Hallo,
das Urteil macht auch im
www.boxer-forum.de die Runde, ich kopiere mal meine Beiträge von dort hier rein:
1. Beitrag:
Hallo,
hier ist der Link:
http://www.n-tv.de/auto/rechtverkehr/Weniger-Schmerzensgeld-article526973.html
Hier der Text von N-TV:
"Mittwoch, 30. September 2009
Fehlende Schutzkleidung
Weniger Schmerzensgeld
Außer einem Helm gibt es keine Vorschriften für die richtige Kleidung für Motorradfahrer. Im Falle eines Unfalls kann das Fahren in kurzen Hosen und T-Shirt allerdings nicht nur körperlich schmerzhaft werden.
Unter Motorradfahrern gehen die Meinungen über eine ausreichende Schutzkleidung offenbar weit auseinander. Während für den einen eine robuste Kombi zur Grundausstattung gehört, kommen bei anderen neben dem vorgeschriebenen Helm Turnschuhe, kurze Hosen und T-Shirt zum Einsatz. Zwar garantiert eine angemessene Kleidung keine Unfallfreiheit oder gar Unverwundbarkeit, doch lassen sich Gesundheitsschäden oft vermeiden oder verringern. So sieht es auch das brandenburgische Oberlandesgericht.
In einem Urteil (AZ:12 U 29/09) wurde jetzt entschieden, dass das Schmerzensgeld nach einem Unfall gekürzt werden kann, wenn es aufgrund fehlender Schutzkleidung zu Verletzungen kommt. Das Gericht geht hier von einem "Verschulden gegen sich selbst" aus. Ein "ordentlicher und verständiger Mensch" lasse die nötige Sorgfalt außer Acht, um sich zu schützen, wenn er ohne ausreichende Schutzausrüstung Motorrad fährt. Im vorliegenden Fall trug ein Biker an den Beinen keine geeignete Schutzkleidung und hatte so Verletzungen erlitten.
Aufgrund der Instabilität des Fahrzeugs sind Motorradfahrer im Straßenverkehr besonders gefährdet, unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Kraftrades. Der ADAC empfiehlt deshalb, beim Führen von Krafträdern entsprechende Schutzkleidung mit Protektoren zu tragen. Biker sollten die Sicherheitsausrüstung als selbstverständlich ansehen."
Die Entscheidung des brandenburgischen Oberlandesgerichts gibt es hier im Volltext:
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE090044844&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10
Das wichtigste in Auszügen:
"Selbst unter Berücksichtigung von Ausmaß und Schwere sämtlicher vom Kläger dargestellten Verletzungen und Folgeschäden erscheint nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger an den Beinen keine Schutzkleidung getragen hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von 14.000,00 € angemessen. ...
Schließlich ist auch in gewissem Umfang - wie bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert - ein Mitverschulden des Klägers insoweit anzunehmen, als er an den Beinen keine Schutzkleidung getragen hat, sondern lediglich mit einer Stoffhose bekleidet war. Zwar existieren anders als bei der Helmpflicht keine gesetzlichen Vorschriften darüber, dass jeder Motorradfahrer über das Tragen eines Helmes hinaus insgesamt eine Motorradschutzkleidung zu tragen hat. Ein Mitverschulden des Verletzten ist aber auch bereits dann anzunehmen, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (BGH NJW 1979, 980, in einem Fall, in dem der Geschädigte noch vor Einführung der Helmpflicht keinen Helm getragen hat). Zu berücksichtigen sind bei der Beantwortung der Frage, ob ein so genanntes Verschulden gegen sich selbst vorliegt, die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie der Gesichtspunkt, was den Verkehrsteilnehmern zuzumuten ist, um diese Gefahren möglichst gering zu halten. Eine Schutzbekleidung hat die primäre Aufgabe, den Motorradfahrer vor den negativen Folgen eines Sturzes zu schützen bzw. diese zu vermindern. Aufgrund der Instabilität des Fahrzeugs ist der Motorradfahrer nicht nur bei Rennveranstaltungen, sondern auch im normalen Straßenverkehr besonders gefährdet. Deshalb empfehlen sämtliche maßgeblichen Verbände, die sich u. a. mit der Sicherheit und im Besonderen auch mit der Motorradsicherheit befassen, einen Schutz bei jeder Fahrt mit sicherer Motorradbekleidung. Entsprechende Empfehlungen findet man z. B. beim ADAC, beim Institut für Zweiradsicherheit (ifz), das zudem eine Statistik veröffentlich hat, wonach die Verletzungshäufigkeit gerade im Bereich der Beine bei etwa 80 % liegt, sowie des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e. V. Letztgenannter hat im Jahre 2008 beschlossen, an die Motorradfahrer zu appellieren, Schutzkleidung einschließlich Protektoren zu tragen. Die meisten Motorradfahrer empfinden es heutzutage als eine persönliche Verpflichtung, mit Schutzkleidung zu fahren. Jeder weiß, dass das Fahren ohne Schutzkleidung ein um ein vielfaches höheres Verletzungsrisiko in sich birgt, wobei natürlich nicht verkannt werden soll, dass auch mit dem Tragen von Motorradschutzkleidung nicht jeglichen Verletzungsgefahren entgegengewirkt werden kann. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, zu welchen Leistungen das Motorrad letztlich in der Lage ist. Auch für „kleine Maschinen“ kann auf Schutzkleidung zur Vermeidung schwerer Verletzungen nicht verzichtet werden. Dass es ungeachtet von Überlegungen (auch in der EU) zur Einführung einer Tragepflicht von Motorradkleidung noch nicht zu einer entsprechenden normierten Festlegung gekommen ist, ändert nichts an der Tatsache, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens eine Schutzkleidung trägt und er, sofern er darauf verzichtet, bewusst ein erhebliches Verletzungsrisiko im Falle eines Unfalls eingeht und es deshalb sachgerecht erscheint, im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes ein Verschulden gegen sich selbst schmerzensgeldmindernd zu berücksichtigen (so auch - allerdings ohne Begründung - OLG Düsseldorf NZV 2006, 415 f).
19Vorliegend hat der Kläger auf das Tragen einer Schutzkleidung ausgerechnet an den Beinen (Kopf und Oberkörper waren hinreichend geschützt), also dort, wo die Verletzungsgefahr am Größten ist, verzichtet. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der am linken Bein erlittenen Verletzungen wie Prellungen und Riss-wunden, die eine umfangreiche chirurgische Wundversorgung erforderten, nicht eingetreten wären, wenn der Kläger auch an den Beinen eine Schutzbekleidung getragen hätte."
Meine unwesentliche Meinung dazu:
1.) Immerhin hat sich der Senat etwas Mühe gegeben, seine Meinung zu begründen. Geprägt ist die Enbtscheidung aber von theoretischem Geschwafel. Ausdrücklich stellt der Senat darauf ab, dass auch für kleine Maschinen nicht auf Schutzkleidung verzichtet werden kann. Mit welchem Motorrad hier der KLäger unterwegs war, ergibt sich aus der Entscheidung nicht. Ganz klar, Vollschutz für Rollerfahrer in der Stadt, da passiert nämlich am meisten!!!
2.) Geradezu eine Frechheit ist es, dass der Senat seine Entscheidung unter Berufung auf ein Urteil des BGH aus dem jahre 1979 begründet. In dieser Entscheidung wurde das GEGENTEIL festgestellt. Allgemein heißt es zwar, dass ein Verschulden auch denkbar ist, wenn man das nicht tut, was ein ordentlicher und verständiger Mensch tut, ohne dass es ein Gesetz das vorschreibt. Das Urteil der Vorinstanz wurde, mit welchem ein Mitverschulden angenommen wurde, wurde jedoch aufgehoben. Der Motorradfahrer bekam 100 %, weil "...unter solchen Umständen vom Motorradfahrer nicht erwartet werden konnte, dass er als "verkehrsrichtig" weitergehende Maßnahmen zu seiner Sicherheit für erforderlich halten, mithin eine bessere Einsicht haben mußte als die amtlichen Stellen (= der Gesetzgeber)". So liegt der Fall meines Erachtens auch hier.
3.) Das OLG hat die Revision nicht zugelassen, weil es wohl nicht gemerkt hat, dass es letztlich von der Rechtssprechung des BGH aus dem jahre 1979 abgewichen ist. Gleichwohl bleibt dem Kläger die Möglichkeit einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Ich habe in den Veröffentlichungen nicht finden können, ob das Urteil des OLG rechtskräftig wurde. Falls nicht sollte es demnach ein Verfahren vor dem BGH geben, wäre dessen Ausgang sicher hochspannend. Behält der BGH seine Argumentation aus dem urteil aus dem Jahre 1979 bei müßte der Kläger eigentlich recht bekommen.
Ich weiß, dass war jetzt alles wieder geschwollen, ich warte schon auf kritischen Kommentare. Dem ein oder anderen hat die Zusammenfassung gleichwohl geholfen, hoffe ich.
2. Beitrag:
Hallo,
schon interessant, was man hier so für Ansichten liest, aber es wäre ja auch langweilig, wenn alle nur das gleiche denken würden.
Zu den Sicherheitsfanatikern möchte ich aber noch folgendes anmerken.
Ein Motorrad ist kein Sportgerät sondern nichts weiter als ein Beförderungsobjekt von A nach B (wenn auch oft über Umwege und ohne zwingenden Anlaß, von A nach B zu gelangen
)
Ich denke überhaupt nicht daran, Schutzkeidung anzuziehen, wenn ich mich ein paar Kilometer durch die Stadt bewege, um verschiedene Erledigungen zu tätigen (ich weiß, dass gerade Stadtverkehr gefährlich ist, das braucht mir hier jetzt keiner zu schreiben). Der (auch) Sinn und Zweck eine einspurigen Fahrzeuges, nämlich erhöhte Flexiblität, bessere Parkmöglichkeiten in der Stadt usw. würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn ich über den Umweg der Mithaftung jeden Nutzer eines solchen Fahrzeuges letztlich zwinge, sich in unpraktische "Watte zu packen".
Das Thema Schutzkleidung läßt sich auf jede Betätigung ausdehnen (Helm bei Skifahren, Rückenprotektor, Schutz beim Inlinern, Skateboard usw., die Liste könnte man beliebig lange schreiben)... und überhaupt gehört schließlich alles verboten oder zumindest sanktioniert, was andere anderes machen als man selbst, zumindest gewinnt man den Eindruck, das diese Meinung vorherrscht, wenn man sich zu solchen Themen umhört. Damit meine ich jetzt nicht nur diese Diskussionsrunde hier. Die 120kgschwerenchipsvordemfernseherinsichhineinstopfer finden, dass Skifahrer höhere Krankenversicherungsprämien bezahlen sollen, die Skifahrer wollen die Dicken zahlen lassen usw.
Leut, wir haben nun wahrlich genug Regeln, wenn nun auch noch jeder Richter daherkommt und eigene Pseudoregeln aufstellt, weil er meint, die vernünftige Mehrheit müßte oder würde bereits so handeln dann können wir einpacken.
Ich kann nur hoffen, dass der Kläger in die Revision geht (und Recht bekommt).