Du meinst: Heutzutage verkauft man sich (seine Arbeitskraft) nicht mehr, man verleiht sich ... also selbst. Beim einem Werkvertrag schuldet man dem Auftraggeber ja eigentlich ein Werk. So war das jedenfalls früher. Klassisch an Baustellen/Bauvorhaben ... also "funktionsfähige Entrauchungsanlage nach Baubeschreibung" (jetzt nur mal als Beispiel).
Inzwischen geht wohl auch: Vollständig eingeräumte Regale in einem Supermarkt ... und derartige Dinge. Ist doch toll, die neuen Werktätigen, ein Volk von Unternehmern. Vom Tellerstapler zum Millionär ... verleihe dich selbst, sonst wirst du verliehen. Hauptsache, alle haben Arbeit ... sagt die Bundesregierung. Stimmt ja auch.
Naja, volkswirtschaftlich betrachtet ist es immer billiger Arbeit zu bezahlen als Nicht-Arbeit. Volkswirtschaftlich betrachtet ist es aber auch sehr viel besser, das Gesamtvermögen in der breiten Masse zu verteilen, als auf einige wenige zu beschränken.
Ja, bei einem Werkvertrag schuldest Du die Lieferung oder den Erfolg, das ist völlig richtig. Und das Werk kann auch sein, ein vollständig und ordentlich eingeräumtes Regal. Das ist pervers, aber es ist so.
Vom Tellerstapler zum Millionär, nee vom Tellerstapler zum HartzIV-Empfänger. Unternehmer, die keine sind, aber wie solche behandelt werden. Selbstausbeutung auf einen Niveau, das an die übelsten Zeiten der industriellen Revolution erinnert. Das Ergebnis neoliberale Politik. Mindestlohn ist Teufelszeug, Kündigungsschutz sowieso, was Dein Leben und Deine Gesundheit wert sind, bestimmt der Berater vom Arbeitsamt, der Bearbeiter Deines Hartz-IV-Antrags, die Politik, die die Rahmenbedingungen schafft.
Das Proletariat ist mal wieder ein Prekariat.
Arbeitslosengeld entwickelt sich von einem Versicherungsanspruch in ein Bittgesuch, Arbeitslosenhilfe landet auf dem Niveau der Sozialhilfe und wird mit dieser zusammengelegt.
Klar freue ich mich darüber, das ich mir keine Gedanken darüber machen muß, ob die Flasche Wein zum Abendessen 20 oder 40Euro kostet, aber ich kenne auch die andere Seite und ich habe sie nicht vergessen. Mir und meiner Frau und ich denke auch den absolut meisten in unserem Einkommensbereich würden 1000, 2000 oder 3000Euro mehr Steuern im Jahr nicht wirklich weh tun. Auf die Masse gerechnet ist das ein Menge Geld, mit der man eine Menge Sachen finanzieren kann, geringere Steuern für Geringverdiener , höhere HartzIV-Sätze, höheres Bafög, mir fallen eine Menge Dinge ein, die die Situation von Leuten mit geringem Einkommen deutlich verbessern würde.
Wir haben nichts zu unserem besseren Startmöglichkeiten getan, weder zu unserer Intelligenz, noch das sich unsere Eltern unsere Ausbildung leisten konnten. All das ist nicht unser Verdienst. Und das trifft für die Mehrzahl der Gut-, Besser- und Bestensverdienenten zu, ihre Startmöglichkeiten waren aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, besser.
Aber wir alle haben es in der Hand, jeden Tag, bei jedem Wahlgang. Die Welt ist das, was wir daraus machen und momentan gefällt sie mir gar nicht.
Es kann einfach nicht sein, das, wenn ich als Selbsständiger freiwillig in der Gesetzlichen verischert bin, es eine Beitragshöchstgrenze gibt und es kann einfach nicht sein, das ich auch wenn ich das doppelte von meiner Frau verdiene, genauso viel zahle wie sie und es kann noch viel weniger sein, das ich in einer privaten Versicherung bin, weniger als die Hälfte zahle. Es kann einfach nicht sein, das meine Steuerlast bei nahezu doppeltem Einkommen bei 21% liegt während meine Frau 24,5% zahlt. Und mir mein Steuerberater erklärt, "Sie zahlen zu viel Steuern". Hallo, wo leben wir.
Ich könnte platzen darüber. Ja klar, mein Arbeitstag ist oft 16 Stunden, aber das ist meine Entscheidung. Genauso wie es meine Entscheidung ist, am Dienstag zu beschließen, am Mittwoch eine Tour von 435km zu fahren und für niemanden erreichbar zu sein. Das kann kein AN.
Für Entscheidungsfreiheit, braucht es wirtschaftliche Unabhängigkeit, was für HartzIV-Empfänger zutrifft, trifft im europäischen Rahmen auch auf Griechenland, Spanien und Italien zu.