahren kurzärmelig. Oder nimm diesen hier im Bürokratenamerika:
So, Schluß jetzt, fürs erste
. Bitte versteht das rechtliche Zeugs nicht als Besserwisserei, aber es wird so viel unzutreffendes geschrieben, da kann ab und zu ein Hinweis nicht schaden.